Adolphe Quetelet: Unterschied zwischen den Versionen

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Lambert Adolphe Jacques Quételet (geb. am 22. Februar 1796 in Gent; gest. am 17. Februar 1874 in Brüssel) war ein Astronom, Statistiker, Mathematiker und  Sozialwissenschaftler, der bemüht war, die Wissenschaft in Belgien derjenigen in anderen europäischen Staaten ebenbürtig zu machen.
'''Lambert Adolphe Jacques Quételet''' (geb. am 22. Februar 1796 in Gent; gest. am 17. Februar 1874 in Brüssel) war ein Astronom, Statistiker, Mathematiker und  Sozialwissenschaftler, der bemüht war, die Wissenschaft in Belgien derjenigen in anderen europäischen Staaten ebenbürtig zu machen.


===  Familie ===
===  Familie ===
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== Wirken ==
== Wirken ==
Folgende Aussage Quetelet’s über die Gesetze des Verbrechens erschütterten seine Zeitgenossen zutiefst: „Es gibt einen Tribut, den der Mensch regelmäßiger bezahlt als denjenigen, welchen er der Natur oder dem Staatsschatze entrichtet; es ist derjenige, den er dem Verbrechen zollt! – trauriger Zustand des Menschengeschlechtes! Wir können im Voraus aufzählen, wie viele Fälscher, wie viele Giftmischer es geben wird, fast so, wie man im Voraus die Geburten und Todesfälle angeben kann, die einander folgen müssen.“
Folgende Aussage Quetelet’s über die Gesetze des [[Verbrechen]]s erschütterten seine Zeitgenossen zutiefst: „Es gibt einen Tribut, den der Mensch regelmäßiger bezahlt als denjenigen, welchen er der Natur oder dem Staatsschatze entrichtet; es ist derjenige, den er dem Verbrechen zollt! – trauriger Zustand des Menschengeschlechtes! Wir können im Voraus aufzählen, wie viele Fälscher, wie viele Giftmischer es geben wird, fast so, wie man im Voraus die Geburten und Todesfälle angeben kann, die einander folgen müssen.“




=== Soziale Physik ===
=== Soziale Physik ===
Comte, welcher die Wissenschaft der „Soziologie“ schuf, glaubte einfach mit biologischer Forschung gesellschaftliche Gesetze entdecken zu können. Für seine Wissenschaft sollten die biologischen Methoden, der Versuch, Umfrage und Erfahrung allein gelten. Im Gegensatz zu Comte befragte Quetelet  hingegen die „große Zahl“ um die Zufälligkeiten des Individuums ausscheiden zu können. Damit schuf er die Moralstatistik und erhob die Statistik zur Hauptmethode der Gesellschaftswissenschaft.  
Comte, welcher die Wissenschaft der „Soziologie“ schuf, glaubte einfach mit biologischer Forschung gesellschaftliche Gesetze entdecken zu können. Für seine Wissenschaft sollten die biologischen Methoden, der Versuch, Umfrage und Erfahrung allein gelten. Im Gegensatz zu Comte befragte Quetelet  hingegen die „große Zahl“ um die Zufälligkeiten des Individuums ausscheiden zu können. Damit schuf er die [[Moralstatistik]] und erhob die Statistik zur Hauptmethode der Gesellschaftswissenschaft.  


Seine Moralstatistik (auch als Sozialbehaviorismus zu bezeichnen) war eine Kombination aller drei statistischen Wissenszweige auf höherer Ebene. Von der amtlichen Tabellenstatistik erhielt sie das ziffernmäßige Material, von der politischen Arithmetik übernahm sie die Methode der Wahrscheinlichkeitsrechnung und mit der Universitätsstatistik teilte sie den Beobachtungsgegenstand.  
Seine Moralstatistik (auch als Sozialbehaviorismus zu bezeichnen) war eine Kombination aller drei statistischen Wissenszweige auf höherer Ebene. Von der amtlichen Tabellenstatistik erhielt sie das ziffernmäßige Material, von der politischen Arithmetik übernahm sie die Methode der Wahrscheinlichkeitsrechnung und mit der Universitätsstatistik teilte sie den Beobachtungsgegenstand.  


Die Frage die sich  Quetelet stellte war wie folgend: „Sind die Handlungen des moralischen und geistigen Menschen Gesetzen unterworfen oder nicht?“ Er entdeckte dabei eine regelmäßige Wiederkehr bestimmter Erscheinungen. Diese Normalverteilung von Eigenschaften fasste Quetelet unter dem Idealtyp des „mittleren Menschen“ (frz. homme moyen) zusammen. Dieses von ihm begründete Wissensgebiet nannte er Sozialphysik. Seine Absicht war es das sittliche Leben in allen seinen Erscheinungen als gesetzmäßig zu verstehen somit statistische Gesetze zu begreifen die Phänomenen wie Verbrechensquoten, Eheraten oder Selbstmordraten unterliegen. Die Frage inwieweit der mittlere Mensch den Strukturbedingungen einer Gesellschaft entspricht hat Quetelet nicht untersucht. Seine statistische Konstruktion des mittleren Menschen soll die Funktionsbedingungen in einer Gesellschaft aufzeigen, sie ist aber kein Funktionselement dieser Gesellschaft.
Die Frage die sich  Quetelet stellte war wie folgend: „Sind die Handlungen des moralischen und geistigen Menschen Gesetzen unterworfen oder nicht?“ Er entdeckte dabei eine regelmäßige Wiederkehr bestimmter Erscheinungen. Diese Normalverteilung von Eigenschaften fasste Quetelet unter dem [[Idealtypus|Idealtyp]] des „mittleren Menschen“ (frz. homme moyen) zusammen. Dieses von ihm begründete Wissensgebiet nannte er Sozialphysik. Seine Absicht war es das sittliche Leben in allen seinen Erscheinungen als gesetzmäßig zu verstehen somit statistische Gesetze zu begreifen die Phänomenen wie Verbrechensquoten, Eheraten oder [[Suizid|Selbstmord]]raten unterliegen. Die Frage inwieweit der mittlere Mensch den Strukturbedingungen einer Gesellschaft entspricht hat Quetelet nicht untersucht. Seine statistische Konstruktion des mittleren Menschen soll die Funktionsbedingungen in einer Gesellschaft aufzeigen, sie ist aber kein Funktionselement dieser Gesellschaft.


Mit der Begründung seiner „sozialen Physik“ stellt Quetelet fest, dass es keinen Zufall, sondern nur Gesetzmäßigkeiten gibt und dies auch in den Gebilden gesellschaftlichen Zusammenlebens. Alles bisher als zweckmäßig angenommenen Handeln, alles was bisher als Äußerung des freien Willens betrachtet worden war, lag nun der mathematisch – biologischen Zergliederung frei.
Mit der Begründung seiner „sozialen Physik“ stellt Quetelet fest, dass es keinen Zufall, sondern nur Gesetzmäßigkeiten gibt und dies auch in den Gebilden gesellschaftlichen Zusammenlebens. Alles bisher als zweckmäßig angenommenen Handeln, alles was bisher als Äußerung des freien Willens betrachtet worden war, lag nun der mathematisch – biologischen Zergliederung frei.
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Seiner mit einer pragmatischen Einstellung gepaarten großen Tatkraft ist es zu danken, dass die Statistik auf administrativer (institutioneller) und wissenschaftlicher (funktionaler) Ebene ein gutes Stück vorankam. Auf seine Anregung hin fand der erste internationale statistische Kongress in Brüssel statt, er organisierte die amtliche Statistik Belgiens vorbildlich und wirkte darauf hin, dass das statistische Material auf internationaler Ebene nach einheitlichen Gesichtspunkten gesammelt wurde.
Seiner mit einer pragmatischen Einstellung gepaarten großen Tatkraft ist es zu danken, dass die Statistik auf administrativer (institutioneller) und wissenschaftlicher (funktionaler) Ebene ein gutes Stück vorankam. Auf seine Anregung hin fand der erste internationale statistische Kongress in Brüssel statt, er organisierte die amtliche Statistik Belgiens vorbildlich und wirkte darauf hin, dass das statistische Material auf internationaler Ebene nach einheitlichen Gesichtspunkten gesammelt wurde.


 
=== [[Kriminologie]] ===
 
Quetelet war eine einflussreiche Größe in der Kriminalwissenschaft. Zusammen mit [[Andre-Michel Guerry]] half er, die kartografische Schule und positivistische Schule der Kriminalwissenschaft zu etablieren, die umfassenden Gebrauch von statistischen Techniken machte. Durch die statistische Analyse gewann Quetelet Einblick in die Beziehungen zwischen Verbrechen und anderen sozialen Faktoren. Unter seinen Ergebnissen fand er starke Beziehungen zwischen Alter und Verbrechen, sowie Geschlecht und Verbrechen. Andere einflussreiche Faktoren fand er im Klima, Armut, Ausbildung und Alkoholgenuss.  
=== Kriminologie ===
Quetelet war eine einflussreiche Größe in der Kriminalwissenschaft. Zusammen mit Andre-Michel Guerry half er, die kartografische Schule und positivistische Schule der Kriminalwissenschaft zu etablieren, die umfassenden Gebrauch von statistischen Techniken machte. Durch die statistische Analyse gewann Quetelet Einblick in die Beziehungen zwischen Verbrechen und anderen sozialen Faktoren. Unter seinen Ergebnissen fand er starke Beziehungen zwischen Alter und Verbrechen, sowie Geschlecht und Verbrechen. Andere einflussreiche Faktoren fand er im Klima, Armut, Ausbildung und Alkoholgenuss.  
Den praktischen Nutzen seiner Arbeit sah Quetelet darin, dass der Gesetzgeber aufgrund  des nunmehr möglichen Einblicks in gesellschaftliche Zusammenhänge dem Übel mit adäquaten Gesetzen vorbeugen könne, anstatt es erst Platz greifen zu lassen und nur nachträglich und weniger wirksam durch Gesetze einzudämmen.
Den praktischen Nutzen seiner Arbeit sah Quetelet darin, dass der Gesetzgeber aufgrund  des nunmehr möglichen Einblicks in gesellschaftliche Zusammenhänge dem Übel mit adäquaten Gesetzen vorbeugen könne, anstatt es erst Platz greifen zu lassen und nur nachträglich und weniger wirksam durch Gesetze einzudämmen.


Das soziologische Kernstück seiner Arbeit, das ihm noch in der Moderne Bedeutung verleiht, sind die Passagen über die Erfassung der Gesetzmäßigkeiten menschlicher Vergesellschaftung.
Das soziologische Kernstück seiner Arbeit, das ihm noch in der Moderne Bedeutung verleiht, sind die Passagen über die Erfassung der Gesetzmäßigkeiten menschlicher Vergesellschaftung.


=== Gesundheitswesen ===
=== Gesundheitswesen ===
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*1870/71. L’anthropométrie ou le mesure des différentes facultés de l'homme.
*1870/71. L’anthropométrie ou le mesure des différentes facultés de l'homme.


== Quellen ==
== Weblinks ==
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*http://www.bbf.dipf.de/cgi-shl/digibert.pl?id=BBF0732472&c=687
http://www.bbf.dipf.de/cgi-shl/digibert.pl?id=BBF0732472&c=687
*http://www.wikipedia.de
 
*http://www-history.mcs.st-andrews.ac.uk/PictDisplay/Quetelet.html.
http://www.wikipedia.de
 
http://www-history.mcs.st-andrews.ac.uk/PictDisplay/Quetelet.html.
 
Adler, Karl (1856) : Zur Naturgeschichte der Gesellschaft von Ad. Quételet, Hoffmann und Campe.
 
Dorn, Valentine (1914): Soziale Physik oder Abhandlung über die Entwicklung der Fähigkeiten des Menschen von Ad. Quételet, Verlag von Gustav Fischer.
 
Böhme, Monika (1971): Die Moralstatistik, Böhlau.


Colloque Adolphe Quételet (1997): Actualité et universalité de la pensée scientifique d’Adolphe Quételet, Acad. Royale de Belgique.
== Literatur ==
*Karl Adler, ''Zur Naturgeschichte der Gesellschaft von Ad. Quételet, Hoffmann und Campe 1956.
*Valentine Dorn, ''Soziale Physik oder Abhandlung über die Entwicklung der Fähigkeiten des Menschen von Ad. Quételet'', Verlag von Gustav Fischer 1914.
*Monika Böhme, ''Die Moralstatistik'', Böhlau 1971.
*Colloque Adolphe Quételet: ''Actualité et universalité de la pensée scientifique d’Adolphe Quételet'', Acad. Royale de Belgique 1997.
*Brian P. Cooper, ''Family fictions and family facts'', Routledge 2007.


Cooper, Brian P. (2007): Family fictions and family facts, Routledge.
[[Kategorie:Mann]]
[[Kategorie:Kriminologe]]
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