Friedrich Schaffstein: Unterschied zwischen den Versionen

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Einer größeren juristischen Öffentlichkeit bekannt wurde er sodann durch die um die Jahreswende 1932/33 herum gemeinsam mit [[Georg Dahm]] verfasste Streitschrift „Liberales oder autoritäres Strafrecht“. In dieser Streitschrift verfochten die beiden jungen Strafrechtler ein antiliberales und autoritäres Strafrecht, das allein auf Vergeltung und Abschreckung (durch harte Sanktionen) gegründet sein sollte, nicht jedoch auf die spezialpräventiven Erziehungsgedanken der „Modernen Schule“ [[Franz von Liszt]]s. Insbesondere habe sich das autoritäre Strafrecht methodologisch vom [[Individualismus]] jedweder geistesgeschichtlichen Prägung ab- und sich überindividuellen Werten zuzuwenden. Die Verfasser bekannten sich in diesem Werk noch nicht explizit zum [[Nationalsozialismus]], sondern sahen sich als Teil einer breiter angelegten, [[Völkische Bewegung|völkischen Gesamtbewegung]].
Einer größeren juristischen Öffentlichkeit bekannt wurde er sodann durch die um die Jahreswende 1932/33 herum gemeinsam mit [[Georg Dahm]] verfasste Streitschrift „Liberales oder autoritäres Strafrecht“. In dieser Streitschrift verfochten die beiden jungen Strafrechtler ein antiliberales und autoritäres Strafrecht, das allein auf Vergeltung und Abschreckung (durch harte Sanktionen) gegründet sein sollte, nicht jedoch auf die spezialpräventiven Erziehungsgedanken der „Modernen Schule“ [[Franz von Liszt]]s. Insbesondere habe sich das autoritäre Strafrecht methodologisch vom [[Individualismus]] jedweder geistesgeschichtlichen Prägung ab- und sich überindividuellen Werten zuzuwenden. Die Verfasser bekannten sich in diesem Werk noch nicht explizit zum [[Nationalsozialismus]], sondern sahen sich als Teil einer breiter angelegten, [[Völkische Bewegung|völkischen Gesamtbewegung]].


=== Verstrickung in die Rechtswissenschaft des [[Drittes Reich|Dritten Reiches]] ===
=== Verstrickung in die Rechtswissenschaft des [[Kriminologie im Dritten Reich|Dritten Reiches]] ===
Bereits kurz nach der nationalsozialistischen Machtergreifung bekannte sich Friedrich Schaffstein sodann auch explizit zum Nationalsozialismus. 1937 trat er der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] bei. Neben Georg Dahm stellte Friedrich Schaffstein den zweiten strafrechtlichen Hauptvertreter der sogenannten [[Kieler Schule]] (auch genannt: „Kieler Richtung“) des Rechts dar. Die Kieler Schule, zu der neben Georg Dahm und Friedrich Schaffstein auch [[Karl Larenz]], [[Franz Wieacker]] und [[Ernst Rudolf Huber]] gehörten, bemühte sich um eine Umgestaltung und Neuinterpretation aller Rechtsgrundbegriffe in einem nationalsozialistischen und völkischen Sinne. Nachdem er der Kieler Schuler zunächst „nur geistig“ angehört hatte (sein erstes Ordinariat führte ihn 1933 zunächst nach Leipzig), wurde Friedrich Schaffstein 1935 auch offiziell nach Kiel berufen.
Bereits kurz nach der nationalsozialistischen Machtergreifung bekannte sich Friedrich Schaffstein sodann auch explizit zum Nationalsozialismus. 1937 trat er der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] bei. Neben Georg Dahm stellte Friedrich Schaffstein den zweiten strafrechtlichen Hauptvertreter der sogenannten [[Kieler Schule]] (auch genannt: „Kieler Richtung“) des Rechts dar. Die Kieler Schule, zu der neben Georg Dahm und Friedrich Schaffstein auch [[Karl Larenz]], [[Franz Wieacker]] und [[Ernst Rudolf Huber]] gehörten, bemühte sich um eine Umgestaltung und Neuinterpretation aller Rechtsgrundbegriffe in einem nationalsozialistischen und völkischen Sinne. Nachdem er der Kieler Schuler zunächst „nur geistig“ angehört hatte (sein erstes Ordinariat führte ihn 1933 zunächst nach Leipzig), wurde Friedrich Schaffstein 1935 auch offiziell nach Kiel berufen.


Friedrich Schaffstein trug in dreierlei Hinsicht zur Theoriebildung der „Kieler Schule“ bei: 1) durch seine Konzeption einer „politischen Strafrechtswissenschaft“ , 2) durch seine Lehre vom Verbrechen als [[Pflichtverletzung]] und 3) durch seine Beiträge zu der von Georg Dahm begründeten [[Gesinnung]]<nowiki>stätertypenlehre</nowiki>.
Friedrich Schaffstein trug in dreierlei Hinsicht zur Theoriebildung der „Kieler Schule“ bei:
# durch seine Konzeption einer „politischen Strafrechtswissenschaft“
# durch seine Lehre vom Verbrechen als [[Pflichtverletzung]]  
# durch seine Beiträge zu der von Georg Dahm begründeten [[Gesinnung]]<nowiki>stätertypenlehre</nowiki>.


Schaffsteins damaliger Auffassung zufolge gibt es keine unpolitische Art, [[Wissenschaft]] zu betreiben. Jede Wissenschaft beruhe vielmehr auf bestimmten politischen Grundanschauungen. So sei auch die fälschlicherweise als unpolitisch titulierte, vornationalsozialistische Strafrechtslehre keineswegs unpolitisch gewesen, sondern habe auf den nunmehr „überwundenen“ politischen Grundsätzen eines [[Individualismus|individualistischen]] und [[Rationalismus|rationalistischen]] Zeitalters gefußt. Insofern konsequent, forderte Schaffstein ein offenes Bekenntnis der „neuen“ Strafrechtslehre zum Nationalsozialismus. Im Lichte der nationalsozialistischen [[Weltanschauung]] habe eine politische Strafrechtswissenschaft das [[Verbrechen]] nicht als [[Rechtsgut]]verletzung, sondern als eine Pflichtverletzung gegenüber der [[Volksgemeinschaft]] zu betrachten. Die von der traditionellen Strafrechtslehre durchgeführte systematische Unterscheidung von "Rechtswidrigkeit" und "Schuld" sollte aufgegeben und im übergeordneten Konzept einer "materiellen Rechtswidrigkeit" vereint werden.   
Schaffsteins damaliger Auffassung zufolge gibt es keine unpolitische Art, [[Wissenschaft]] zu betreiben. Jede Wissenschaft beruhe vielmehr auf bestimmten politischen Grundanschauungen. So sei auch die fälschlicherweise als unpolitisch titulierte, vornationalsozialistische Strafrechtslehre keineswegs unpolitisch gewesen, sondern habe auf den nunmehr „überwundenen“ politischen Grundsätzen eines [[Individualismus|individualistischen]] und [[Rationalismus|rationalistischen]] Zeitalters gefußt. Insofern konsequent, forderte Schaffstein ein offenes Bekenntnis der „neuen“ Strafrechtslehre zum Nationalsozialismus. Im Lichte der nationalsozialistischen [[Weltanschauung]] habe eine politische Strafrechtswissenschaft das [[Verbrechen]] nicht als [[Rechtsgut]]verletzung, sondern als eine Pflichtverletzung gegenüber der [[Volksgemeinschaft]] zu betrachten. Die von der traditionellen Strafrechtslehre durchgeführte systematische Unterscheidung von "Rechtswidrigkeit" und "Schuld" sollte aufgegeben und im übergeordneten Konzept einer "materiellen Rechtswidrigkeit" vereint werden.   
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