Stigmatisierung: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Griechen schufen den Begriff Stigma als Verweis auf körperliche Zeichen, die dazu bestimmt waren, etwas Ungewöhnliches oder Schlechtes üben den moralischen Zustand des Zeichenträges zu offenbaren. Die Zeichen wurden in den Körper geschnitten oder gebrannt und taten öffentlich kund, dass der Träger ein Sklave, ein Verbrecher oder ein Verräter war.  
Die Griechen schufen den Begriff Stigma als Verweis auf körperliche Zeichen, die dazu bestimmt waren, etwas Ungewöhnliches oder Schlechtes üben den moralischen Zustand des Zeichenträges zu offenbaren. Die Zeichen wurden in den Körper geschnitten oder gebrannt und taten öffentlich kund, dass der Träger ein Sklave, ein Verbrecher oder ein Verräter war.  


Später in christlichen Zeiten bekam er metaphorische Inhalte und bezog sich zum einen auf körperliche Zeichen göttlicher Gnade zum anderen auf die medizinische Anspielung für physische Unstimmigkeiten.  
Später in christlichen Zeiten bekam der Stigmabegriff metaphorische Inhalte und bezog sich zum einen auf körperliche Zeichen göttlicher Gnade, zum anderen auf die medizinische Anspielung für physische Unstimmigkeiten.  


Heute wird der Terminus weitgehend in einer Annäherung an seinen ursprünglichen wörtlichen Sinn gebraucht, aber eher auf die Unehre selbst als auf deren körperliche Erscheinungsweise angewandt (vgl. Goffman 1967 S. 9). So wurden in der vorindustriellen Zeit für die verschiedenen Außenseiter der Gesellschaft, wie Krüppel, Vagabunden, Geistesschwache jeweils spezifische Formen der Stigmatisierung entwickelt, weil jede Gruppe in ihrer Stellung zur dominierenden Kultur anders definiert wurde. In unserer Zeit haben sich die Vorstellungen gegen z. T. neu gebildete Gruppen stärker homogenisiert und systematisiert. Goffman unterscheidet drei verschieden Typen Stigmatisierter (vgl. Goffman 1967 S. 12 f.):  
Heute wird der Terminus weitgehend in einer Annäherung an seinen ursprünglichen wörtlichen Sinn gebraucht, aber eher auf die Unehre selbst als auf deren körperliche Erscheinungsweise angewandt (vgl. Goffman 1967 S. 9). So wurden in der vorindustriellen Zeit für die verschiedenen Außenseiter der Gesellschaft, wie Krüppel, Vagabunden, Geistesschwache jeweils spezifische Formen der Stigmatisierung entwickelt, weil jede Gruppe in ihrer Stellung zur dominierenden Kultur anders definiert wurde. In unserer Zeit haben sich die Vorstellungen gegen z. T. neu gebildete Gruppen stärker homogenisiert und systematisiert. Goffman unterscheidet drei verschieden Typen Stigmatisierter (vgl. Goffman 1967 S. 12 f.):  


- die „Abscheulichkeit des Körpers – die verschiedenen physischen Deformationen  
- die „Abscheulichkeit des Körpers" – die verschiedenen physischen Deformationen  


- individuelle Charakterfehler, wahrgenommen als Willensschwäche, beherrschende oder unnatürliche Leidenschaften, tückische und starre Meinungen und Unehrenhaftigkeiten, wie Geistesverwirrung, Gefängnishaft, Sucht, Alkohol, Homosexualität, Arbeitslosigkeit, Selbstmordversuche, radikales politischen Verhalten  
- individuelle Charakterfehler, wahrgenommen als Willensschwäche, beherrschende oder unnatürliche Leidenschaften, tückische und starre Meinungen und Unehrenhaftigkeiten, wie Geistesverwirrung, Gefängnishaft, Sucht, Alkohol, Homosexualität, Arbeitslosigkeit, Selbstmordversuche, radikales politischen Verhalten  
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- die phylogenetische Stigmata von Rasse, Nation und Religion  
- die phylogenetische Stigmata von Rasse, Nation und Religion  


Eine Betrachtung im historischen Kontext, die „eine bestimmte Eigenschaft, an die sich eine soziale Disprivilegierung knüpft“ (Lautmann 1971 S. 935), als Stigma bezeichnet, müsste bei der Vielzahl der Adressatengruppen ständig mit den sozialpolitischen, sozialen, soziologischen Wirkfaktoren der Interaktionsbeteiligten reflektiert werden (Scott 1970 S. 255 ff., Hohmeier 1971 S.98). Daher muss hier auf eine weitere historische Aufarbeitung verzichtet werden.  
Eine Betrachtung im historischen Kontext, die „eine bestimmte Eigenschaft, an die sich eine soziale Disprivilegierung knüpft“ (Lautmann 1971 S. 935), als Stigma bezeichnet, müsste bei der Vielzahl der Adressatengruppen ständig mit den sozialpolitischen, sozialen, soziologischen Wirkfaktoren der Interaktionsbeteiligten reflektiert werden (Scott 1970 S. 255 ff., Hohmeier 1971 S. 98). Daher muss hier auf eine weitere historische Aufarbeitung verzichtet werden.  


Letztendlich ist festzustellen, dass einerseits aufgrund bestimmter demokratischer Oberflächenregeln (Davis 1961 S.120 ff.) eine Reduktion des Abbau der Stigmatisierungsvorstellungen von physischen und psychischen Diskreditierter erfolgte (Haffter 1968 S. 55 ff.), aber andererseits, dass nun gegen andere Gruppen, wie Ausländer, Hartz-IV-Empfänger, Obdachlosenbewohner usw. neue soziale Stereotype entwickelt werden.  
Letztendlich ist festzustellen, dass einerseits aufgrund bestimmter demokratischer Oberflächenregeln (Davis 1961 S. 120 ff.) eine Reduktion der Stigmatisierungsvorstellungen von physischen und psychischen Diskreditierter erfolgte (Haffter 1968 S. 55 ff.), aber andererseits, dass nun gegen andere Gruppen, wie Ausländer, Hartz-IV-Empfänger, Obdachlosenbewohner usw. neue soziale Stereotype entwickelt werden.  


== Stigmatisierungsprozess ==
== Stigmatisierungsprozess ==
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