Ende des Alkoholverbots in den USA

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Alkoholprohibition in den USA

Die Alkoholprohibition in den USA litt unter so großen Implementationslücken und schuf so viele zusätzliche Probleme, dass sie ihre selbstgesetzten Ziele nie erreichte. Allerdings dauerte es einige Zeit, bis die Entscheidungsträger das Scheitern der Prohibition eingestanden und den entsprechenden Verfassungszusatz aufhoben. Von entscheidender Bedeutung war der medienwirksam dargestellte Sinneswandel eines einstmals überzeugten Vertreters der Prohibitionspolitik. John D. Rockefeller Jr. begründete seine Meinungsänderung mit der Erkenntnis, dass die Folgen der Prohibition im Begriffe stünden, weitaus schlimmer zu werden als das Übel, das man mittels des Alkoholverbots hatte bekämpfen wollen:

"Das Ausmass der Korruption nicht nur unter Polizisten, sondern auch unter den mit der Prohibitionsdurchsetzung in den Bürostuben betrauten Beamten war in den zwanziger Jahren Untersuchungsgegenstand zahlloser Ausschüsse und Regierungskommissionen. Dabei offenbarte sich, dass häufig schon die Anwärter auf Posten in der Prohibitionsverwaltung bestochen wurden, dass sogar die Staatsanwälte, Richter und Zeugen, die sich mit Alkoholvergehen befassten, in zahllosen Fällen Geld für das Fällen einer «richtigen» Entscheidung empfangen hatten. So musste die gesamte Mannschaft der 3500 Stellen umfassenden Prohibitionsbehörde innerhalb von sechs Jahren dreimal ausgewechselt werden, «um ehrenhafte Elemente zu gewinnen», ohne dass es, laut Schmölders' Untersuchung, irgendwelche Anzeichen gegeben hätte, dass getreue Beamte in die freigewordenen Stellen nachgerückt wären. Obwohl es an Versuchen der Regierung nicht mangelte, dem Gesetz Geltung zu verschaffen, mussten sich immer mehr Bürger von der Unwirksamkeit, ja Kontraproduktivität des Prohibitionsgesetzes überzeugen lassen. Vorangetrieben wurde diese Überzeugungsarbeit von einer antiprohibitionistischen Gruppe, die in Organisation und Taktik ironischerweise ganz so aufgebaut war wie die Anti-Saloon-League von 1893. Nur mit dem Unterschied, dass sie, die Association Against the Prohibition Amendment (AAPA), gegründet 1926, genau das Gegenteil dessen anstrebte, was die Anti-Kneipen-Liga wenige Jahre zuvor durchgesetzt hatte. Und die Symmetrie der Ereignisse ging darüber noch weit hinaus. So war bei der Kampagne für das Alkoholverbot die Rolle des Züngleins an der Waage den Vertretern der wirtschaftlichen Elite Nordamerikas zugefallen. Ohne die moralische und finanzielle Unterstützung der Prohibitionsbewegung durch Leute wie John D. Rockefeller und seinen Sohn sowie viele andere reiche Kapitalisten «wäre die Prohibition nie erfolgt» - so Harry Levine in Übereinstimmung mit allen anderen Autoren, die sich zu den Ursachen der Alkoholprohibition wissenschaftlich geäussert haben.

Merkwürdigerweise sollte es bei der Aufhebung der Prohibition nicht anders sein, nur dass der Einfluss des Big Business in diesem Fall noch viel deutlicher war. Die AAPA bestand aus den reichsten der Reichen. Den Verwaltungsrat leitete Pierre Du Pont von Dupont Chemicals in Zusammenarbeit mit John J. Raskob von General Motors. Als einfache Mitglieder im Aufsichtsrat vertreten waren die Präsidenten und Generaldirektoren von Boeing, Anaconda Copper, General Electric, US Steel, Richfield Oil, AT&T und vielen anderen mehr. Die naheliegende Frage, warum sich so viele so reiche und beschäftigte Männer für die Aufhebung des Alkoholverbots einsetzten, muss bei ihren eigenen persönlichen Interessen ansetzen. Pierre Du Pont, so heisst es, sei überzeugt gewesen, dass er bei einer Wiedereinführung der Getränkesteuer Millionen weniger an persönlichen und geschäftlichen Einkommenssteuern zahlen müsste und dass eine Wiederbelebung der Alkoholindustrie neue Arbeitsplätze mit zusätzlichen Einnahmen für die öffentliche Hand schaffen würde: «So wie man sich einst von der Einführung des Alkoholverbots eine Ära neuer Produktivität und Wohlstand versprochen hatte, so versprach man sich nun von der Aufhebung genau das gleiche», schreibt Levine.

Am 7. Juni 1932 kam dann die entscheidende Wende. Die Presse in den USA veröffentlichte einen Brief, den ihr John D. Rockefeller jr. am Vorabend des Republikanischen Parteitages übergeben hatte - einen Brief, in dem der «geborene Prohibitionist», wie Rockefeller sich bezeichnete, seine Wandlung zum Antiprohibitionisten begründete. Er erinnerte sich darin an seinen und seines Vaters Einsatz für die Anti-Kneipen-Liga, um dann zu erklären, wie er «langsam und widerstrebend» zu der Überzeugung gelangt sei, dass die Nachteile, die seit dem Inkrafttreten des Totalverbots entstanden seien und gewuchert hätten, die ursprünglichen Vorteile der Prohibition inzwischen nicht nur auf-, sondern deutlich überwögen. Der 18. Zusatzartikel zur Verfassung der USA, das Totalverbot von Alkohol, sollte deshalb aufgehoben werden.

Rockefellers Erklärung schlug wie eine Bombe ein. Für die «New York Times» war sie «die grösste politische Sensation in der Hauptstadt seit Jahren». Die meisten Kommentatoren waren begeistert; viele Politiker schienen nur auf diesen Tag gewartet zu haben, um sich ebenfalls als Prohibitionsgegner zu erkennen zu geben. Der Mut von John D. Rockefeller jr. wurde allgemein gepriesen. Der entscheidende Punkt seiner Argumentation hiess lawlessness, Gesetzlosigkeit: Das Totalverbot, sagte Rockefeller, habe Millionen von Amerikanern nicht davon abhalten können, weiter Alkohol zu trinken - darunter «viele unserer besten Bürger, die darüber verärgert sind, wie der Staat in ihre Privatsphäre eingreift». Der millionenfache und regelmässige Ungehorsam gegenüber diesem einen Gesetz habe aber unweigerlich zu einem generellen Niedergang des Vertrauens in das Gesetz und des Respekts vor den Gesetzen geführt, was wiederum die Kriminalität insgesamt habe ansteigen lassen. Wenn dagegen jetzt nichts unternommen werde - und das erste müsse die Aufhebung der Prohibition sein -, dann würden die Verhältnisse im Lande «unaussprechbar schlimmer als jene, die vor dem Alkoholverbot herrschten». Das war die letzte Symmetrie: So wie man einst befürchtet hatte, dass es ohne die Einführung eines Totalverbots zu immer unerträglicheren Zuständen kommen würde, so glaubte man nun, dass diese einträten, wenn man es nicht sofort aufhebe" (Scheerer 1992).


Scheitern der Drogenprohibition

Nach ihren selbstgesetzten Zielen - nämlich der Beschränkung des Vorhandenseins von Drogen auf die für den medizinischen und wissenschaftlichen Bedarf erforderlichen Mengen - ist die internationale Drogenpolitik gescheitert. Die Bereitschaft zum Eingeständnis dieses Scheiterns ist bei den Entscheidungsträgern in Politik und Verwaltung allerdings nicht vorhanden. Lediglich ehemalige Präsidenten können es sich leisten, wenn schon nicht das Scheitern des "War on Drugs" einzugestehen, so doch zumindest eine offene Diskussion über die Bilanz der Prohibitionspolitik zu fordern. Inzwischen tritt die Global Commission on Drug Policy nach dem Vorbild der von den ehemaligen Präsidenten von Brasilien (Cardoso), Kolumbien (Gaviria) und Mexiko (Zedillo) ins Leben gerufenen "Latin American Commission on Drugs and Democracy" für eine offene Diskussion der Drogenpolitik ein. Sie verfolgt drei Ziele:

  • review the basic assumption, effectiveness and consequences of the 'war on drugs' approach
  • evaluate the risks and benefits of different national responses to the drug problem
  • develop actionable, evidence-based recommendations for constructive legal and drug policy reform.

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