Schatzregal

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Ein Regal ist nicht nur ein Möbelstück, sondern bezeichnet in der Welt des Rechts auch ein königliches Privileg (von lat. rex, regis: der König) - und so ist ein Schatzregal ein juristisches Vorrecht des Königs (oder der Staats- oder Landesregierung) in Bezug auf Schatzfunde. Nicht der Finder oder der private Grundstückseigentümer erhält das Eigentum am Schatz, sondern der Inhaber der politischen Herrschaft in dem jeweiligen Gebiet. Finder und Grundstückseigentümer gehen entweder ganz leer aus oder erhalten eine Art Finderlohn oder Entschädigung.

Auf diese Weise sollen erstens Kulturdenkmäler für die Wissenschaft und die Öffentlichkeit bewahrt werden - und zweitens soll eine finanzielle Belastung für den Staat durch allzu hohe Kaufpreis- oder Entschädigungszahlungen an Finder bzw. Grundstückseigentümer vermieden werden. Allerdings widerspricht ein Schatzregal dem Gerechtigkeitsempfinden vieler Bürger. Wer zum Beispiel im Straßengraben eine Perlenkette im Wert von 500 Euro findet, erhält 25 Euro Finderlohn, falls sich die Eigentümerin meldet. Falls nicht, darf er sie nach sechs Monaten behalten. Wird eine solche Perlenkette bei Bauarbeiten gefunden, z.B. weil sie bei der Flucht 1945 dort versteckt worden war, gehört sie in den Ländern ohne Schatzregal zur Hälfte dem Finder und zur Hälfte dem Grundstückseigentümer. In den Ländern mit Schatzregal gehört sie dem Bundesland. Der ehrliche Finder erhält eine Anerkennung, eine Urkunde oder ein Fachbuch - und nur gelegentlich, je nach Ausgestaltung des Gesetzes, auch eine finanzielle Entschädigung. Wo er nach Landesrecht leer ausgeht, ist er der sprichwörtliche Dumme.

Wo ein Schatzregal existiert, fehlen jedenfalls die effektiven Anreize für die Suche nach und das Melden von Funden. Wie der US-Jurist Joseph L. Sax sagte (1999: 185), "Practical wisdom suggests that finders ordinarily need to be compensated generously or the public is unlikely to get the found objects, regardless of the formal rules". Je strenger das Schatzregal in einem Land und je stärker ein Schatzregal die Finder und Grundstückseigentümer benachteiligt, desto stärker ist der Anreiz, eventuelle Funde zu unterschlagen, desto weniger Funde werden gemeldet und desto größer ist das Problem illegaler Schatzfund-Märkte. Mit dem zuletzt genannten Problem haben alle Länder zu kämpfen, die aufgrund des Vorhandenseins von Fundstellen antiker Hochkulturen ein strenges ("großes") Schatzregal haben (zum Beispiel Griechenland seit 1834).

Entwicklung im deutschsprachigen Raum

Im Jahre 1900 wurde das Schatzregal im Deutschen Reich abgeschafft und durch die Hadriansche Teilung (§ 984 BGB) ersetzt, die dem Finder und dem Grundstückseigentümer den Schatz je zur Hälfte zuspricht. Diese Regelung gilt allerdings heute nur noch in drei Bundesländern ohne Einschränkung: in Bayern, Hessen und NRW. Diese Länder haben es vermocht, sich gleichwohl herausragende Funde zu sichern (z.B. durch eine Ablieferungspflicht gegen Entschädigung) und auch unabhängig von der Eigentumsfrage eine wissenschaftliche Bearbeitung von wichtigen Schatzfunden sicherzustellen.

Die anderen Bundesländer haben ihre Denkmalsschutzgesetze genutzt, um sich - übrigens auch gedeckt von der Rechtsprechung, die darin keinen Verfassungsverstoß sah - von der Hadrianschen Teilung zu verabschieden und in der einen oder anderen Form wieder ein Schatzregal einzuführen.

  • In Niedersachsen wird der Staat aufgrund des dort geltenden "kleinen Schatzregals" (nur) dann Eigentümer des Fundes, wenn der Schatz auf Grund einer vom Staat durchgeführten Suchaktion gefunden wurde.
  • In Bremen geht das kraft Schatzregals vom Land erworbene Eigentum ex nunc auf die nach § 984 BGB Berechtigten über, wenn es nicht innerhalb von drei Monaten in die Denkmalliste eingetragen wird.
  • Im Saarland gilt das Schatzregal bei Funden anlässlich staatlicher Nachforschungen, in Grabungsschutzgebieten, aus nicht genehmigten Grabungen oder bei wissenschaftlichem Wert der Funde.
  • Von den Ländern mit großem Schatzregal ist Rheinland-Pfalz noch relativ finderfreundlich, da es dem Finder "im Rahmen der verfügbaren Mittel des Landeshaushalts" einen Finderlohn verspricht. 2009 erhielt dort der Finder eines 50 Kilogramm schweren römischen Münzschatzes 1000 Euro.
  • In Sachsen-Anhalt gibt es eine "angemessene Entlohnung" (als Kann-Vorschrift). Schleswig-Holstein kennt sogar einen Anspruch auf eine solche Entlohnung. Aber der Grundstückseigentümer geht hier immer leer aus.
  • In der Schweiz und in Liechtenstein gilt: herrenlose Naturkörper und Altertümer, die einen wissenschaftlichen Wert aufweisen, gelangen nach Artikel 724 des schweizerischen Zivilgesetzbuchs (bzw. Artikeln 192 und 445 des liechtensteinischen Sachenrechts) von Gesetzes wegen (ex lege) in das „Eigentum des Kantons, in dessen Gebiet sie gefunden werden“. Für den Finder bzw. Eigentümer des Grundstücks gibt es einen Ausgleichsanspruch auf eine angemessene Vergütung (Art 724 Abs. 3 ZGB; 445 Abs. 3 Sachenrecht).

Auswirkungen auf die Kriminalität

Befürworter des Schatzregals weisen auf die bei Einführung des Schatzregals geschaffene eindeutige Rechtslage hin. Es werden Situationen vermieden, in denen Raubgräber illegal graben, aber gleichwohl zur Hälfte Eigentümer des Gefundenen werden.

Strafdrohung

Allerdings begeht, wer einen Fund nicht meldet, in einem Land ohne Schatzregal nur eine Ordnungswidrigkeit - in einem Land mit Schatzregal hingegen Fundunterschlagung (und dies sogar dann, wenn er Grundstückseigentümer ist). Fundunterschlagung wird in Deutschland mit bis zu drei Jahren Gefängnis geahndet. Wer solche unterschlagenen Schätze oder Schatzbestandteile (wie etwa einzelne Münzen) kauft, dem droht eine Anzeige wegen Hehlerei. Je weitreichender das Schatzregal, desto umfangreicher die Kriminalisierung. Die am weitesten gehenden Schatzregale gelten in Berlin und Sachsen. Beim großen Schatzregal, das in der Mehrzahl der Länder gilt, fallen alle Funde dem Land zu, die "einen hervorragenden wissenschaftlichen Wert haben" - ein unbestimmter Rechtsbegriff, der zu Streitigkeiten vor Gericht geradezu einlädt.

Straftaten

Nach Ansicht von Archäologen und Numismatikern leistet die rechtliche Situation dem „Fundtourismus“ Vorschub, bei dem archäologische Funde in ein Land ohne Schatzregal verbracht werden und der ursprüngliche Fundort dabei unzutreffend angegeben wird. Durch die Fundunterschlagungen kommt es auch zu Fehlinformationen auf sog. Fundverbreitungskarten. Länder mit Schatzregal verringern dadurch die Zahl der in ihnen gemeldeten Funde. In Baden-Württemberg mit Schatzregal werden im Jahr offiziell durchschnittlich 80 Münzen gefunden - in Bayern (ohne Schatzregal) immerhin 6000. Ähnlich hohe Zahlen bekanntgewordener Funde gibt es auch im schatzregallosen Ausland wie z.B. Österreich.

Literatur

  • Fischer zu Cramburg, Ralf (2001) Das Schatzregal. Der obrigkeitliche Anspruch auf das Eigentum an Schatzfunden in den deutschen Rechten, Hoehr-Grenzhausen: Numismatischer Verlag Gerd Martin Forneck [Veröffentlichungen der Gesellschaft für Historische Hilfswissenschaften 6]. ISBN 3923708114
  • Sax, Joseph L. (1999) Playing Darts with a Rembrandt. Public and Private Rights in Cultural Treasures, Ann Arbor.
  • Strobl, Majocco, Sieche (2001) Denkmalschutzgesetz für Baden-Württemberg. Kommentar und Vorschriftensammlung. Kohlhammer, Stuttgart (2. Aufl.). ISBN 3-17-015621-7
  • Weber, Lukas (2011) Vom Unglück, einen Schatz zu finden. FAZ 23.04.2011: 20.

Weblinks