Rote Brigaden

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Die 1970 von dem Ehepaar Renato Curcio und Margherita Cagol sowie Alberto Franceschini in Mailand gegründeten Roten Brigaden (italienisch Brigate Rosse, BR) waren eine sozialrevolutionäre bewaffnete Gruppe, die sich im Umfeld der "Neuen Linken" herauskristallisiert hatte und sich sowohl an der Tradition des antifaschistischen italienischen Partisanenkampfs als auch an der Stadtguerilla-Idee der uruguayanischen Tupamaros orientierte. Eine ideologische Nähe bestand auch zu der RAF, der Bewegung 2. Juni, sowie der Action directe (Frankreich). Geleitet von der Idee, dass sie mit ihren bewaffneten Aktionen die gewerkschaftlichen Kämpfe gegen das Kapital unterstützen könnten, verübten die Roten Brigaden zwischen 1970 und 1988 73 Mordanschläge, organisierte Entführungen und Banküberfälle. Die Aktionen der Roten Brigaden gipfelten in der Entführung des italienischen Ministerpräsidenten Aldo Moros und dessen Ermordung. Zwischen 1969 und 1989 wurde gegen 1337 mutmaßliche Aktivisten der BR ermittelt. Im Jahr 1999 tauchte erneut eine Gruppe auf, die sich Rote Brigaden nannte. Sie wird für drei Ermordungen verantworlich gemacht, außerdem steht sie im Verdacht mehrere Anschläge geplant zu haben, unter anderem auf den ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi. Anfang 2007 wurden 15 Menschen festgenommen, die der Mitgliedschaft der neuen BR verdächtigt wurden.


Vorgeschichte

Die politische Entwicklung Italiens nach dem Zweiten Weltkrieg

In Italien erfolgte das Ende der faschistischen Herrschaft nach dem Zweiten Weltkrieg gänzlich anders als in Deutschland. Mit der Ankunft der Alliierten 1943 im Süden Italiens wurde das Land in zwei Teile geteilt: Zum einen wurde der Regierungschef Mussolini von König Vittorio Emmanuele III. durch Marschall Badaglio ersetzt. Dieser trat mit seiner Regierung zu den Alliierten über. Zum anderen errichtete im Norden Italiens Mussolini unter deutschem Schutz seine Republik von Salo. Trotzdem entstand im Norden Italiens bereits zu dieser Zeit eine breite Streik- und Partisanenbewegung. Bereits 1942 begannen sich die antifaschistischen Parteien neu zu organisieren, Kommunisten und Sozialisten gingen ein Volksfrontbündnis ein, strebten damit jedoch keine sozialistische Verfassung, sondern ein sogenannten „fortschrittliche Demokratie“ an. In der Verfassung Italiens von 1946 setzten sie durch, dass die Möglichkeit einer staatlichen Planung, sowie eine Nationalisierung der Wirtschaft und der Auftrag zu einer Landreform verankert wurde. Auf diese von ihr mitbeschlossene Verfassung stützt die Kommunistische Partei Italiens auch heute noch ihre Politik. In den 1940 er und 1950er Jahren oblag die politische Führung Italiens der Democrazia Cristiana (diese war 1942 aus der katholischen Volkspartei hervorgegangen). Sie schaffte es, eine breite Masse an Wählern hinter sich zu stellen, von Vertretungen des Großbürgertums über progressiv-katholische Linke, bis hin zu einer agrarisch-konservativen Rechten Sie regierten (zum Teil alleine, zum Teil in einer Koalition mit anderen Parteien) von 1948 bis 1963, doch bereits bei der Wahl 1953 wurde es für die DC immer schwieriger, ihre zentristische Linie zu halten, zum einen durch den Verlust von Wählerstimmen, zum anderen durch die wachsende Opposition von Sozialdemokraten und Republikanern. 1963 wurde die erste Mitte-Links-Regierung gebildet, sie bestand aus der DC, sowie aus der kommunistischen Partei. Sie regierten gemeinsam bis 1971, allerdings konnten grundlegende Reformen nicht durchgesetzt werden. Auch war es nicht möglich durch den Zusammenschluss von Sozialdemokraten und Sozialisten eine sozialdemokratische Massenpartei zu bilden. So trennten sich die Sozialisten und Sozialdemokraten bereits 1969 wieder.

Die Entwicklung der Kommunistischen Partei nach dem Zweiten Weltkrieg

Die Partito Communista d´Italia (PCD´l) wurde 1921 zeigt Parallelen mit der Gründung ihres deutschen Pendants der KPD auf. Auch sie entstand als eine Abspaltung der Sozialistischen Partei. Für Henner Hess lässt sich durch die Entwicklung und politische Linie der Italienischen Kommunistischen Partei (Partito Comunisto Italiano, PCI) die Entstehung und Entwicklung der außerparlamentarischen Linken erklären. Das entstehen gewalttätiger Gruppen lässt sich für ihn auch als Ergebnis einer Hegemonie-Krise des PCI innerhalb der Opposition erklären. Die frühe Erkenntnis der prägenden Köpfe der Kommunistischen Partei Gramsci und Togliatti, dass der Faschismus seinen Erfolg auch darauf begründete, dass es ihm möglich war, eine breite Masse zu mobilisieren und hinter sich zu stellen, prägte die Kommunistische Partei stark. Aufgrund dieser Überlegungen regte Togliatti nach seiner Rückkehr aus dem Exil 1944 an, die bürgerliche Gesellschaft anzusprechen. Die „Hegemonie der Bourgeoisie“ sollte ersetzt werden durch eine „Hegemonie der Arbeiterklasse“ (Gramsci). Durch das Gewinnen der bürgerlichen Basis sollte verhindert werden, dass der Faschismus erneut die breite Masse der Bevölkerung hinter sich zu stellen. Auch sahen Gramsci und Togliatti im Katholizismus einen wichtigen Schlüssel für den Erfolg ihrer Partei, ihnen war klar, dass es unmöglich war, eine breite Masse zu mobilisieren und für ihre Argumente zu gewinnen, wenn der tief verwurzelte Katholizismus ausgeschlossen war. So wurde die Partei nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs als „Massenpartei neuen Typs“ reorganisiert und konnte von Anfang an hohe Mitgliederzahlen aus allen gesellschaftlichen Schichten verbuchen. Die starke Konzentration auf die Rekrutierung neuer Mitglieder stürzte die Partei in den 1960er Jahren in eine Krise. Togliatti war 1964 gestorben und die Mehrheit der Mitglieder drängte durch die zunehmende und offensichtliche Erfolglosigkeit der Mitte-Links-Regierungen zu einer Zusammenarbeit mit den Sozialisten und Sozialdemokraten. Eine Minderheit jedoch drängte dagegen. Durch diesen internen Konflikt versäumte es die Partei auf die Veränderungen im Italien der 1960er Jahre zu reagieren. Die große Streikbewegung die sich in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre formierte war für die Kommunistische Partei völlig unerwartet und stieß zunächst auch auf Ablehnung ihrerseits. Beginn der Protestbewegung im Italien der 1960er Jahre Im Februar 1968 begannen in Italien Proteste von Studenten, die sich vor allem gegen schlechte Studiengebühren und die autoritären Strukturen an den Universitäten, aber auch in der gesamten italienischen Gesellschaft richteten. Auch der Vietnam-Krieg und das Verhalten der USA diesbezüglich bot den Studenten Anlass zu protestieren. . Vor allem in Mailand waren Straßenkämpfe zwischen Rechts- und Linksextremisten 1969 fast an der Tagesordnung. Bereits im Frühjahr 1968 hatten die Gewerkschaften zu einem landesweiten Streik aufgerufen. Allein in Mailand waren 300.000 Metallarbeiter auf den Straßen um für höhere Pensionen zu protestieren. Im Juli des gleichen Jahres kam es dann zum offenen Bruch zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften. Eine Studenten- und Arbeiterbewegung übernahm im Juli die Führung eines Streiks der FIAT-Werke in Turin, zu dem zuvor die Gewerkschaften aufgerufen hatten. Den Höhepunkt der Proteste bildete der sogenannte Autunno Caldo (Heißer Herbst) von 1969: Unterstützt von den drei italienischen Gewerkschaften führten Arbeiter und Studenten gemeinsam die bis dato intensivste Streikphase der italienischen Geschichte. Die Erwartungen der Neuen Linken eine Kulturrevolution à la China auszulösen wurden nicht erfüllt. Stattdessen zeigten die Gewerkschaften eine hohe Anpassungsfähigkeit an die neuen Umstände und so kehrte die Mehrheit der Protestler zurück zu den Gewerkschaften, die ja auch immer die Proteste unterstützt hatten. Der "Autunno Valdo" wurde mit der Unterzeichnung des "Statuo dei Lavoratori" beendet, durch den sich die Gewerkschaften eine starke Machtposition sicherten. Während dieser Zeit entstanden viele linksextremistische Gruppierungen, darunter auch die ersten Untergrundorganisationen.

(Grundlage dieses Textes ist die Analyse "Italien: Die ambivalente Revolte" von Henner Hess, Literaturverweis s.u.)

Von der Gruppi di Arizione Partigiana (GAP) zur Gründung der Roten Brigaden (BR)

Ginagiacomo Feltrinelli und die Gruppi di Arizione Partigiana

Bei der Entwicklung der sozialrevolutionären terroristischen Gewalt Italiens spielt Ginagiacomo Feltrinelli eine wichtige Schlüsselrolle. Der Verleger stammte aus einer der reichsten Industriellenfamilien Italiens und verfügte so über gute Kontakte und Informationen der „herrschenden Klasse“. Zudem hatte er gute Kontakte zur Leitung des geheimen militärischen Apparats der Kommunistischen Partei und Stand in Verbindung mit der Kampftruppe Volante Rossa. Er war Mitglied der Kommunistischen Partei, konnte sich jedoch in einigen Punkten nicht mit ihr identifizieren und trat so schließlich 1957 aus der Partei aus. 1969 nahm er an einem Trainingslager in Jordanien Teil, an dem auch einige der späteren Mitglieder der RAF teilnahmen. Felltrinelli orientierte sich stark an der Politik und an den Ansichten Che Guevaras, mit dem er auch bekannt war. Für ihn war es nicht möglich, einem Staatsstreich mit Protesten zu begegnen, sondern nur mit der Organisation kleiner militärischer Gruppen und der Fluchtmöglichkeit in die Berge. Diesem sollten Partisanen-Kämpfe folgen, die nach und nach die Basis der Bevölkerung erfassen sollten. Felltrinelli wurde wegen falscher Zeugenaussagen der Prozess gemacht und so bereiste er unter falschem Namen Nord- und Mittelitalien und organisierte dort die Gruppi d´Arizione Partigiana (GAP). Diese organisierten unter anderem Brandanschläge auf die Verwaltungsgebäude von Industriefirmen, die als Vergeltung von Arbeitsunfällen gelten sollten. Felltrinelli versuchte auch die Roten Brigaden (die 1971 durch ihre ersten Anschläge auffielen) in die GAP zu integrieren, doch das Gegenteil war der Fall.

Die Roten Brigaden

In ihrer Anfangszeit bestand die BR aus 15 Mitgliedern, bis 1972 war die Gruppe ausschließlich in Mailand aktiv. Die zu Beginn wichtigsten Persönlichkeiten waren Renato Curcio und seine Frau Margherita Cagol. Ein Onkel Curcio war Pertisan gewesen und war zeitlebens Cursios Vorbild. Unter Curcios Einfluss wichen die Br von derbekamen die Roten Brigaden eine maoistische LinieDas Ziel des ersten Anschlags am 17. September 1970 war das Auto des SIT-Siemens Managers Giuseppe Leoni. Nach dem Tode Fellitrinis 1971 trat die Mehrheit der verbliebenen Mitglieder der GAP den Roten Brigaden bei. Von November 1970 bis März 1971 richteten sich die Aktionen BR fast ausschließlich gegen den Reifen-Hersteller Pirelli. In der Nacht zum 26. Januar 1971 setzten die BR auf der Pirelli-Teststrecke von Lainate drei LKWs in Brand. In der ersten Phase war es den Roten Brigaden wichtig durch populäre Aktionen möglichst viele Anhänger und Sympathisanten zu gewinnen, was anfangs auch gelang. Auf den ersten Anschlag folgten weitere Minianschläge gegen Manager oder Vorarbeiter, deren direkte Verantwortung für die „Unterdrückung“ in den Fabriken für jeden Arbeiter klar ersichtlich sein sollte. Die Angriffe richteten sich dabei zunächst ausschließlich gegen deren Eigentum, in der Regel gegen das Auto, und nicht gegen die Personen selbst. Damit unterschieden sich die Aktionen zunächst kaum von denen der Studenten und Arbeiter in den Jahren zuvor. Zur Geldbeschaffung wurden auch erste Banküberfälle ausgeführt. Die Texte, die die BR in diesen Monaten veröffentlichten, waren in einer betont gewalttätigen Sprache gehalten und propagierten das Prinzip einer fortwährenden Eskalation. Den BR stellte sich nun das Problem, dass zwischen ihren großspurigen Texten und ihren relativ harmlosen Aktionen eine große Diskrepanz bestand. Das war auch den Aktivisten klar, die sich deshalb nach einigen weiteren Minianschlägen dazu entschlossen, erstmals Gewalt auch gegen Personen anzuwenden. Eine erste Umsetzung fand dies durch die Entführung des Siemens-Managers Hidalgo Macchiarini am 3. März 1972. Nachdem Macchiarini symbolisch vor einem so genannten „Volksgericht“ verurteilt wurde, kam er nach etwa zwanzig Minuten wieder frei. Mit dieser Aktion gelang es der BR erstmal die nationale Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Dies ist als die erste rein politische Entführung in Italien zu werten. Zu dieser Zeit erhielten die BR große Sympathien aus der Bevölkerung, dies war zum einen der generell eher linksgerichteten Stimmung in Italien zu verdanken, zum anderen zeigten sie sich in „großzügigen“ Gesten im Tupamaros-Stil: So schichten sie beispielsweise Macchiarini seine bei der Entführung verloren gegangene Uhr zurück und setzten den entführten Sossi in Mailand aus, in seiner Tasche befand sich ein Zugticket zurück nach Genua. Zwar handelte es sich hierbei im Gegensatz zu den bis dato stattgefundenen Massenprotesten um Einzelaktionen, die die Ausführenden zu Kriminellen machten, dennoch kann man die anfänglichen Aktionen der Roten Brigaden als Begleiterscheinungen der Massenproteste werten. Doch dies zog etliche weitere kriminelle Aktionen, wie Banküberfälle zu Beschaffung von Geld etc. nach sich. Das Leben im Untergrund entwickelte so auch seine eigene Dynamik, die in der Folge die einzelnen Mitglieder der BR immer stärker voneinander abhängig machte und eine gegenseitige Kontrolle erwirkten. Bis ins Jahr 1972 lebten die Aktivisten der BR in Mailand jedoch relativ unbehelligt von der Polizei, dies änderte sich jedoch Anfang Mai 1972: Die Polizei veranstaltete mehrere Razzien in Wohnungen von BR-Aktivisten. Dabei wurden 30 Aktivisten verhaftet, darunter auch der frühere GAP-Aktivist (Gruppi di Azione Partigiana, dt. Partisanenaktionsgruppen, eine der Vorläufer Gruppen der BR). Pisetta sagte in großem Umfang gegen die BR aus. Von da an mussten die Aktivisten untertauchen, dies wirkte sich allerdings verstärkt auf die bis dato lose Struktur der BR aus. Die Mitglieder teilten sich auf in "regulari" und "irregulari": Die irregulari gingen ihrem regulären Alltag nach und waren lediglich Mitglieder der BR, während die regulari vollständig im Untergrund lebten und nur noch für die Organisation arbeiteten. Mit dieser strukturellen Wandlung ging auch eine Richtungsänderung der Roten Brigaden einher. Von nun an ging man von der "notwendigen taktischen Phase" über zur "strategischen Phase des bewaffneten Kampfes". So sahen sich die Mitglieder der BR zunehmend als Avantgarde der revolutionären Bewegung und nicht mehr, wie zu Beginn, als Teil dieser. Curcio und Cagol verließen Mailand zu Beginn der 1970er Jahre, um in Turin eine neue BR-Kolonne aufzubauen. In Mailand übernahmen damit Alberto Franceschini und Mario Moretti die Führung über die dortige Kolonne.

(Grundlage dieses Textes ist die Analyse "Italien: Die ambivalente Revolte" von Henner Hess, Literaturverweis s.u.)

Name und Symbol der Roten Brigaden

Mit ihrem Namen verweisen die Brigate Rosse direkt auf die Tradition der Partisanenbrigaden der Resistenza. Auch das Symbol, der asymmetrische, fünfzackige Stern, glich dem der Brigate Garibaldi und war darüber hinaus das Zeichen der uruguayischen Tupamaros.

Der "Angriff auf das Herz des Staates"

Die Eskalation der Gewalt

Im Jahre 1974 begannen die BR Schusswaffen für ihren Kampf zu benutzen. Am 17. Juni 1974 erschossen BR-Aktivisten zwei MSI-Mitglieder in Padua. Es handelte sich dabei allerdings nicht um einen gezielten Anschlag, sondern um eine eher zufällige Schießerei. Seit 1975 gingen die BR dazu über, Opfern auf offener Straße gezielte Schussverletzungen zuzufügen (zumeist Schüsse auf die Beine, gambizziari-Anschläge). Das neue Ziel lautet „Angriff auf das Herz des Staates“ und zwar durch die „Desorganisation der feindlichen Kräfte“. Der „Angriff auf das Herz des Staates“ gipfelte in der Entführung des ehemaligen Ministerpräsidenten Aldo Moros, bei der Entführung wurden Moros fünf Begleiter erschossen. Die BR nannten die Entführung und spätere Tötung Moros "Aktion Fritz", durch sie und die zunehmende Radikalisierung und Gewaltbereitschaft der BR, wurde die Gruppe immer weiter von der Gesellschaft isoliert. Seit 1972 hatten die BR bereits einige Menschen entführt. Dabei folgte die BR weiterhin dem Muster, den Opfern symbolisch den Prozess zu machen und sie danach wieder frei zu lassen. Zunächst lief die Entführung Aldo Moros auch ebenso ab. Nach 55 Tagen in der Gefangenschaft der BR wurde Aldo Moro jedoch nicht freigelassen, sondern erschossen. Während der 55 Tage verübten die BR weitere Anschläge und versuchten so, den Eindruck einer Großoffensive zu erzeugen. Die BR beabsichtigten, den Angriff auf das Herz des Staates zu intensivieren, um gezielt „die Zentren der imperialistischen Konterrevolution enttarnen und zerstören“ zu können. Unabdingbare Voraussetzung für diese Generaloffensive war es nach Ansicht der BR, „die revolutionäre Bewegung durch den Aufbau der kämpfenden kommunistischen Partei“ zu vereinigen.” Die Entführung Aldo Moros diente also dem doppelten Zweck, zum einen den Angriff auf den italienischen Staat zu intensivieren und damit, zum anderen, den eigenen Führungsanspruch innerhalb der diffusen linken Szene Italiens geltend zu machen. Moro verfasste in diesen Wochen zahlreiche Briefe an seine Familie und auch an einige Parteifreunde, die er wegen ihrer kompromisslosen Linie allerdings scharf kritisierte. Einzig der Sozialist Bettino Craxi setzte sich dafür ein, Verhandlungen mit den Entführern aufzunehmen. Doch blieben alle Vermittlungsversuche ohne Ergebnis und weder Craxi noch Moros Briefe konnten den Krisenstab von seiner harten Haltung abbringen. Die Hintergründe und Motive der Tat sind bis heute umstritten und bis heute im kollektiven Gedächtnis der italienischen Gesellschaft gespeichert wie kein anderer terroristischer Akt. Im Jahr 2006 hat die Staatsanwaltschaft wieder ein Verfahren zum Tode Moros eröffnet. Die Untersuchungskommission „Terrorismus und Massaker“ (1994–2000) des italienischen Senats kam zu dem Ergebnis: „Es gibt stichhaltige Indizien, dass auch die Geheimdienste bei der Entführung dabei waren.“ Diese Einschätzung deckt sich mit neueren Ermittlungsergebnissen der italienischen Justiz. In diesem Zusammenhang wurde die Vermutung geäußert, dass die Roten Brigaden instrumentalisiert worden sein könnten, und dass Moros Tod mit der sogenannten Strategie der Spannung in Verbindung Im Herbst 1974 bis hinein ins Jahr 1976 gelang es der Polizei, fast alle Gründungsmitglieder der BR zu verhaften, dies war das Ende des "historischen Kerns" der BR und zwang die Gruppe gleichzeitig zu einer Neuausrichtung ihrer Taktik, zudem mussten zwingend notwendig verstärkt neue Kämpfer rekrutiert werden. Durch den Rückzug in den Untergrund verloren die BR jedoch mehr und mehr die Kontakte zu ihren vorherigen Unterstützern. Durch das Anwerben neuer Mitglieder traten auch weniger politisch Interessierte den BR bei, deren Interessen eher in Abenteuern und Gewaltausübung lagen. So entwickelte sich die Ausrichtung der BR immer weiter weg von den einstigen politischen Zielen, vielmehr der Fokus zunehmend auf die Befreiung von Mitgliedern aus dem Gefängnis. So findet man in den Äußerungen und Schriften der BR weder eine Bezugnahme auf die großen Finanzskandale von 1980, noch auf das Versagen der Regierung nach dem Erdbeben in Süditalien. Viele der verhafteten Mitglieder der BR entschieden sich, die neu geschaffene Kronzeugenregelung in Anspruch zu nehmen und mit der Polizei zu kooperieren. Dies trug maßgeblich zum schnellen Niedergang der BR bei. Der bedeutendste Kronzeuge war Patrizio Peci. Als Gegeninitative entführte die neapolitanische BR-Kolonne dessen Bruder Roberto (10. Juni 1981), den sie dann am 3. August vor laufender Kamera erschossen. Roberto Peci war seit 1976 selbst BR-Mitglied gewesen und hat ebenfalls mit der Polizei zusammengearbeitet. Am 4. April 1981 wurde der langjährige BR-Chef Mario Moretti verhaftet. Moretti hatte die BR maßgeblich zusammen gehalten. Nach seiner Verhaftung kam es zu weiteren Zerstreuungen und einem Auseinandertriften innerhalb der BR. Bereits 1980 hatte sich die Kolonne Walter Alasia in Mailand vom Kurs der BR losgesagt, um zu den Wurzeln zurückzukehren. Im Oktober 1981 folgte die venezianische Kolonne diesem Vorbild und machte sich unter dem Namen Colonna 2 Agosto ebenfalls selbstständig. Im Dezember 1981 spalteten sich die BR dann auch auf nationaler Ebene. 1982 stand in der Phase des "strategischen Rückzugs" der BR. In der Regel wurde bis 1987 nur noch ein größerer Anschlag pro Jahr verübt. Auch kam es 1985/86 zu einer weiteren Spaltung, die zur Gründung der Unione dei Comunisti Combattenti (Union der kämpfenden Kommunisten) führte. Fast alle Aktivisten der UdCC wurden 1987 verhaftet, noch bevor die es zu größeren Aktionen kam. Nicht zuletzt wegen dieser Erfahrungen erklärte die Mehrheit der BR-PCC 1987 den bewaffneten Kampf für beendet, sie gilt aber bis heute als aktiv. Einige Militante setzten den bewaffneten Kampf fort und töteten am 16. April 1988 den christdemokratischen Senator Roberto Ruffilli.

Die Organisationsstruktur der BR

Charakteristisch für die Organisationsstruktur der BR ist die dezentrale Gliederung in lokale Basiszellen (genannt Kolonnen, colonne) in einzelnen Städten. Diese colonne wiederum gliederten sich in einzelne Brigaden (brigate) auf. Eine brigata setzte sich aus etwa fünf Mitgliedern (genannt Zelle, ital. cellula) zusammen, die in den einzelnen Fabriken oder Arbeitervierteln aktiv waren. Colonne existierten seit 1970 in Mailand, seit 1972 in Turin und seit 1974 dann auch in Genua, Florenz, Venedig und vor allem Rom. Diese Expansion des Jahres 1974 machte zugleich eine Neuausrichtung und Zentralisierung der strategischen Leitung notwendig. Als oberste Entscheidungsinstanz innerhalb der Gruppe wurde deshalb eine Strategische Direktion (direzione strategica) gebildet. Der direzione strategica wurde ein Exekutivkomitee untergeordnet (Comitato esecutivo), das die Aktivitäten der colonne und der neu gebildeten Fronten (fronti) koordinieren sollte. Diese fronti dienten vornehmlich der politischen Debatte. Sie sollten dem Comitato esecutivo außerdem Vorschläge für neue Kampagnen unterbreiten und vorhandene Strukturen in den Fabriken und Arbeitervierteln ausbauen. Durch interne Streitigkeiten konnte jedoch weder die vertikale noch die horizontale Struktur beibehalten werden. Da mehr und mehr Mitglieder verhaftet worden waren, war nunmehr im Jahre 1974 die höchste Priorität neue Mitglieder anzuwerben. Die kamen 1977 vor allem wegen der militanten Bewegung moviemento del´77. Die neuen Mitglieder, vornehmlich Jugendliche, formten auch das neue Bild der BR. Dies schlug sich in immer gewalttätigeren Aktionen nieder. Die Opfer ihrer Anschläge wurden danach ausgesucht, welche symbolische Funktion sie im Staat ausübten. Das Ziel der BR war es, dadurch das öffentliche Leben Italiens in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Medien zum stocken zu bringen.

Niedergang der Roten Brigaden

Viele der Verhafteten entschieden sich, die neu geschaffene Kronzeugenregelung in Anspruch zu nehmen und mit der Polizei zu kollaborieren. Dies trug maßgeblich zum schnellen Niedergang der BR bei. Der bedeutendste Kronzeuge war Patrizio Peci. Als Gegeninitative entführte die neapolitanische BR-Kolonne dessen Bruder Roberto (10. Juni 1981), den sie dann am 3. August vor laufender Kamera erschossen. Roberto Peci war seit 1976 selbst BR-Mitglied gewesen und hat ebenfalls mit der Polizei zusammengearbeitet. Wie bereits oben erwähnt sollten die Aktionen der BR ab 1979 mit dem Hintergrund der zunehmenden inneren Zersplitterund der Gruppe gesehen werden. Die ab da ausgesprochen gewalttätigen Aktionen sollten dazu dienen, die Gruppe zusammenzuhalten, de facto gelang dies jedoch immer weniger.

Am 4. April 1981 wurde der langjährige BR-Chef Mario Moretti verhaftet. Moretti hatte die BR maßgeblich zusammen gehalten. Nach seiner Verhaftung kam es zu weiteren Zerstreuungen und einem Auseinandertriften innerhalb der BR. Bereits 1980 hatte sich die Kolonne Walter Alasia in Mailand vom Kurs der BR losgesagt, um zu den operaistischen Wurzeln zurückzukehren. Im Oktober 1981 folgte die venezianische Kolonne diesem Vorbild und machte sich unter dem Namen Colonna 2 Agosto ebenfalls selbstständig. Im Dezember 1981 spalteten sich die BR dann auch auf nationaler Ebene. 1982 stand in der Phase des "strategischen Rückzugs" der BR. In der Regel wurde bis 1987 nur noch ein größerer Anschlag pro Jahr verübt. Auch kam es 1985/86 zu einer weiteren Spaltung, die zur Gründung der Unione dei Comunisti Combattenti (Union der kämpfenden Kommunisten) führte. Fast alle Aktivisten der UdCC wurden 1987 verhaftet, noch bevor die es zu größeren Aktionen kam. Nicht zuletzt wegen dieser Erfahrungen erklärte die Mehrheit der BR-PCC 1987 den bewaffneten Kampf für beendet, gilt aber bis heute als aktiv. Einige Militante setzten den bewaffneten Kampf fort und töteten am 16. April 1988 den christdemokratischen Senator Roberto Ruffilli.

Die neuen Roten Brigaden

1999 tauchte eine neue Gruppe auf, die ebenfalls unter dem Namen Rote Brigaden operiert. Die Gruppe wird für die Tötung von Massimo D'Antona (1999), Marco Biagi (2002) und Emanuele Petri (2003) verantwortlich gemacht. 2007 wurden 15 Mitglieder einer neuen Roten Brigade verhaftet, die Polizei fand bei ihren Ermittlungen ein Waffenlager. Angeblich planten die neuen Roten Brigaden einen "langfristigen revolutionären Krieg". Auch ein Anschlag auf das Mailänder Haus des damaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi sei geplant gewesen. Auch hatten die neune BR versucht, die Gewerkschaft CGIL zu unterwandern.

Weblinks

Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Rote_Brigaden

Arte-Dokumentation "Sie waren die Terroristen der Roten Brigaden": http://vimeo.com/30364601;

Artikel des Tagesspiegels: http://www.tagesspiegel.de/politik/international/italien-rote-brigaden-planten-anschlag-auf-silvio-berlusconi/810968.html

Literatur

  • Hess, Henner (1988): Italien: Die Ambivalente Revolte. In: Angriff auf das Herz des Staates. Soziale Entwicklung und Terrorismus. Analysen von Henner Hess, Martin Moerings, Dieter Paas, Sebastian Scheerer und Heinz Steinert, Band 2, Frankfurt am Main: Suhrkamp.
  • Hof, Tobias (2011): Staat und Terrorismus in Italien 1969 - 1982. München: Oldenbourg Verlag.
  • Rossi, Marissa Elena (1993): Untergrund und Revolution. Der ungelöste Widerspruch für Brigate Rosse und Rote Armee Fraktion. Strategische Studien, Band 2. Zürich: Verlag der Fachvereine.