Rote Armee Fraktion (RAF)

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"Die Rote Armee Fraktion (RAF) war die gefährlichste terroristische Vereinigung im Deutschland der Nachkriegszeit. Sie trat 1970 an mit dem Ziel, Staat und Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland durch Morde und andere Gewalttaten im sozialistischen Sinne zu verändern. Ihre Mitglieder waren in dem von ihnen erklärten Krieg gegen unseren Staat und unsere Gesellschaft zu allem entschlossen; sie arbeiteten mit großer krimineller Energie und mit gewissenloser Brutalität" (Pflieger 2011: 7)
Zu den Führungspersönlichkeiten der RAF gehörten u.a. die Terroristen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof (vgl. Peters 2004: 32)

Das Logo der RAF: Ein Roter Stern und eine Maschinenpistole Heckler & Koch MP5

Die Entstehung der RAF und ihre erste Generation

Die Studentenbewegung

Der Studentenbewegung der 1960er Jahre wird eine zentrale Bedeutung bei der Entstehung der RAF beigemessen. In der von Ulrike Meinhof im Jahre 1971 veröffentlichten Schrift "Stadtguerilla" bezeichnet die RAF die Geschichte der Studentenbewegung ausdrücklich als ihre Vorgeschichte (vgl. Peters 2007: 81).
Im Zentrum der Kritik der Studenten standen vor allem zwei Themen: Zum einen die unaufgearbeitete nationalsozialistische Vergangenheit der Bundesrepublik Deutschland, deren Verbrechen von der Generation ihrer Eltern verschwiegen wurden und deren frühere Spitzenfunktionäre mittlerweile wieder Führungs- und Spitzenfunktionen in Ministerien und der Justiz bekleideten; zum anderen der militärische Einsatz der USA im Vietnamkrieg. Insbesondere die Flächenbombardements von ganzen Landstrichen und der Einsatz von Napalm entfachte heftigen Protest; ausgehend von den Erfahrungen der nationalsozialistischen Vergangenheit, sollte nicht ein zweites Mal tatenlos bei Massentötungen zugesehen werden.
Als Schlüsselerlebnis der Studentenbewegung wird der Tod des Studenten Benno Ohnesorg gesehen, der am 02.Juni 1976 am Rande der Demonstration gegen den Schah von Persien durch den Polizeibeamten Karl - Heinz Kurras erschossen wurde. Der hierauf folgende Prozess, in welchem Kurras freigesprochen wurde, trug ebenso zu einer Radikalisierung der Studentenbewegung bei, wie das Attentat auf den Führer des Sozialistischen Stundentenbundes, Rudi Dutschke, am 11.April 1968 durch den Rechtsextremisten Josef Bachmann, das als "erneuter manifester Gewaltausbruch des Systems" (Peters 2007: 96) angesehen wurde.

Die gewaltsame Befreiung von Andreas Baader und die Entstehung der RAF

Der Beginn der RAF wird auf die gewaltsame Befreiung Andreas Baaders während eines vorgetäuschten Bibliotheksbesuches am 14.Mai 1970 zurückgeführt. Baader verbüßte in der JVA Tegel (Berlin) den Widerruf einer dreijährigen Freiheitsstrafe wegen seiner Beteiligung an Brandstiftungen in zwei Frankfurter Kaufhäusern.
Unter dem Vorwand Ulrike Meinhofs, sie arbeite zusammen mit Andreas Baader an einem Buchprojekt, wurde dieser am o.g. Datum in das Berliner Zentralinstitut für Sozialfragen ausgeführt, wo er dann befreit wurde. Zu dem Befreiungskommando gehörten u.a. Gudrun Ensslin und Ingrid Schubert, die neben Astrid Proll, Horst Mahler, Jan - Carl Raspe, Holger Meins und Brigitte Mohnhaupt später der ersten Generation der RAF angehörten, die im Juni 1970 bereits aus 20 Personen bestand (vgl. Pflieger 2011: 23).

Die Ziele der RAF

Die RAF verstand sich als politische - militärische Organisation, die in der Bundesrepublik Deutschland und in West - Berlin eine Metropole des Imperialismus, den sie für den Todfeind der Menschheit hielt, ansah. Mit ihrem Kampf wollte die RAF die Befreiungskriege der Völker der dritten Welt - insbesondere des vietnamesischen Volkes und der Bevölkerung Südamerikas - unterstützen. Wegen der Schwäche der revulotionären Kräfte in Deutschland sollte durch bewaffnete, gewaltsame Aktionen Fanale gesetzt werden, um den potentiellen revulotionären Teil in der Bevölkerung zu weiteren revulotionären Aktionen und letztlich zum Beginn des Volkskrieges zu veranlassen (vgl. Pflieger 2011: 24).

Das Konzept der "Stadguerilla"

Mit der im April 1976 veröffentlichten 16 - seitigen Schrift "Stadtguerilla" stellte die RAF ihre Ziele und Positionen auch schriftlich dar; erstmalig wird hier auch der Begriff "Rote Armee Fraktion" gebraucht, sowie das Zeichen der RAF (siehe oben), ein fünfzackiger Stern mit dem Schriftzug "RAF" sowie eine Maschinenpistole der Marke Heckler & Koch dargestellt. In dem Konzept "Stadguerilla" heißt es u.a.: "Stadguerilla ist bewaffneter Kampf, insofern es die Polizei ist, die rücksichtslos von der Schusswaffe Gebrauch macht, und die Klassenjustiz, die Kurras freispricht und die Genossen lebendig begräbt, werden wir sie nicht daran hindern. Stadtguerilla heißt, sich von der Gewalt des Systems nicht demoralisieren zu lassen. Stadtguerilla zielt darauf, den staatlichen Herrschaftsapparat an einzelnen Punkten zu destruieren, stellenweise außer Kraft zu setzen, den Mythos von der Allgegenwart des Systems und seiner Unverletzbarkeit zu zerstören ... Stadtguerilla machen heißt, trotz der Schwäche der revulotionären Kräfte in der Bundesrepublik und Westberlin hier und jetzt zu intervenieren ... DEN BEWAFFNETEN KAMPF UNTERSTÜTZEN! SIEG IM VOLKSKRIEG!" (Pflieger 2011: 26/27).

Die Anschlagsoffensive im Mai 1972

Um ihre Ziele und Ideologien durchzusetzen, verübte die RAF in der Zeit vom 11. bis zum 24. Mai 1972 insgesamt sechs Sprengstoffanschläge auf Angriffsziele, die dem Feindbild der RAF entsprachen: Neben Einrichtungen der Strafverfolgungssysteme (Polizei und Justiz) wurden Anschläge auf amerikanische Militäreinrichtungen (dem imperalistischen Klassenfeind), sowie dem Springerkonzern durchgeführt, der für die (angeblich) amerikafreundliche Medienpolitik in Deutschland verantwortlich gemacht wurde. Insgesamt kommen bei den Anschlägen auf das Hauptquartier der US - Streitkräfte in Frankfurt am Main (11.Mai 1972), die Polizeidirektion Augsburg und das Landeskriminalamt in München (12.Mai 1972), dem Bundesrichter Wolfgang Buddenbert (15.Mai 1972), das Verlagshaus des Springerkonzerns in Hamburg (19.Mai 1972) vier Menschen zu Tode, 74 Personen werden zum Teil schwer verletzt (vgl. Winkler 2007: 203 - 207).
Aufgrund der in der Folge dieser Anschlagsserie äußerst intensiv betriebenen Fahndungsmaßnahmen gegen die Mitglieder der RAF, wurden im Juni 1972 nach und nach deren führende Mitglieder (u.a. Baader, Ensslin und Meinhof) verhaftet.

Die zweite Generation der RAF

Nach der Verhaftung der Führungsriege der ersten Generation der RAF bestand das oberste Ziel der zweiten Generation der RAF darin, deren inhaftierte Mitglieder aus dem Gefängnis freizupressen. Die inhaftierten Terroristen betrachteten sich als gefangener Teil der Guerillaorganisation der RAF und waren fest entschlossen, den bewaffneten Kampf aus der Haft heraus zu mobilisieren, um entweder durch eine gewaltsame Befreiung oder einer erzwungenen Freilassung den Kampf gegen die Bundesrepublik Deutschland und ihre freiheitlich demokratische Grundordnung weiterführen zu können (vgl. Pflieger 2011: 47).

Das neue Ziel: Freipressung der Häftlinge

Inspiriert durch die Entführung des Berliner CDU - Vorsitzenden Peter Lorenz durch die "Bewegung 2.Juni" am 27.Februar 1975 und der hieraus folgenden Entlassung von fünf Terroristen der RAF aus dem Gefängnis, entschloss man sich in Reihen der zweiten Generation der RAF dazu, durch gezielte Entführungen Persönlichkeiten der bundesdeutschen Wirtschaft und Politik insbesondere die Führungspersönlichkeiten der ersten Generation der RAF (Baader, Ensslin, Meinhof) freizupressen.
So wurde am 24.April 1975 durch das Kommando "Holger Meins" die deutsche Botschaft in Stockholm besetzt. Das Ziel der Besetzer, die Freilassung der inhaftierten RAF - Mitglieder zu erreichen, gelang schließlich nicht, weil durch Unachtsamkeit eines der Botschaftsbesetzer die zur Untermauerung der Forderungen im Botschaftsgebäude angebrachten Sprengladungen vorzeitig detonierten und das Botschaftsgebäude in Brand setzten. Zwei der fünf an der Besetzung beteiligten Terroristen wurden getötet, die anderen von der schwedischen Polizei festgenommen und an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert.

Die Offensive 77

Nachdem die Freipressung der inhaftierten Terroristen durch die Botschaftsbesetzung misslungen war, formierte sich zunächst unter Führung des ehemaligen Anwalts von Andreas Baader, Siegfried Haag, eine neue Gruppe von Terroristen, die weiterhin das Ziel der Freipressung von inhaftierten Terroristen verfolgte. Nachdem Haag am 30.November 1976 verhaftet wurde, übernahm die gerade aus der Haft entlassene Brigitte Mohnhaupt die weiteren Planungen zur Freipressung der Gefangenen. Mit der "Offensive 77" sollte durch aufeinanderfolgende Angriffe eine Aktionseinheit entstehen, die die Bundesrepublik Deutschland weichklopfen sollte, um so den Nährboden für die Befreiung inhaftierter Terroristen zu bereiten; die Befreiung selbst sollte durch eine Geiselnahme erfolgen (vgl. Peters: 378).
Entsprechend dieser Pläne wurde am 07.April 1977 der Generalbundesanwalt Siegfried Buback auf offener Straße erschossen. Die Entführung des damaligen Vorstandssprechers der Dresdner Bank, Jürgen Ponto, aus dessen Wohnhaus misslang; Ponto wurde am 30.Juli 1977 in seinem Wohnzimmer erschossen, nachdem er sich gegen seine Entführer zur Wehr setzte.

Der deutsche Herbst und die Entführung der Lufthansa - Maschine "Landshut"

Nach dem gescheiterten Versuch der Entführung von Jürgen Ponto, entschloss man sich - um weiterhin die Freilassung der gefangenen Terroristen zu erreichen - dazu, den damaligen Arbeitgeberpräsident Hanns - Martin Schleyer zu entführen. Schleyers Entführung durch die RAF am 05.September 1977 beschäftigte die Bundesrepublik Deutschland über mehrere Wochen hinweg und ging als "der Deutsche Herbst" (Pflieger 2011: 105) in die Geschichte ein.
Nachdem die Bundesrepublik Deutschland unter ihrem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt nicht auf die Forderungen der Schleyer - Entführer einging, wurde am 13.Oktober 1977 die Lufthansa - Maschine "Landshut" mit 86 Passagieren an Bord durch eine palästinensische Terrorgruppe entführt. Durch diese Entführung sollte den Forderungen der Schleyer - Entführer Nachdruck verliehen werden. Allerdings wurde die Lufthansa - Maschine am 18.Oktober 1977 durch die deutsche Anti - Terror - Einheit "GSG 9" auf dem Flughafen von Mogadischu (Somalia)erstürmt; hierbei wurden alle Passagiere unverletzt befreit, drei der vier palästinensischen Geiselnehmer wurden erschossen.

Die Todesnacht von Stammheim und die Ermordung Hanns Martin - Schleyers

Nachdem im Rundfunk die Nachricht von der Befreiung der Landshut berichtet wurde, nahmen sich in der JVA Stammheim die Terroristen Andreas Baader, Jan - Carl Raspe und Gudrun Ensslin das Leben und wurden am Morgen des 19.Oktober 1977 tot in ihren Zellen aufgefunden; Ulrike Meinhof hatte bereits am 09.Mai 1976 in ihrer Stammheimer Zelle Selbstmord begangen, nachdem sie sich mit den anderen inhaftierten Mitgliedern der RAF überworfen hatte und innerhalb der Gruppe immer mehr vereinsamte (vgl. Peters 2007: 347).
Nachdem die Schleyer - Entführer erkannt hatten, dass die Freipressung der inhaftierten Terroristen gescheitert war, entschlossen sie sich dazu, Hanns - Martin Schleyer zu töten. Seine Leiche wurde am 19.Oktober 1977 in einem Kofferaum eines Audis im französischen Mühlhausen gefunden. In einer Erklärung der RAF an die deutsche Presseagentur heißt es zur Tötung Schleyers wie folgt: "Wir haben nach 43 Tagen Hanns - Martin Schleyers klägliche und korrupte Existenz beendet. Herr Schmidt, der in seinem Machtkalkül von Anfang an mit Schleyers Tod spekulierte, kann ihn ... in Mühlhausen in einem grünen Audi 100 ... abholen. Für unseren Schmerz und unsere Wut über das Massaker von Mogadischu und Stammheim ist sein Tod bedeutungslos" (Sontheimer 2011: 135).

Die dritte Generation der RAF

Nach dem Selbstmord der Führungsriege der RAF ging man davon aus, dass das "Kapitel RAF" beendet sei; jedoch bedeuteten die Selbsttötungen von Baader, Ensslin u.a. nur das Ende der zweiten Generation der RAF.
Es wurde jedoch nie eindeutig geklärt, welche Terroristen der dritten Generation der RAF zuzuordnen waren, da es bis zur Auflösungserklärung der RAF im Jahre 1998 lediglich zwei Verurteilungen (lebenslängliche Freiheitsstrafen) gegen Eva Haule und Birgit Hogefeld gab. Auch verübten die "Enkel von Baader und Meinhof" (Peters 2007: 595) verschiedene Anschläge und ermordeten zehn Menschen, von denen der Tod des GSG9 Beamten Michael Newrzella als einziger aufgeklärt gilt. Alle anderen Aktionen der RAF, wie etwa der Mord an den US - Soldaten Edward Pimentall (7.August 1985), dem Vorstandsmitglied der Siemens AG Karl - Heinz Beckurts am 09.Juli 1986, dem Ministerialdirektor im Auswärtigen Amt, Gerold von Braunmühl am 10.Oktober 1986, sowie der Mord an dem Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, am 30.November 1989, sind hinsichtlich der Tatbeteiligten und ausführenden Terroristen bis zum heutigen Zeitpunkt unaufgeklärt geblieben.
Dieses mag daran liegen, dass die dritte Generation der RAF kriminalistisch nahezu perfekt arbeitete und kaum Spuren an den Tatorten und Fluchtwagen hinterließ (vgl. Peters 2007: 595).

Die Auflösungserklärung der RAF

Am 20.April 1998 erhielt die Nachrichtenagentur Reuters Post von der RAF. In einem achtseitigen Schreiben hieß es zur Auflösung der RAF wie folgt: "Vor fast 28 Jahren, am 14. Mai 1970 entstand in einer Befreiungsaktion de RAF. Heute beenden wir dieses Projekt. Die Stadtguerilla in Form der RAF ist nun Geschichte. ... Wir stehen zu unserer Geschichte. Die RAF war der revulotionäre Versuch einer Minderheit - entgegen der Tendenzen dieser Gesellschaft - zur Umwälzung der kapitalistischen Verhältnisse beizutragen. Wir sind froh, Teil dieses Versuchs gewesen zu sein. ... Das Ende dieses Projekts zeigt, das wir auf diesem Weg nicht durchkommen konnten." (Pflieger 2011: 293) Nach einem Dank an alle diejenigen, welche überall auf der Welt im Kampf gegen Herrschaft und für Befreiung gestorben sind, werden abschließend alle verstorbenen Terroristen der RAF aufgelistet (vgl. Pflieger 2011: 293); die Opfer der RAF finden keine Erwähnung.

Ein Fazit

Die RAF hat in den ca. 28 Jahren ihrer Aktivität 67 Todesopfer, 230 Verletzte und einen Sachschaden von 250 Millionen Euro hinterlassen (vgl. Winkler 2008: 440). Sie hat allerdings ihr Ziel, das politische System der Bundesrepublik Deutschland durch Terrorakte zu stürzen oder ins Wanken zu bringen auch nicht annähernd erreicht. Obgleich die Bundesrepublik Deutschland zwar mit Gesetzesänderungen auf die Aktivitäten der RAF reagiert hat, hat sie sich aber nie auf den von der RAF erklärten Krieg eingelassen und die Aktivitäten und Aktionen der RAF letzlich auf das reduziert, was sie strafrechtlich darstellen: Verbrechen (vgl. Pflieger 2011: 313).

Literatur

  • Aust, Stefan (2008): Der Baader Meinhof Komplex, Hamburg
  • Peters, Butz (2007): Tödlicher Irrtum: Die Geschichte der RAF, Frankfurt am Main
  • Pflieger, Klaus (2011): Die Rote Armee Fraktion - RAF - 14.5.1970 bis 20.4.1998, Baden-Baden
  • Sontheimer, Michael (2011): Natürlich kann geschossen werden - eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion, München
  • von Braunmühl, Carlchristian; Hogefeld Birgit; Jan, Hubertus (2001): Versuche die Geschichte der RAF zu verstehen. Das Beispiel Birgit Hogefeld, Gießen
  • Winkler, Willi (2008): Die Geschichte der RAF, Berlin

Weblinks