Risikobewusstsein

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Risikobewusstsein Das Risikobewusstsein beschreibt einen speziellen Aspekt des großen Oberthemas Risiko. Es ist die Bereitschaft, sich in eigener Verantwortung mit möglichen negativen Konsequenzen des eigenen Handelns auseinanderzusetzen.


Etymologie und Definitionen

Zum Verständnis der Bedeutung des Begriffs „Risikobewusstsein“ ist es nötig, sich zunächst Herkunft und Definition sowohl von „Risiko“ als auch von „Bewusstsein“ zu vergegenwärtigen.

Risiko

Der Begriff Risiko stammt aus dem 16. Jahrhundert und wurde mit „Wagnis, Gefahr“ insbesondere im kaufmännischen Bereich, gleichgesetzt, wobei die weitere Etymologie unsicher ist. Bonss (2011:49) verweist auf Quellen, die den Begriff des Risikos auf das 12./13. Jahrhundert im Zusammenhang mit dem Seehandel zurückdatieren. Darüber hinaus führt er jedoch an, dass der Risikobegriff sich erst im Verständnis der „modernen“ Welt weiterentwickeln konnte. Erst durch die neue wissenschaftliche Denkweise verdrängte der Begriff des Risikos die alten Denkschemata, was zu einer funktional-kausalen Betrachtungsweise des Risikos führte (Wiedemann, 1993:55). Insbesondere das Wahrscheinlichkeitsdenken war grundlegend in der Wende zu einem mathematisierten Risikobegriff. Ab Mitte der 1970er Jahre wandelte sich die Betrachtungsweise des Risikos. Das Risiko war nun nicht weiter ein Zeichen der Unsicherheit während einer Handlung, sondern Risiken signalisierten das zunehmende Misstrauen in eine technisch-wissenschaftliche Ausgestaltung der Natur die große Risiken hervorrief, beispielsweise im Zusammenhang mit der Atomtechnologie (ebd. 1993:55ff.).

Im wissenschaftlichen Diskurs wird der Begriff, je nach Disziplin, oft ohne spezifische Definition verwendet. Luhmann(1991:14) spricht hier davon, dass der “…jeweils eigene Theoriekontext [offenbar ausreiche] um genug Führung zu geben.“ Daher sei jedoch nie vollkommen bekannt, worüber eigentlich gesprochen werde.

Kleinwellfonder (1996:29) definiert Risiko folgendermaßen:

„Risiken sind im Entscheidungsprozeß vergegenwärtigte (und zu vergegenwärtigende) Schadensmöglichkeiten und als solche immer Zeugen der Unsicherheit und Quelle der Beunruhigung, in deren Vergegenwärtigung aber die Chance gesehen wird, mögliche Schäden nicht zu faktischen Schäden werden zu lassen, so daß sie zugleich Prämisse und Garant von Sicherheit sind“.

Diese Definition geht auch von einem dem Risiko innewohnenden positiven Aspekt aus, nämlich in der Vorausnahme der Bewältigung der kommenden Schwierigkeiten. Kleinwellfonder definiert Risiko als Paradoxon, weil es gleichzeitig Chancen und Schäden in sich vereint (ebd.1996:8). Bonss (2011:50) Definition beinhaltet ebenfalls den nicht nur negativ belegten Risikobegriff der Seefahrer bzw. –händler, die Risiken als zu- und berechenbare Wagnisse ansahen, die folglich mit Kalkulation überwindbar waren und bei erfolgreicher Unternehmung einen positiven Effekt hatten.

In anderen Definitionen wird die dem Risiko innewohnende Chance ausgeblendet in der Reduktion auf den möglichen Schaden. So bezieht sich die Definition von Kates und Kasperson (1983:7029) nicht nur auf den messtheoretischen Aspekt von Risiko, sondern schließt einen positiven Aspekt vollkommen aus: „A hazard, in our parlance, is a threat to people and to what they value (property, environment, future generations, etc.) and risk is a measure of hazard”. Das Risiko ist hier nur das Maß eines negativen Ereignisses, also das Maß der Gefahr.

Der inflationäre Gebrauch vom Begriff des Risikos führt dazu, dass die verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen den Begriff mit eigener Definition belegen. Die Aussage von Holzheu und Wiedemann (1993:9ff.) „Risiko ist ein Konstrukt. [Es] ist (auch) ein Beobachtungskonzept, nicht nur ein Beobachtungsgegenstand.“ zielt genau auf diese Tatsache ab. Je nach Beobachtungskonzept ist die Sicht auf den Begriff in einer bestimmten Art, soziologisch, ökonomisch, philosophisch usw., eingefärbt. So wird zwar auf den gleichen Gegenstand geblickt, jede Disziplin sieht jedoch etwas anderes.

Es ist nötig, die Begriffe „Risiko“ und „Gefahr“ deutlich voneinander abzugrenzen. Bonss (2011:50) definiert das kurz und bündig: „Gefahren sind subjekt- und situationsunabhängig, Risiken setzten demgegenüber stets die subjektbezogene Entscheidung für eine Unsicherheit voraus.“ Somit ergibt sich die Abgrenzung aus der Unterscheidung, ob der Schaden in direktem Zusammenhang mit der Entscheidung für oder gegen etwas erfolgt ist, oder ob der Schaden als externes Ereignis, ohne Zusammenhang mit der Entscheidung, eintritt (Vgl. Luhmann, 1991:31).

Bewusstsein

Der Terminus „Bewusstsein“ bezieht sich unter anderem auf die Geistes-Inhalte eines Menschen welche die Wahrnehmung seiner Innen- und Außenwelt beeinflussen. Die Etymologie des Wortes „Bewusstsein“ lässt sich bis ins 16. Jhd. zurückverfolgen. Es wird mit dem deutlichen Wissen von etwas und dem „Zustand geistiger Klarheit“ definiert. Zudem erklärt der Duden (1989) die besondere Nähe zur Psychologie (und im 18 Jhd. auch zur Philosophie), indem er Bewusstsein mit der „Gesamtheit der psychischen Vorgänge, durch die sich der Mensch der Außenwelt und seiner selbst bewusst wird“ beschreibt. Das Bewusstsein wird auf drei Ebenen definiert. Auf der untersten Ebene erkennt der Mensch die Innere und die Äußere Welt, ihm ist bewusst, dass er Informationen von außen aufnimmt und auf diese reagiert. Auf der mittleren Ebene reflektiert er diese Erkenntnisse und es ist ihm möglich, diese gedanklich zu verändern.

Auf der höchsten Ebene ist der Mensch sich seiner selbst bewusst und aus diesem Wissen um persönlich Erlebtes entsteht seine eigene Identität (Zimbardo/Gerrig, 2004:205). Das Bewusstsein erfüllt zudem eine wichtige Funktion für den Menschen: es hilft ihm, nicht von den gesamten Reizen seiner Umgebung überflutet zu werden. Es reduziert also den Fluss der Reize und lässt den Menschen nur das aufnehmen, was in dem Moment für ihn wichtig ist. Außerdem „filtert“ das Bewusstsein die Aufnahme von Reizen und speichert nur diejenigen, die später analysiert und interpretiert werden sollen. Zimbardo und Gerrig führen weiter aus, dass keine zwei Menschen die gleiche Art und Weise der Verarbeitung von Reizen aus ihrer Umwelt haben können, weil jeder Mensch eine „ganz persönliche Konstruktion der Realität“ habe, somit jede Situation in ureigenster Art und Weise interpretiert werde. Diese Interpretation beruht einerseits auf den in seiner Vergangenheit gemachten Erfahrungen und andererseits aus den momentanen Bedürfnissen, Werten und Zielen (ebd. 2004:210). Das heißt, dass jeder Mensch im Moment des Handelns seine ganz eigene Wirklichkeit konstruiert, in Verknüpfung dessen, was ihm begegnet und dem zuvor Erlebten.

Risikobewusstsein

Im Glossar des RiskNET wird Risikobewusstsein als „Ausmaß, in dem Personen, die sich in einer Gefahrensituation befinden, um das Gefahrenpotential wissen; ferner, inwieweit Personen, die willentlich riskant handeln, sich des Umfangs ihres Risikos bewusst sind“ definiert. Diese Definition zielt im speziellen auf die konkrete Situation ab. Zudem ist Risikobewusstsein jedoch auch schon im Vorfeld, während des Entscheidungsprozesses vorhanden. Nämlich in dem Bewusstsein, dass es in der antizipierten Situation zu negativen Folgen kommen könnte. So kann Risikobewusstsein zu einer bestimmten Handlung führen oder zu ihrer Vermeidung.

Auch hier ist die Grenze zwischen Risiko und Gefahr von Bedeutung. Das Risikobewusstsein bezieht sich auf die Wahrnehmung eines bestimmten, der Entscheidung innewohnenden Risikos. Demgegenüber stellt die Gefahr den von außen auf die Handlung einwirkenden Schaden dar. Indem eine Person diese im Vorfeld wahrnimmt, entwickelt es somit ein "Gefahrenbewusstsein" (Vgl. Luhmann, 1991:31).

Hier führt Gerhold (2012:343) an, dass der Mensch auch in der Lage sein muss, das Risiko wahr zu nehmen. Das bedeutet, er muss erkennen und abschätzen können, dass er sich in einer riskanten Lage befindet oder die antizipierte Situation riskant sein könnte. Welche Reize in einer Situation wahrgenommen und später bewusst werden, unterliegt jedoch, wie oben ausgeführt, höchst individuellen psychischen Kriterien. Das bedeutet, dass somit jeder Mensch eine ganz eigene Art des Risikobewusstseins hat, durch die individuelle Wahrnehmung von sich selbst und seiner Umwelt.

Einflussfaktoren auf das Risikobewusstsein

Die westliche Gesellschaft war noch nie so sicher und das Risiko noch nie so klein wie heute. Die „alten“ Risiken, die Gefahren für Leib und Leben darstellten, wie z.B. Infektionen oder Hungertod, sind vermindert worden, wohingegen die „neuen“ Risiken, unter anderem verursacht durch den technischen Fortschritt, zugenommen haben. In der modernen Welt ist das Risikobewusstsein diametral zu dieser Entwicklung gestiegen, denn die Sensibilisierung für neue Risiken hat ebenso das Bedürfnis nach Sicherheit verstärkt. Ein Grund dafür könnte die Verbreitung von Nachrichten durch die Massenmedien sein, die zur Wahrnehmung und oft auch Verzerrung von Risiken beitragen. Die Bedeutung einzelner Risiken gewinnt so an Gewicht und gestaltet das Risikobewusstsein mit (Vgl. Fritzsche, 1986:124ff). Es gibt eine Vielzahl an Einflussfaktoren, die auf das Risikobewusstsein einwirken. Diese sind miteinander verwoben und bestimmen das subjektive Empfinden und Verhalten des Menschen. So ist es z.B. wichtig, eine Gefahr zu kennen, um deren Risiko abschätzen zu können. Ebenso ist die Freiwilligkeit zur Risikobereitschaft von großer Bedeutung und beeinflusst das Risikobewusstsein. So macht es einen großen Unterschied, ob das Risiko freiwillig oder unfreiwillig eingegangen wurde. Auch die Schwere der Folgen und ihre zeitliche Verzögerung sind von Relevanz. Tritt die Folge sofort ein, wird das Risiko höher eingestuft, als wenn die Folge später und möglicherweise auch gar nicht eintritt. Außerdem wird das Risikobewusstsein durch die Art der Beziehung zu einem Menschen, welchen das Risiko betrifft, beeinflusst. Die vom Familienmitglied ausgeübte Extremsportart wird als ein höheres Risiko bewertet, als das von anonymen Personen. Ist das Risiko berufsbedingt, so wird davon ausgegangen, dass die Kosten-Nutzen-Rechnung des Betroffenen dazu beiträgt, der Gesellschaft zu dienen(Vgl. zum letzten Abschnitt Fritzsche, 1986 Kapitel 4.2)

Auf drei Charakteristiken zusammengefasst ist es also

  • Das Ausmaß, in welchem das Risiko ein Gefühl der Furcht vermittelt.
  • Das Ausmaß der Vertrautheit mit möglichen Risiken, also inwieweit ein Risiko Teil des Alltags, somit bekannt ist und
  • Das Schadensausmaß oder anders gesagt die Anzahl der exponierten Personen, denen das Risiko Schaden zufügen könnte

die das Risikobewusstsein maßgeblich beeinflussen (vgl. Kemp, 1993:113ff). Natürlich ist es auch die Veranlagung des Menschen und seine Einstellung Risiken gegenüber, die das Risikobewusstsein des Einzelnen ausmachen und es zu einer nicht vergleichbaren Größe werden lassen.

Ein weiterer wesentlicher, das Risikobewusstsein beeinflussender Faktor ist die unterschiedliche Bewertung von Risiken durch Experten und Laien. Diese liegt in der Herangehensweise an das Thema Risiko begründet. Experten beschäftigen sich mit dem Risiko als einem Produkt von Wahrscheinlichkeit und deren Konsequenzen. Sie befassen sich auf wissenschaftlicher Ebene mit der Problematik, bemühen sich um Objektivität, Exaktheit und Transparenz und weisen auf die Schwachstellen ihrer Bewertungen hin. Laien hingegen begegnet das Thema Risiko vielschichtiger. Wie oben ausgeführt fließt es in viele Bereiche des alltäglichen Lebens ein und führt zur subjektiven Bewertung der Risiken. So liegt beim Laien die Betonung auf den Schadensfolgen, wohingegen beim Experten der Fokus auf der Wahrscheinlichkeit liegt. Die unterschiedlichen Betrachtungsweisen können zu der Neigung führen, dass Experten Risiken mit einer hohen Eintrittswahrscheinlichkeit, aber einem geringen Schaden unterbewerten und Laien, Risiken mit einer geringen Eintrittswahrscheinlichkeit aber schwerwiegenden Folgen überbewerten (Kemp, 1993:113). Diese Ausführung verdeutlicht, dass der Experte und der Laie ein völlig unterschiedliches Bewusstsein für ein und dasselbe Risiko haben kann.

Zuletzt ist es auch die Veranlagung, des Menschen und seine Einstellung Risiken gegenüber, durch die sich sein Risikobewusstsein entwickelt und es zu einer kaum vergleichbaren Größe machen.

Zusammenhänge und Überschneidungen

Das Risikobewusstsein hat eine große Nähe zu vielen Begriffen, die zumeist dem Präventionsdiskurs und der Diskussion über Sicherheit und Unsicherheit, entstammen. Insbesondere in der Risikoforschung der Moderne werden unterschiedliche Risikokonzepte vorgestellt, welche mit unterschiedlichen Perspektiven eine Fülle von Termini verwenden, die wiederum je nach Kontext unterschiedliche Bedeutungen aufweisen. Dies trägt zur Unschärfe der Begriffe bei, ruft Missverständnisse hervor und erweitert Zusammenhänge und Überschneidungen (Banse, 1996:43). So haben beispielsweise Risikowahrnehmung und Risikobewusstsein eine inhaltliche Nähe zueinander, überschneiden sich sogar teilweise, wobei die Risikowahrnehmung als die gegenwärtige Komponente angesehen werden kann, eher also einen Teilaspekt des Risikobewusstseins darstellt, bei welchem sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verflechten. In der zum Thema vorliegenden Literatur wird der Begriff der Risikowahrnehmung oft nicht klar definiert, so dass mitunter der Eindruck entsteht, dass auch Risikobewusstsein gemeint sein könnte.

Von zentraler Bedeutung ist die Risikowahrnehmungsforschung, die sich aus soziologischer Sicht mit der Wahrnehmung von Risiko durch Laien und Experten beschäftigt und die gesellschaftliche Veränderung in der Wahrnehmung der sie umgebenden Risiken untersucht. Hierbei geht es um hinter den Risiken liegende (Ir-)Rationalitäten, Interessen und Lebensformen (Vgl. Holzheu/Wiedemann 1993:14). Viele der in der Risikowahrnehmungsforschung verwendeten Begriffe, wie z.B. Risikomanagement, -analyse, -minimierung, -vermeidung und Risikokommunikation, verweisen im Kontext auf das Risikobewusstsein als unabdingbar für den Umgang mit Risiken.

Kriminologische Relevanz

Risiken gehören zum Alltag der modernen Gesellschaft. Sie spielen jeden Tag in den Medien eine Rolle und machen einem indirekt klar, dass es keine Sicherheit im Leben gibt. Das fordert dazu heraus, Sicherheit zu konsumieren, um Risiken zu vermeiden. Risikoargumente werden zur Untermauerung und Gewichtung politischer Forderungen herangezogen (Vgl. Holzheu/Wiedemann, 1993:15). Kleinwellfonder (1996:26) macht dies mit folgenden Worten deutlich, „In der modernen Gesellschaft präsentiert sich der Alltag mithin als ein Dickicht von Risiken und Chancen, in dem jedenfalls eines nicht möglich ist, nämlich: Risikoverzicht. Es zeigt sich eine Situation des Risikotauschs, in der Risiken gewählt werden können, doch nicht umgangen werden können. Man kann sich entscheiden – und behält immer sein Risiko und seine Chance. Risiken sind nicht eliminierbar.“

Diese Aussage ist richtungsweisend für die kriminalpolitische und kriminologische Debatte, weil sie zur Akzeptanz von Risiko führt. Diese neue "...Kultur der Unsicherheit"(Bonss,2011:65), die Risiken nicht beseitigen oder verweigern will, bezieht sich auf situative Lösungsmöglichkeiten und einen umfassenden Kommunikationsprozess der zur Bildung eines eigenen Risikobewusstseins nötig ist.

Insbesondere der Präventionsdiskurs mit der Auseinandersetzung um Sicherheit / Unsicherheit und Gefahren beschäftigt sich mit dem Begriff der Risiken, deren Unabdingbarkeit und den Umgang mit ihnen. Die Betrachtung von Kriminalität als Risiko führt laut Kunz (2008:305) dazu, dass aus diesem Verständnis heraus auch ein anderer Umgang mit Kriminalität folgt. Sie wird als gegebener (Risiko-)Faktor der Gesellschaft angesehen und als solcher akzeptiert. Unter Einfluss des Risikobewusstseins wird Kriminalität als in der Zukunft liegendes Ereignis betrachtet, bei welchem weniger der Täter im Mittelpunkt steht als vielmehr die Situation, die zur Ermöglichung der Kriminalität führt und die es aus diesem Grunde zu reduzieren gilt.

Das „Risikobewusstsein“ steht auch unter kriminalpolitischen Aspekten im Fokus der Auseinandersetzung. Dazu trug die Rede des Staatssekretärs Klaus-Dieter Fritsche (2010) bei, der ein ungenügendes Risikobewusstsein der Bürger bemängelte und dieses als Bedingung für einen erfolgreichen Umgang mit Risiken formulierte. Es ist auch eine Aufgabe der Kriminologie in dieser Debatte um Risiko und Risikobewusstsein die definitorischen Mängel offenzulegen und Klarheit in der Verwendung der Termini zu verlangen (Vgl. z.B. Gerhold, 2012:352). Zudem zeigt der kriminologische Diskurs nicht nur den Wandel des Sicherheitsbegriffs auf, sondern damit im Zusammenhang stehend den Wandel des Risikobegriffs bzw. des Risikobewusstseins (Vgl. z.B. Daase 2010:2).

Schlussbemerkung

Aus den vorangegangenen Ausführungen wird deutlich, dass es nicht den Risikobegriff und den Bewusstseinsbegriff gibt, sondern beide Termini schon an sich vielschichtig sind. Dazu kommen der „inflationäre“ Gebrauch und vor allem die unterschiedliche Definition des Begriffs „Risiko“, je nachdem, ob er von einem Psychologen, Ökonomen, Philosophen, Techniker oder Soziologen verwendet wird (Holzheu/Wiedemann, 1993:9).

Staatssekretär Fritsche (2010) fordert vom einzelnen Bürger unserer Gesellschaft das ständige Bewusstsein um Risiken, die dem Staat Deutschland möglicherweise widerfahren könnten. Er führt weiter aus, dass dem Bürger klar sein müsse, dass er dann allein auf sich gestellt diesen Schadensfall bewältigen muss und es „…kein „Rundum-Sorglos-Paket“ durch den Staat…“ gebe. Gerhold (2012:352) kritisiert, dass hier „…die Vorstellung eines (allumfänglichen) Risikobewusstseins der Bevölkerung Utopie...“ sei, eine Utopie im Hinblick auf die Individualität des Bewusstseins des einzelnen Menschen. Aber auch eine Utopie hinsichtlich eines Risikobegriffs, der durch unzureichende Definition zu einer unkonkreten Gefahrenlage wird, die alles und nichts bedeutet.

Literatur

  • Banse, Gerhard, Herkunft und Anspruch der Risikoforschung. In: Banse, Gerhard (Hrsg.) Risikoforschung zwischen Disziplinarität und Interdisziplinarität. Edition Sigma, Berlin, 1996
  • Bonss, Wolfgang, (Un-)Sicherheit in der Moderne. In: Zocher, Peter/ Kaufmann, Stefan/ Haverkamp, Rita (Hrsg.): Zivile Sicherheit. Gesellschaftliche Dimensionen gegenwärtiger Sicherheitspolitiken. Bielefeld transcript, 2011
  • Daase, Christopher, Wandel der Sicherheitskultur. In Aus Politik und Zeitgeschichte. Ausgabe 50/2010 Sicherheitspolitik. 13.12.2010. Herausgeber: Bundeszentrale für politische Bildung (bpb)
  • Duden, Etymologie, das Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache, Bd. 7. Drosdowski, Günther (Hrsg), Verlag Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2. Völlig neu bearb. u.erw. Aufl., 1989
  • Fritzsche, A. F., Wie sicher leben wir? Risikobeurteilung und –bewältigung in unserer Gesellschaft. Verlag TÜV Rheinland, 1986
  • Gerhold, Lars, Risikobewusstsein: Sicherheit als Konstrukt gesellschaftlicher Wahrnehmung. In: Daase, Christopher / Rauer, Valentin / Offermann, Philipp (Hrsg): Sicherheitskultur. Soziale und politische Praktiken der Gefahrenabwehr. Campus Verlag, Frankfurt, 2012
  • Holzheu, Franz / Wiedemann, Peter M., Perspektiven der Risikowahrnehmung. In: Bayrische Rück (Hrsg.) Risiko ist ein Konstrukt. Knesebeck GmbH & Co, München, 1993
  • Kates, R. W./ Kasperson, J.X. Comperative Risk Analysis of Technological Hazards. A Review. In: Proceedings of the National Academy of Science, 80, 7029, 1983 Abrufbar unter: s. Weblinks
  • Kemp, Ray Risikowahrnehmung: Die Bewertung von Risiken durch Experten und Laien - ein zweckmäßiger Vergleich?. In: Bayrische Rück (Hrsg.) Risiko ist ein Konstrukt. Knesebeck GmbH & Co, München, 1993
  • Kleinwellfonder, Birgit, Der Risikodiskurs. Zur Gesellschaftlichen Inszenierung von Risiko. Westdeutscher Verlag, 1996
  • Kunz, Karl-Ludwig, Kriminologie. UTB Haupt-Verlag, 5. Auflage, 2008
  • Luhmann, Niklas, Soziologie des Risikos. Walter de Gruyter & Co, Berlin, 1991
  • Wiedemann, Peter M., Tabu, Sünde, Risiko: Veränderungen der gesellschaftlichen Wahrnehmung von Gefährdungen. In: Bayrische Rück (Hrsg.) Risiko ist ein Konstrukt. Knesebeck GmbH & Co, München, 1993
  • Zimbardo, Philip G. / Gerrig, Richard J., Psychologie. Pearson Studium München, 16.Auflage, 2004

Weblinks

  • RiskNET, The Risk Management Network, Glossar und Definitionen, (vom 20.02.2016)

https://www.risknet.de/wissen/glossar/risiko-bewusstsein/beb51fdf8dceb2599c12027275fbb359/?tx_contagged[source]=default

  • Rede von Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche, Brauchen wir eine Risikoanalyse?, beim Zukunftsforum Öffentliche Sicherheit, 25.11.2010. (vom 19.02.2016)

http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Reden/DE/2010/11/rede_stf_risikoanalyse.html?nn=109628

  • Kates, R. W./ Kasperson, J.X. Comperative Risk Analysis of Technological Hazards. A Review. In: Proceedings of the National Academy of Science, 80, 7029, 1983 Abrufbar unter:

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