Polen

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Igor Stokfiszewski (Al Jazeera 6.8.2014):

"On November 2, 2005, The Washington Post published an article alleging that the CIA ran secret prisons in Central European countries where terrorism suspects were tortured. A few days later Human Rights Watch released information that Poland was among those host states. The revelation provoked public outrage internationally. Top Polish officials, including former Prime Minister Leszek Miller and former President Aleksander Kwasniewski vehemently denied those reports. On November 7 the Parliamentary Assembly of the Council of Europe announced the formation of a commission to investigate the issue. A year later, the commission published its findings which confirmed public suspicions of the existence of CIA facilities in Central European countries, including Poland. The European Parliament immediately initiated its own investigation which confirmed the council's report. - Under domestic and international pressure, in 2008 Polish prosecutors launched an investigation into whether the government had breached the law by allowing the secret CIA prisons to operate and who and in what way should be held responsible. The investigation has not publicised any conclusions until now. Thus it is not surprising that the ECHR ruling accused Polish authorities of deliberate sluggishness in examining the case. Consecutive Polish governments - the former communists under Miller's leadership, rightists of Jaroslaw Kaczynski and Donald Tusk's centrists - have persistently denied existence of secret CIA prisons on the territory of Poland. We had to wait until 2012 for a Polish official to have a different position and at least partially acknowledge the truth. In an interview for Gazeta Wyborcza newspaper, ex-President Aleksander Kwasniewski acknowledged during the "war on terror" there was operational collaboration between the Polish and the US secret services and that Poland had temporarily lent the US some facilities on its territory. He claimed that Polish government had no knowledge of what the facilities were used for. The reactions of Polish politicians at the ECHR ruling were predictable but - still - shocking. Miller, who was acting prime minister when the CIA opened its prisons on Polish territory, commented that the sentence was "unjust and immoral", repeating that there has never been any CIA prisons in Poland. He added that it was unimaginable for him that Polish tax-payers will have to support world terrorism by paying compensation to the victims and accused ECHR members of cowardice and "buying themselves security" from terrorists. Minister of Foreign Affairs Radoslaw Sikorski claimed that Poles had not tortured prisoners in Stare Kiejkuty and that we should be given credit for being the only country which has launched an investigation into the matter. His conclusion was that "it's unfair to put Poland in the pillory" when talking about CIA operations during the "war on terror". Kwasniewski noted that Poland has not been targeted by "terrorists" in the past decade, which was perhaps because we chose to collaborate with the Americans. None of Poland's top officials spoke of the human rights violation as a central issue in the debate. The only voice of dissent in the choir of apologists was Jozef Pinior - European Parliament deputy, senator and one of the leaders of Solidarity movement in the 1980s. He argued forcefully from the moment the issue surfaced that Poland undoubtedly served as a territory for illegal CIA operations and holds responsibility for human rights violations of detainees."

Die polnische Regierung dementierte also jahrelang die Existenz von CIA-Flügen und von einem Geheimgefängnis auf polnischem Boden.

Im Dezember 2013 berichtete Christian Rath für die taz: "Guantánamo-Häftlinge klagen. Polen als Handlanger der CIA. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte prüft Vorwürfe von zwei Guantánamo-Häftlingen gegen Polen. Die Regierung habe CIA-Folter geduldet. Polens Regierungsvertretern ist der Prozess spürbar unangenehm: Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte müssen sie sich seit Dienstag rechtfertigen, weil der US-Geheimdienst CIA zeitweise ein Geheimgefängnis auf polnischem Boden unterhielt, in dem Terrorverdächtige gefoltert wurden. Es ist der erste derartige Prozess in Europa. Gegen Polen geklagt haben zwei Männer: Der aus Saudi-Arabien stammende Abd al-Rahim al-Nashiri soll im Jahr 2000 am Angriff der Terrororganisation al-Qaida auf das US-Schiff „USS Cole“ im Jemen beteiligt gewesen sein. Er wurde in Dubai gefasst und kam über Thailand im September 2002 nach Polen. Der andere Kläger, ein staatenloser Palästinenser, wird Abu Zubaydah genannt. Er wurde in Pakistan festgenommen und kam – ebenfalls über Thailand – im September 2002 nach Polen. Beide Männer wurden rund neun Monate in einem CIA-Stützpunkt im nordpolnischen Dorf Stare Kiejkuty festgehalten. Das Gelände gehörte eigentlich dem polnischen Geheimdienst, der es auf Grundlage eines Abkommens der CIA überließ. 83 Mal Waterboarding. Die CIA-Häftlinge wurden dort mit „erweiterten Befragungstechniken“ misshandelt: Sie erlebten Scheinexekutionen und man drohte ihnen damit, dass Angehörige vergewaltigt würden. Abu Zubaydah allein musste 83 Mal das sogenannte Waterboarding erleiden, wobei der Kopf bis kurz vor dem Ertrinken unter Wasser getaucht wird. Später wurden die Männer an andere Geheimgefängnisse überstellt, wo sich die Torturen wiederholten. Heute sitzen beide im US-Militärgefängnis Guantánamo ein. Ein Prozess gegen al-Nashiri vor einer amerikanischen Militärkommission soll im September 2014 beginnen. Gegen Abu Zubaydah werden keine konkreten Vorwürfe mehr erhoben. Die Kläger konnten nicht nach Straßburg kommen. Sie werden aber von internationalen NGOs unterstützt. Seit 2005 ist die Existenz des polnischen Geheimgefängnisses bekannt, seit 2008 läuft in Polen eine Untersuchung. Weil es dort aber nicht voranging, erhoben die Männer Beschwerde beim Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Dabei werden Polen drei Verstöße gegen die europäischen Menschenrechte vorgeworfen: Erstens habe Polen die CIA-Folter wissentlich geduldet. Zweitens habe Polen die Verbringung der Männer in andere Geheimgefängnisse nicht verhindert. Drittens würden die Vorwürfe in Polen nicht wirksam aufgeklärt. Der polnische Regierungsvertreter wollte die Anschuldigungen in Straßburg „weder bestätigen noch dementieren“. Die Untersuchung in Polen laufe noch, eine Behandlung in Straßburg sei deshalb „verfrüht“. Vor allem aber gefährde ein öffentlicher Prozess in Straßburg die „vertraulichen“ Ermittlungen der polnischen Staatsanwaltschaft. Die polnischen Anwälte der beiden Kläger bezeichneten die Untersuchungen in ihrem Land als „völlig ineffizient“. Seit Jahren gehe es nicht voran. Zweimal schon sei der zuständige Staatsanwalt ausgetauscht worden – „immer wenn es Versuche gab, etwas Transparenz zu schaffen“, sagte Anwalt Mikolaj Pietrzak. Auch in Straßburg wollte die polnische Regierung die Öffentlichkeit ausschließen, was das Gericht ablehnte. Als Kompromiss fand am Vortag des Prozesses (Montag) ein nichtöffentliches Hearing mit Experten und Zeugen statt, die wohl durchgängig die Vorwürfe bestätigten. Mit einem Urteil ist in einigen Monaten zu rechnen."

2014 wurde Polen vom EGMR wegen seiner Kooperation mit der CIA bei illegalen Entführungen und Folterungen verurteilt:

"EGMR veurteilt Polen. Schmerzensgeld für CIA-Folter. 25.07.2014. Späte Entschädigung: Weil Polen im Jahr 2002 bei der Inhaftierung zweier Terrorverdächtiger auf seinem Hoheitsgebiet durch die CIA mitgewirkt hat, muss das Land jedem von ihnen 100.000 Euro zahlen. Die Männer waren nach ihrer Festnahme durch die amerikanischen Agenten gefoltert worden. Viel nützen wird ihnen die Entschädigung allerdings nicht: Beide sitzen bis heute im Gefangenenlager Guantánamo. Polen muss für die illegale Inhaftierung zweier Terrorverdächtiger jeweils 100.000 Euro Schmerzensgeld an sie zahlen. Das geht aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrecht (EGMR) hervor (Urt. v. 24.07.2014, Az. 28761/11, 7511/13). Gerügt hatten die Richter in Straßburg, dass das Land die CIA 2002 dabei unterstützt habe, die beiden Verdächtigen in ein nicht-staatliches Gefängnis im Nordosten des Landes zu verbringen. Dort seien sie von den US-Agenten gefoltert worden. Die Aussagen der Männer seien glaubwürdig, befand das Gericht. Die polnischen Behörden hätten es zudem zugelassen, dass die Männer später in das Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba verbracht wurden. So habe Polen in Mittäterschaft gleich gegen mehrere Artikel der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoßen, namentlich gegen das Folterverbot (Art. 3), das Recht auf Freiheit und Sicherheit (Art. 5), das Recht auf Privatsphäre (Artikel 8), sowie die Rechte auf wirksame Rechtsmittel (Art. 13) und ein faires Verfahren (Art. 6). Die Verdächtigen stammen aus dem arabischen Raum. Es handelt sich um einen Staatsbürger Saudi-Arabiens, sowie um einen staatenlosen Palästinenser. Dem Saudi wird von Seiten der USA vorgeworfen, sich an zwei Terrorangriffen beteiligt zu haben. Der Palästinenser soll nach Ansicht der US-Ermittler eine Schlüsselrolle im Terrornetzwerk Al-Qaida eingenommen haben. Beide sind nach wie vor auf Kuba inhaftiert."

Zitiert nach: EGMR veurteilt Polen: Schmerzensgeld für CIA-Folter. In: Legal Tribune ONLINE, 25.07.2014, http://www.lto.de/persistent/a_id/12680/ (abgerufen am 06.08.2014)

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