Noor Khan vs. Federation of Pakistan

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Noor Khan et al. vs. Federation of Pakistan ist der Name unter dem der Peshawar High Court, Pakistan, mehrere Fälle der Tötung durch CIA-Drohnen zusammengezogen und am 11.04.2013 entschieden hat [1]. Vgl. auch den Bericht des Bureau of Investigative Journalism[2].

Sachverhalt

Der High Court, vertreten durch seinen Chief Justice, Dost Muhammad Khan, spricht vom "serial killing of local civilians both of North & South Waziristan Agency, adjoining Khyber Pakhtunkwa Province through drone strikes visibly commences from the year 2008 which is still continuing unabated". Er hat mehrere Fälle miteinander verbunden, weil in ihnen "identische Fragen tatsächlicher und rechtlicher Natur auftauchen". Dem Gericht lagen Berichte der zuständigen Behörden vor, wonach innerhalb der letzten fünf Jahre, bis Dezember 2012, durch Drohnenangriffe folgende Schäden entstanden sind:

  • in Nord Waziristan wurden 896 pakistanische Zivilisten getötet und 209 schwer verletzt; darüber hinaus kam es zur Vernichtung zahlreicher Häuser und Fahrzeuge im Wert von Millionen Dollar ("millions of dollar"); ferner wurden ´zahlreiche Herdentiere unterschiedlicher Art in Stücke gerissen und verbrannt ("torn into pieces and charred").
  • In Süd Waziristan wurden im gleichen Zeitraum 553 Zivilisten getötet und 126 verletzt; drei Häuser und 23 Fahrzeuge wurden schwer beschädigt.

Als Hintergrund führt das Gericht an, dass sich, nach Berichten nationaler und internationaler Medien, "some foreign militants are hiding in the mountainous Region of Norteh & South Waziristan Agancy, beyond the Access of the local Administration and semi-armed Forces of Pakistan". Durch den Drohnenangriff seien 46 Mitglieder dieser eigentlichen Zielgrupppe getötet und 6 weitere verletzt worden.

Anträge

Dem Gericht lagen sechs Anträge der Anwälte der verschiedenen Kläger vor: 1. die Beklagten anzuweisen, sofort ihre staatliche Souveränität wahrzunehmen und den USA deutlich zu machen, dass keine weiteren Drohnenangriffe auf ihrem souveränen Territorium geduldet werden.

2. die Beklagten anzuweisen, das "Recht auf Leben" ihrer Bürger zu schützen und notfalls außergerichtliche Tötungen durch Drohnen, notfalls unter Einsatz von Gewalt zu verhindern

3. strafrechtliche Genugtuung dadurch zu schaffen, dass die zuständigen Behörden angewiesen werden, Strafverfahren entsprechend der einschlägigen pakistanischen Gesetze einzuleiten

4. die Beklagten anzuweisen, unverzüglich den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen anzurufen und eine Resolution zu beantragen, in welcher diese Drohnenangriffe verurteilt und die USA zu veranlassen, diese zu beenden.

5. die Beklagten zu veranlassen, Daten über die Opfer der Drohnenangriffe zu sammeln und diese zu ermutigen ihre Beschwerden vor das UN Human Rights Council der UNO sowie den Special Rapporteur on extrajudicial, summary arbitrary executions zu bringen.

6. die Beklagten anzuweisen, ihr "Recht auf Entschädigung" entsprechend dem Völkergewohnheitsrecht etc. wahrzunehmen.

Entscheidung des Gerichts

Der Präsident von Pakistan, das Parlament (durch einstimmige Entscheidung), der Premierminister und sein Kabinett, sowie die militärische Führung habe diese Angriffe offen verurteilt und bei den US-Behörden durch den Botschafter schwach protestiert (lodged soft protests). Allerdings berufen sich die US-Behördendarauf, dass der damals herrschende Diktator, General und Präsident Parvez Musharaff für diese Angriffe eine mündliche Genehmigung erteilt habe. Es gäbe jedoch keinerlei schriftliche Bestätigung, welche diese Aussage der US-Regierung stützen könne. Weder der Sicherheitsrat noch die UNO als solche habe den Verantwortlichen der USA, oder speziell der CIA gestattet solche Drohnenangriffe innerhalb des Staatsgebietes von Pakistan durchzuführen. Nach Art. 2 Abs. 4 der UNO Charta sind alle Mitglieder verpflichtet, sich jeglicher Gewalt oder Gewaltandrohung gegenüber der politischen Unabhängigkeit und territorialen Integrität eines souveränen Staates zu enthalten. Diese Verpflichtung sei in der Millenium Declaration vom 18.09.2000 von der UNO-Generalversammlung wiederholt worden, ferner durch die Resolution Nr. 2625 ("Declaration of Principles of International Law Concerning Friendly Relations"). Die Genfer Konvention von 1949 erkläre in Art. 2 und Art 52 des Zusatzprotokolls dass die gezielte Tötung nur dann rechtmäßig ist, wenn das Ziel ein "Kombattant" oder "Kämpfer" ist bzw. eine Zivilist nur solange er/sie sich "direkt an den Feinseligkeiten beteiligt". Nach Art 6 Abs. 1 des IPBPR habe jeder Mensch ein Recht auf Leben, welches geschützt werden muss und nicht willkürlich entzogen werden darf. Aus all diesen Gründen kommt das Gericht zu folgender Entscheidung:

1. dass die erwähnten Drohnenangriffe eine offenkundige Verletzung grundlegender Menschenrechte, der UNO-Charta, der Genfer Konvention etc. darstellen und daher als Kriegsverbrechen anzusehen sind

2. das die Drohnenangriffe gegen eine Handvoll von angeblichen Kämpfern ("a handful of alleged militants"), die sich nicht im Kampf (combat) mit den US-Streitkräften befinden, eine Bruch des Völkerrechts und der entsprechenden Konventionen darstellt

3. dass die oben erwähnten Zivilopfer, einschließlich Kinder/Säuglinge, Frauen und Teenager, unentschuldbare Verbrechen der USA bzw. des CIA darstellen

4. dass die US-Regierung den Familien aller Opfer zu Schadensersatz verpflichtet ist

5. dass die Regierung von Pakistan dafür sorgen muss, dass in Zukunft keine derartigen Drohnenangriffe mehr auf dem souveränen Gebiet von Pakistan stattfinden. Sollten entsprechende Warnungen nicht ausreichen, haben die Sicherheitskräfte das Recht und die Pflicht diese Drohnen abzuschießen.

6. die Regierung von Pakistan wird aufgefordert, diese Angelegenheit ernsthaft vor den Sicherheitsrat zu bringen und (falls die USA von ihrem Veto Gebrauch machen) vor die UNO-Generalversammlung.

7. die Regierung von Pakistan soll ferner eine Beschwerde, unter Anführung sämtlicher Details über die durch die Drohnenangriffe verursachten Schäden beim UNO-Generalsekretär einreichen, mit dem Ziel der Einrichtung eines unabhängigen Kriegsverbrechens-Tribunals, welches feststellen soll, ob es sich dabei um Kriegsverbrechen handelt und, gegebenenfalls, dafür zu sorgen, dass diese Angriffe gestoppt werden und entsprechende Entschädigungen an die Familien der Opfer bezahlt werden

8. das pakistanische Außenministerium wird aufgefordert, innerhalb kürzester Zeit, entsprechende Beschwerden und Resolutionen aufzusetzen damit der Sicherheitsrat bzw. die Generalversammlung eine Resolution verabschiedet, in welcher die Drohnenangriffe von USA/CIA verurteilt werden

9. falls die USA sich nicht an die UNO-Resolutionen hält, sollte die pakistanische Regierung alle Verbindungen zu den USA abbrechen und den USA jegliche logistischen und anderen Einrichtungen innerhalb Pakistans verweigern.

Literatur

Diese Entscheidung wird auch in einem Report von Amnesty International (Oktober 2013) über die Drohnenangriffe in Pakistan zitiert [3]

Einzelnachweise