Nico

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Nico (= Christa Päffgen, * 16. 10. 1938 in Köln; † 18. Juli 1988 auf Ibiza) war deutsches Model, Schauspielerin und Sängerin.

Über ihre während des Krieges nach Berlin geflohene Mutter Margarete, die im KaDeWe als Schneiderin und Verkäuferin für Damenmode arbeitete, erhielt Nico eine Stelle als Verkäuferin, wurde aber schon bald wegen ihres guten Aussehens als Vorführdame eingesetzt.

Mit 16 wurde sie bei einer KaDeWe-Modenschau von dem Fotografen Herbert Tobias entdeckt. 1954 ging sie von der Schule ab und arbeitete als Mannequin. Modedesigner Heinz Oestergaard verschaffte ihr internationale Aufträge: bald zog sie nach Paris. Oestergard empfahl ihr den Namen Nico nach dem Filmemacher Nico Papatakis. Sie kam als Statistin zum Film, hatte aber 1960 auch einen längeren Auftritt in Fellinis La Dolce Vita.

Als sie zwischen Paris und London pendelte, lernte sie Bob Dylan, Brian Jones und Jimmy Page kennen; sie zog nach New York und besuchte die Schauspielschule von Lee Strasberg, wo Marily Monroe eine ihrer Klassenkameradinnen war. Sie lebte ab 1970 in Frankreich und drehte Filme mit dem französischen Filmemacher Philippe Garrel.

In New York lernte sie Andy Warhol kennen. Warhol begeisterte sich für sie, da er nach dem Streit mit Edie Sedgwick eine neue Muse zur Inspiration suchte, und begann sie und ihre Ambitionen zu fördern. Sie wurde Teil der Factory, eine der Warhol Superstars, spielte in diversen Filmen Warhols mit, wie in The Chelsea Girls. 1966 war sie so bekannt, dass sie zum "Popgirl '66" gewählt wurde. Warhol suchte nach einer passenden Band für Nico und fand The Velvet Underground, brachte sie zusammen und produzierte deren Debütalbum The Velvet Underground & Nico, das nicht zuletzt durch Päffgens Gesang geprägt ist, den ihre charakteristische tiefe Stimme und ihr Akzent unverwechselbar machten. Nicos Anwesenheit war für die Plattenfirma ausschlaggebend, der Band überhaupt einen Plattenvertrag zu geben, etwas, das dem Sänger und Hauptsongschreiber Lou Reed sehr zu schaffen machte. Sie hatte eine kurze Liebesbeziehung zu Reed; allerdings wollte sich Reed mit seiner Band nicht auf die Begleitband von Nico reduzieren lassen, so dass Nico nur drei Songs auf der Platte zu singen bekam und ansonsten das Tamburin zu schlagen und auf Auftritten gut auszusehen hatte. Eine Reduktion, die Nico wiederum missfiel, die nachhaltig auf ihrer Gesangskarriere beharrte. So zerbrach die Beziehung bald und Reed wurde die treibende Kraft, die sie aus dem Bandkontext drängte (sie war nie offizielles Mitglied der Band). Päffgens neuer Förderer wurde Reeds Bandkollege John Cale.

1965 nahm Päffgen ihre erste Single I'm Not Sayin auf, erschienen auf Immediate, dem Label von Andrew Loog Oldham.

1967 nahm sie in New York ihr erstes Solo-Album Chelsea Girl auf, auf dem sie Songs von Bob Dylan, Tim Hardin, Lou Reed, Jackson Browne und John Cale intonierte. Nico war sehr unzufrieden mit der Platte. Sie war ihr viel zu kitschig und sie konnte die musikalische Untermalung, besonders mit Flöten und Harfen nicht leiden. Sie hatte auf der Platte nur einen einzigen eigenen Song, It Was a Pleasure Then unterbringen können, alle anderen Lieder wurden ihr von anderen geschrieben. Auch bei der Produktion hatte sie kein Mitspracherecht.

The Marble Index[Bearbeiten] Cale, der 1968 ebenfalls bei The Velvet Underground ausschied, produzierte für sie weiterhin. So entstand 1968 in Los Angeles das im darauffolgenden Jahr veröffentlichte Album The Marble Index, in dem sie sich vom süßlichen Pop ihres Debüts löste. Unter dem unmittelbaren Einfluss des Doors-Sängers Jim Morrison, der sie zum Schreiben eigener Songs animiert hatte, wurde Nicos Musik immer unkonventioneller, war jedoch kommerziell nur wenig erfolgreich. Nico spielte unter anderem ein indisches Harmonium. „Es ist ein Kunstprodukt. Man kann Selbstmord nicht verpacken“, äußerte sich John Cale einmal zum kommerziellen Scheitern von The Marble Index. Marble Index gilt heute als Meilenstein der Musikgeschichte, der Musikrichtungen wie Dark Wave, Gothik und Punk, aber auch Ambient vorgriff und einläutete. Auf ihren Alben fanden sich zahlreiche Gäste, wie Brian Eno, der heute als Erfinder des Ambient gilt, oder Phil Manzanera von Roxy Music.

Das Album Desertshore wurde 1970 in London ebenfalls von Cale produziert. Beide Werke wurden 2007 als remasterte Doppel-CD The Frozen Borderline 1968–1970 mit 17 Bonustiteln wiederveröffentlicht.

1974 nahm sie das Album The End... auf, das von der Plattenfirma mit dem Spruch „Warum Selbstmord begehen, wenn Sie diese Platte kaufen können?” beworben wurde, was auf die beklemmend düstere Version des Titelliedes The End (im Original von den Doors) anspielte. Auf dem Album sang sie unter anderem das Deutschlandlied mit einem kleinen Fehler: In der dritten Strophe ersetzt sie … sind des Glückes Unterpfand durch für das deutsche Vaterland. Bei einem Auftritt widmete sie das Lied Andreas Baader und löste einen Skandal aus. Entrüstete Konzertbesucher bewarfen sie dafür mit Flaschen und Müll.

1981 nahm Päffgen ihr vorletztes Studioalbum Drama of Exile auf. Die Master-Bänder kamen unter ungeklärten Umständen abhanden. Das Album wurde ein zweites Mal in etwas veränderter Besetzung aufgenommen. Beide Versionen kamen auf den Markt, Päffgen bezeichnete die auf der Erstfassung beruhende LP als Bootleg.

1984 nahm sie dann – wiederum mit John Cale als Produzenten und begleitet von der Band The Faction – ihr nun endgültig letztes Studioalbum Camera Obscura auf.


Mit 15 Jahren soll Nico laut verschiedenartig kolportierten Aussagen, u. a. auch von ihr selbst, von einem GI der US Air Force vergewaltigt worden sein, der wegen der Tat zum Tode verurteilt worden sein soll. In dem Song "Secret Side" aus dem Album The End... verarbeitete sie laut div. Quellen die Tat.

1962 kam ihr Sohn Christian Aaron Päffgen, genannt Ari, zur Welt. Päffgen gab Alain Delon, den sie während der Dreharbeiten zu Nur die Sonne war Zeuge kennengelernt hatte, als Vater an. Delon, zur fraglichen Zeit mit Romy Schneider liiert, bestreitet aber bis heute die Vaterschaft. Der Prozess wurde zu der Zeit von der Boulevardpresse intensiv beobachtet. Am Ende verlor Nico diesen Prozess wegen Formfehlern, da sie es versäumt hatte, Delon gleich bei Ausstellung der Geburtsurkunde als Vater anzugeben. Ari Päffgen wuchs zunächst bei der Mutter auf, wurde aber verhaltensauffällig, da Nico mit der Erziehung überfordert war, sodass ihn schließlich ihre Mutter aufnahm. Als diese dann an Demenz erkrankte und sich auch nicht mehr um das Kind kümmern konnte, sorgte Ende der sechziger Jahre Delons Mutter, Edith Boulogne, dafür, dass das Kind zu ihr kam. Er wurde später von ihrem zweiten Ehemann adoptiert, um ihn in die Familie zu integrieren, dabei aber zu vermeiden, dass Delons Sohn gleichzeitig sein Bruder wurde. Diese Adoption führte zu einem Bruch Delons mit seiner Mutter, der bis zu ihrem Tod bestand. Wegen Päffgens zunehmender Drogensucht hielt die Familie den Sohn von ihr fern und ließ ihn sie nur sporadisch besuchen. Erst mit 19 Jahren nahm Ari wieder engeren Kontakt zu seiner Mutter auf.

Nico begann während ihrer Pariser Modelzeit Drogen zu nehmen, Cannabis und Amphetamine, die sie als Appetitzügler schluckte. Während der Liaison mit Philippe Garrel begann Nico durch seinen Einfluss Heroin zu spritzen und wurde süchtig. Sie forderte sogar von ihrer Umgebung wie den Mitgliedern ihrer Begleitband Heroinkonsum ein und fixte ihren eigenen Sohn an, als er mit 19 zu ihr zog. 1985 machte sie aber dann doch eine Methadon-Therapie und war die letzten drei Jahre ihres Lebens, von Cannabiskonsum abgesehen, clean.

Der exzessive Lebenswandel forderte allerdings seinen Tribut; so war der daraus resultierende schlechte körperliche und gesundheitliche Zustand ein Grund für den frühen Tod der Sängerin. Da Nico sich wegen ihrer von Einstichnarben übersäten Haut trotz wochenlang anhaltendem Dauerkopfschmerz nicht zum Arzt wagte, wurde bei ihr ein Aneurysma nicht diagnostiziert. Es platzte während einer Fahrradfahrt am 18. Juli 1988 in Ibiza; sie wurde von einem Ehepaar am Straßenrand neben ihrem Fahrrad liegend gefunden und in diverse Krankenhäuser gebracht. Die Ärzte aber weigerten sich, ihr zu helfen, sodass sie zu spät behandelt wurde und nicht mehr gerettet werden konnte. Sie wurde am Rande Berlins auf dem Friedhof Grunewald-Forst (am Schildhorn) im Grab ihrer Mutter beigesetzt.

Nicos kühles Image und die experimentelle und düstere Atmosphäre ihrer Alben verschafften ihr zu Lebzeiten und auch nach ihrem Tod viele Bewunderer. So gilt sie als Vordenkerin von Dark Wave und Gothic Rock, Künstler wie Siouxsie Sioux (Siouxsie and the Banshees), Ian Curtis (Joy Division), Ian Astbury (The Southern Death Cult) und Lisa Gerrard (Dead Can Dance) wurden durch Nicos Musik inspiriert. Peter Murphy (Bauhaus) bezeichnete Nicos Alben The Marble Index und The End sogar als erste „richtige“ Gothic-Alben. Zusammen mit Nico stand Murphy im Oktober 1981 in Manchester auf der Bühne und beide sangen den Velvet-Underground-Hit I'm Waiting for the Man. Aber auch Musiker anderer Genres, wie Ambient, Noise oder Punk, berufen sich auf Nico.

2007 wurde Nico eine Retrospektive bei der Cologne Conference gewidmet. Unter anderem waren selten aufgeführte Filme des französischen Regisseurs Philippe Garrel zu sehen, in denen Nico als Schauspielerin mitgewirkt hatte. In den 1970er Jahren war Garrel Nicos Lebensgefährte.

Am 17. Oktober 2008 fand ein Tribut-Konzert für Nico in Berlin statt, das von ihrem Ex-Gefährten Lüül, Lutz Ulbrich, moderiert wurde. Auf dem Konzert an der Volksbühne Berlin erschienen u.a. die deutsche Schlagersängerin Marianne Rosenberg, die österreichische Sängerin Anja Plaschg alias Soap&Skin, Marianne Enzensberger, James Young (der Keyboard-Spieler bei Nicos letzter Band The Faction) sowie Ari Boulogne (manchmal Ari Päffgen genannt), der Sohn von Nico, der schon 2001 in Frankreich ein Buch mit seinen Lebenserinnerungen unter dem Titel L'amour n'oublie jamais veröffentlichte, dessen Umschlag ein Foto von ihm und seiner Mutter zeigt.

Auf dem 2004er-Album der Indie-Band Angelika Express befindet sich das Stück Nico Päffgen, zudem findet sich auf dem 2005er Album der Emo-Rock-Band Anberlin die Hommage Dance, Dance Christa Päffgen. Marianne Faithfull veröffentlichte auf ihrem Album Kissin' Time 2002 den Song for Nico, den sie schrieb, nachdem sie Nicos Biographie gelesen hatte. Auch der Song Nico des Albums Tilt der Band Latin Quarter bezieht sich auf Päffgen.

Literatur

Vagn Lundbye: Nico. Berg, Dänemark 1969. Richard Witts:[13] Nico: The Life and Lies of an Icon. Virgin Books, London 1993, ISBN 1-85227-470-0. James Young: Songs They Never Play on the Radio: Nico, the Last Bohemian Bloomsbury, London 1992, ISBN 0-7475-1194-2. Nico - Reise in die Finsternis: Die letzten Jahre einer Rock-Legende, Übersetzung von Rüdiger Völckers, Egmont VGS 1992, ISBN 3-8025-2233-8. Nico - The End, USA-Ausgabe, The Overlook Press, USA, 1993, ISBN 0-87951-504-X. Nico - Songs They Never Play on the Radio, Zweite Engl. Auflage, Arrow 1993, ISBN 0-09-927571-6. Nico - Songs They Never Play on the Radio, Dritte Engl. Auflage, Bloomsbury 1999, ISBN 0-7475-4411-5. Lutz Ulbrich: Lüül. Ein Musikerleben zwischen Agitation Free, Ashra, Nico, der Neuen Deutschen Welle und den 17 Hippies. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin, 2006, ISBN 3-89602-696-8. Ari (d.i. Ari Boulogne/Päffgen): L'amour n'oublie jamais. 1. Auflage. Pauvert, Paris 12. April 2001, ISBN 2-7202-1400-0. Antoine Giacomoni: Nico. Photographies. Dragoon, Paris 2002. Nico, Jacques Pauvert, Ari Boulogne: Nico. Cible mouvante. Chansons, Poèmes, Journal. Pauvert, Paris 2001. Inspiriert von Nicos Biografie[Bearbeiten] Werner Fritsch: Nico - Sphinx aus Eis[14][15] (Monolog), Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 2004 Alban Lefranc: Angriffe: Fassbinder. Vesper. Nico (Roman), Blumenbar Verlag, München Oktober 2008, ISBN 978-3-936738-43-8. Alban Lefranc: Vous n’étiez pas là (Roman)

gekürzt aus: Nico in: de.wikipedia

Weblinks

Gekürzt aus: Nico in: de.wikipedia