New York

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New York war seit jeher auch eine Metropole der Kriminalität. Klagen darüber lassen sich bis mindestens 1839 zurückverfolgen. In der Mitte des 19. Jahrhunderts waren zahllose Banden aktiv; im Jahr 1850 zählte man zum Beispiel nicht weniger als 200 teils fremdenfeindliche (gegen irische Einwanderer gerichtete) Bandenkriege. In den 1970er und 1980er Jahren erreichten die Gewaltdelikte neue Höhen. Viele Menschen sahen ihre Bewegungsfreiheit eingeschränkt und trauten sich z.B. auch nicht mehr in die U-Bahn. In den 1990er Jahren kam es dann zu dem als Crime Crash bekannt gewordenen Rückgang der Kriminalität. Die Häufigkeit vorsätzlicher Tötungsdelikte (homicide rate) ging von 1993 bis 2010 unter Polizeichef William Bratton um 73% (und von 2001 bis 2010 um 17%) zurück. Während manche Forscher wie etwa Henner Hess die Reform der Polizeistrategie unter Bratton für einen maßgeblichen Faktor halten, sprechen andere wie etwa Loïc Wacquant der Polizei jede kausale Einflussnahme auf den Rückgang der Kriminalität ab.


Geschichte

Im 19. Jahrhundert waren viele Banden aktiv. Klagen gab es etwa im Jahre 1839. 1850 fanden nicht weniger als 200 Bandenkriege statt. Viele der Mitglieder waren Jugendliche. Etliche Bandenkriege richteten sich gegen irische Einwanderer.

Neuere Entwicklung

Crime Crash

Kriminologische Diskussion

Als fest stand, dass der Rueckgang wirklich stattgefunden hatte, und zwar auf breiter Front und nicht nur bei Gewaltdelikten oder in bestimmten Teilen der Stadt, entflammte eine kriminologische Kontroverse ueber die Ursachen dieses Erfolgs. Genannt wurden: die gute wirtschaftliche Entwicklung, die hohen Gefangenenzahlen, das Abflauen der Crack-Epidemie, die Liberalisierung der Abtreibung in den 1970er Jahren - und schliesslich und endlich auch die Reorganisation und Effizienzsteigerung der New Yorker Polizei.

Sozialkritische Kriminologen wie Loic Wacquant widersprachen der Ansicht der Polizei, die den "Crime Drop" auf die Verbesserung ihrer Arbeit zurueckfuehrte. Wacquant (2006: 622) erklaerte, dass "die in den 1990er Jahren in New York angewandte Polizeistrategie weder notwendig noch ausreichend ist, um die Senkung der Kriminalität in dieser Stadt zu erklären" (2006: 622). Stattdessen verwies Wacquant (2006: 623 ff.) auf folgendes Ursachenbuendel:

  • 1 Rueckgang der Arbeitslosigkeit in der fraglichen Zeit. Dessen direkte und indirekte Folgen machten rund 30% des Crime Drop aus.
  • 2 Rueckgang der Crackepidemie. Die Stabilisierung des Drogenmarktes und der Trend zu weicheren Drogen machten noch einmal rund 30% aus.
  • 3 Demographischer Wandel im Sinne der Abnahme des Anteils junger Leute in der New Yorker Bevoelkerung erklaert "mindestens ein Zehntel des Rückgangs der Angriffe auf Personen in diesem Zeitraum." Immerhin wurden im Laufe der 1990er Jahre nahezu 100.000 Unruhestifter aus der problematischen Altersgruppe der 18-24-Jährigen ausser Gefecht gesetzt, und zwar zur Haelfte durch Einsperrung und zur anderen Haelfte durch Aids (19.000 aids-tote Heroinkonsumenten von 1987 und 1997; 14.000 toedliche Überdosierungen; 4.150 Mordopfer durch Gangsterkollegen etc. ... summa summarum ca. 43.000 im Laufe eines Jahrzehnts, also ebenso viele wie jährlich aus New York City in die Gefängnisse eingewiesen werden.
  • 4 Anstieg des Bevölkerungsanteils von gut integrierten Frauen durch Immigration aus der Dominikanischen Republik, aus China und Russland etc., die über ethnische Nischen und Integrationsmöglichkeiten verfügen und "den öffentlichen Raum zurückerobern und die kriminellen Aktivitäten im Freien unterbinden"
  • 5 Lerneffekte im Sinne des „Syndroms des kleinen Bruders“, "aufgrund dessen die nach 1975-1980 geborene neue Generation von Jugendlichen sich von den harten Drogen und dem damit assoziierten gefährlichen Lebensstil abgewandt hat, um nicht dem gleichen makabren Schicksal zu verfallen, das ihre großen Brüder, Cousins und Freunde ereilt hatte, die an der Front des „Straßenkriegs“ am Ende der 1980er Jahre gefallen waren: unkontrollierbare Drogenabhängigkeit, Freiheitsentzug, gewaltsamer und verfrühter Tod". Verstärkung dieser Rückzugsbewegung der Jugendlichen aus der räuberischen Straßenökonomie durch Bürgerinitiativen und ähnliches.
  • 6 Statistisches Gesetz der Regression zum Durchschnitt hin: es war zu erwarten, dass die ungewöhnliche Faktorenkombination, die einen außergewöhnlichen Kriminalitätsanstieg hervorbrachte, früher oder später wieder in Richtung auf den Durchschnitt zurückgehen würde. Der atypischen Phase von 1975-1990 folgte der Rückgang auf ein Niveau, auf dem die Kriminalität schon ein Vierteljahrhundert früher war.

Demgegenueber war Henner Hess (2004: 110) davon ueberzeugt, "dass dem Faktor Polizeistrategie ... eine herausragende Bedeutung zukommt" (2004: 110). Im Zentrum des Erfolgs steht nach Hess die Aktivierung der Polizei durch

  • 1 die Stärkung der Revierleiter (precinct commanders)
  • 2 Definition von Problembereichen (Schusswaffengebrauch, Jugendgewalt in den Schulen und auf der Straße, Drogendealer, häusliche Gewalt, Unsicherheit im öffentlichen Raum und Kfz-bezogene Kriminalität) und Aktionsplänen mit konkreten Zielen in Bezug auf die Reduktion der Kriminalitätsbelastung
  • 3 die Einfuehrung von polizeilichen Strategie-Meetings mit konkreter Evaluation und Rechenschaftslegung (Crime Control Strategy Meetings = Compstat Meetings = Computerized Statistic Meetings).

Schlussfolgerungen

Die gruendlichsten Untersuchungen (Hess 2004, Zimring 2006) belegen die Ansicht der Polizei, nach der die veraenderte Polizeistrategie einen signifikanten Einfluss auf den Rueckgang der Kriminalitaetsraten hatte. Sie zeigen, dass relativ oberflaechliche Veraenderungen des urbanen Lebens mit rund 75% des Kriminalitaetsrueckgangs in Verbindung gebracht werden koennen. Das bedeutet: Kriminalitaet kann auch ohne groessere Veraenderungen in der Bevoelkerung, der Wirtschaft oder dem Schulsystem signifikant zurueckgehen. Kleinere Veraenderungen im Umgang mit dem Problem koennen viel ausmachen.

Literatur

  • Hess, Henner (2004) Broken Windows. Zur Diskussion um die Strategie des New York Police Department. Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (ZStW) 116.2004: 66-110
  • Hess, Henner, Broken Windows ..., pdf
  • Rashbaum, William K. (2010) Retired Officers Raise Questions on Crime Data. The New York Times 06.02.2010. [[1]] (26.03.2010)
  • Wacquant, Loic (2006) Die Wissenschaftsmythen des einheitlichen Sicherheitsdiskurses. In: Bittlingmayer, Uwe H.; Bauer, Ullrich, Hg.: Die "Wissensgesellschaft". Mythos, Ideologie oder Realität?. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften: 615-634 ISBN 3-531-14535-5.
  • Zimring, Frank E. (2006) The Great American Crime Decline. New York etc.: Oxford University Press.

Weblinks

  • Bandenkriege im 19. Jahrhundert [[2]]

Polizeistatistiken

  • NYPoliceDepartment [[3]]

Allgemein

  • Bowling, Benjamin (1999) The Rise and Fall of New York Murder, in: British Journal of Criminology [[4]]
  • Crime in New York City, in: en.wikipedia[[5]] (16.11.2010)