Nationalsozialistischer Terrorismus

Aus Krimpedia – das Kriminologie-Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Nationalsozialistischer Terrorismus begleitete als revoltierender Terrorismus Hitlers Weg zur Macht, wandelte sich als Stütze der NS-Herrschaft während des Dritten Reiches in repressiven Terror und überdauerte dessen Ende in reduzierter Form als wiederum revoltierender Terrorismus.

Vor der Machtergreifung 1933

Die 1921 von Hitler gegründete SA, die aus ehemaligen Saalordnern der Partei und Mitgliedern aufgelöster Freikorps wie etwa Führungsoffizieren der am Lüttwitz-Kapp-Putsch beteiligten Marinebrigade Ehrhardt bestand, nahm 1923 am Hitler-Putsch teil und wurde dann ebenso wie die NSDAP verboten, konnte sich aber neu gründen und 1925 in die NSDAP integrieren. In braunen Uniformen mit Schaftstiefeln, Koppel und Schulterriemen sowie Armbinde mit Hakenkreuz eroberte die SA die Straße. Ihre Mitgliederzahl stieg von wengier als 4000 im Jahre 1925 über 60.000 im Jahre 1930 und 400.000 zu Beginn des Jahres 1933. Bis 1934 erreichte sie eine Mitgliederzahl von 4 Millionen.

Seit 1928 faszinierte sie viele sozial Schwache mit ihren motorisierten Staffeln, Marine- oder Reiterstürmen. Auch hatte Hitler persönlich 1930 das Amt des Obersten SA-Führers (OSAF) übernommen (und die faktische Leitung 1931 Ernst Röhm als Stabschef der SA übertragen). Vor allem aber dominierte die SA mit ihrer Terrorwelle mit unzähligen Mord- und Bombenanschlägen die öffentlichen Räume. "Das Sprengen von Versammlungen politischer Gegner und die eingedrillte Kampftaktik der SA, der übergangslose Ausbruch aus einer disziplinierten Marschformation in hemmungslose Gewaltaktionen, gehörten Anfang der dreißiger Jahre beinah zum alltäglichen Erscheinungsbild. Etwa 300 Tote und über 1.100 Verletzte - so lautete die Bilanz des Wahlkampfs im Vorfeld der Reichstagswahl vom 31. Juli 1932. Den Höhepunkt der blutigen Aktionen bildete der 'Altonaer Blutsonntag' am 17. Juli 1932, als sich aus einem Demonstrationsmarsch der SA durch die kommunistische Hochburg eine stundenlange Schießerei mit 18 Toten entwickelte. - In den Wochen vor und der nach der Reichstagswahl vom 5. März 1933 war die SA Träger antijüdischer Ausschreitungen und eines Straßenterrors gegen politisch Andersdenkende von einem bis dahin unbekannten Ausmaß. In Preußen als "Hilfspolizei" mit staatlichen Vollmachten eingesetzt, wurden die willkürlich Verhafteten in "Sturmlokalen" der SA gefoltert und misshandelt. Erste "wilde" Konzentrationslager (KZ) unter Leitung der SA entstanden in Oranienburg und Dachau." [1]

Instrumente des Terrors 1933-1945

Konzentrationslager

  • In den ersten Monaten des Jahres 1933 "waren in aller Eile mindestens 70 Lager errichtet worden, neben einer unbekannten, aber vermutlich noch größeren Zahl 'wilder' Lager, Bunker und Folterkeller der SA in ihren verschiedenen 'Sturmlokalen'. Rund 45 000 Personen waren hier inhaftiert, wurden geschlagen, gefoltert und gedemütigt. Mehrere hundert starben an den schweren Misshandlungen. die große Mehrheit der Häftlinge waren Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschafter. Doch die meisten dieser frühen Konzentrationslager, 'wilden' Laager und inoffiziellen Folterkeller wurden in der zweiten Jahreshälfte 1933 und den ersten zwei bis drei Monaten 1934 geschlossen. Eines der besonders berüchtigten illegalen Lager in der Vulkanwerft in Stettin wurde im Februar 1934 auf Anweisung des Staatsanwalts geschlossen. Einige SA- und SS-Führer, die sich bei der Folterung von Häftlingen besonders hervorgetan hatten, kamen vor Gericht und wurden zu langen Haftstrafen verurteilt. Aber schon eine ganze Zeit vorher hatten eine Reihe von offiziellen und inoffiziellen Amnestien zur Entlassung einer großen Zahl von eingeschüchterten und gedemütigten Lagerinsassen geführt. Ein Drittel der Lagerhäftlinge wurde allein am 31. Juli 1933 in die Freiheit entlassen. Im Mai 1934 befand sich in den KZ nur noch ein Viertel der Häftlinge des Vorjahres (...). - Im Juni 1933, hatte die Staatsanwaltschaft des Landgerichts München II gegen den Kommandanten des Konzentrationslagers Dachau, Hilmar Wäckerle, sowie den Lagerarzt und den Kanzleiorbersekretär der Lagerkommandantur Anklage wegen Begünstigung bei der Ermordung von vier Häftlingen erhoben. Der Kommandant hatte für die Gefangenen einen Kanon drakonischer 'Sonderbestimmungen' verfasst, die anscheinend auf Anregungen Himmlers zurückgingen" (Evans 2006a: 101; Hervorhebung nicht im Original).
  • Nachfolger Wäckerles wurde Theodor Eicke. Im Oktober 1933 erließ er für Dachau eine "Disziplinar- und Strafordnung für das Gefangenenlager", aus der die Regeln für alle Konzentrationslager hervorgingen. 1934 ernannte Himmler Thedor Eicke zum Inspekteur aller KZs in Deutschland. Aus seiner Wacheinheit wurden 1936 die SS-Totenkopfverbände. In diesem Symbol kam die von Eicke geforderte "äußerste Härte gegenüber den Häftlingen zum Ausdruck. Nach Kriegsende erinnerte sich Rudolf Höß: "Eickes Absicht war, seine SS-Männer durch seine dauernden Belehrungen und entsprechenden Befehle über die verbrecherische Gefährlichkeit der Häftlinge von Grund auf gegen die Häftlinge einzustellen, sie auf die Häftlinge scharf zu machen, jegliche Mitleidsregung von vornherein zu unterdrücken. Er erzeugte damit, durch seine Dauereinwirkung in der Richtung, gerade bei den primitiveren Naturen, einen Hass, eine Antipathie gegen die Häftlinge, die für Außenstehende unvorstellbar ist" (Evans 2006a: 104).
  • "Angesichts der wiederholten Anklageerhebungen durch die Staatsanwaltschaft bei mutmaßlichen Mordfällen im Lager (...) ging die Zahl der willkürlichen Tötungen deutlich zurück" (Evans 2006a: 105; Herv. nicht i.O.). In Dachau von 24 (1933) auf 10 (1936). Allerdings ging auch die Gesamtzahl der Lager und der Insassen zurück: Ende 1935 gab es nur noch 3000 KZ-Häftlinge und seit August 1937 nur noch vier KZs. Ihre Funktion war weitgehend auf Justiz und Strafvollzug übergegangen, doch auch die Zahl der (1937) 14000 politischen Häftlinge war rückläufig.
  • Funktionswandel und Expansion des KZ-Systems 1937/38: von der Bekämpfung politischer Feinde zur rassischen und sozialen Säuberung. Vorläufer September 1933: 100 000 Landstreicher und Bettler (Bettlerwoche). März 1937: Himmler befiehlt Verhaftung von 2000 Gewohnheitsverbrechern - sie werden ohne Gerichtsverfahren von der Polizei in die KZs gebracht. Das sah eine Verordnung vom 14.12.1937 für alle Asozialen vor. Auch die Gestapo (Heydrich) macht Verhaftungspläne mit vorgegebenen Zahlen, die oft noch übertroffen werden (Obdachlose). Die KZs sind ab 1938 wieder überfüllt. Nachdem es Himmler gelungen war, Wachmannschaften der KZs vor dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden zu schützen, nehmen willkürliche Tötungen in den Lagern wieder zu.
  • "Was in den Lagern vor sich ging, sollte ein Geheimnis bleiben. (...) Spätestens ab 1936 waren die Konzentrationslager Institutionen außerhalb des Gesetzes. Andererseits machte das Regime absolut kein Geheimnis aus ihrer Existenz. (...) Die Tatsache, dass Menschen öffentlich in der Presse gewarnt wurden, gar nicht erst den Versuch zu unternehmen, einen Blick in das innere der Lager zu erhaschen, und dass jeder erschossen werde, der die Lagerzäune und -mauern zu überklettern versuchte, verstärkte nur die allgemeine Angst und Furcht, die diese Greuelgeschichten auslösten" (Evans 2006a: 118).

Gestapo

"Nirgendwo trat der nationalsozialistische Terror deutlicher in Erscheinung als in der schnell zunehmenden Macht und dem furchteinflößenden Ruf der Gestapo. Die Rolle der Polizei bei der Verfolgung und Festnahme politischer und anderer 'Straftäter' war für den Unterdrückungsapparat des Regimes bedeutsamer geworden, nachdem die erste Welle der Massengewalt durch die SA abgeebbt war. Insbesondere die Gestapo erwarb sich innerhalb kurzer Zeit einen fast mythischen Ruf als ein allsehender, allwissender Arm der Staatssicherheit und der Strafverfolgung (...) Auf der Grundlage der sehr ausführlichen Karteien über Kommunisten und ihre Sympathisanten (..) verfolgte die Gestapo das Ziel, ein umfassendes Register der 'Staatsfeinde' zu führen (...). In den meisten Fällen stammten Informationen (...) von Kommunisten oder Sozialdemokraten, die unter der Folter zusammengebrochen waren" (Evans 2006a: 119-123).

Wo es hingegen um politische Witze oder beiläufige Bemerkungen ging, erhielt die Gestapo ihre Informationen von Parteimitgliedern oder aus der Bevölkerung. "Die ständig lauernde Gefahr, wegen einer unbedachten Äußerung an einem öffentlichen Ort denunziert zu werden, verbreitete ein allgemeines Klima der Angst und Furcht in der Bevölkerung (...) Es kam nicht darauf an, ob tatsächlich überall Spitzel waren, sondern darauf, dass die Menschen dies glaubten" (Evans 2006a: 130).

Einschüchterung bei Abstimmungen

In den Wahllokalen bei der Volksbefragung vom 19.08.1934 zur Absegnung der Selbsternennung Hitlers zum Staatsoberhaupt befanden sich uniformierte SA-Leute, die eine Terror-Atmosphäre schufen. Vielerorts hatte man die Wahlkabinen entfernt oder der Zugang zu ihnen war durch SA-Leute versperrt oder es befanden sich Plakate darauf ("Hier hinein gehen nur Landesverräter").

Polymorphes allumfassendes Kontrollsystem

Im NS-Staat drohten jedem Folter, Zuchthaus, Lager oder gar der Tod, "der es wagen sollte, auch nur die leiseste Kritik am Regime und seinen Führern zu äußern. Die Menschen, die eine solche Repression billigten, waren aller Wahrscheinlichkeit nach eine Minderheit, aktive Anhänger und Funktionäre der NSDAP wie die Blockwarte und ein beträchtliche Zahl bürgerlicher, konservativer Deutscher, in deren Augen die Marxisten ohnedies ins Gefängnis gehörten. Doch selbst sie wußten nur zu gut, dass sie aufpassen mussten, was sie sagten und taten (...) Es war keineswegs so, dass der nationalsozialistische Terror sich ausschließlich gegen kleine und verachtete minderheiten gerichtet hätte; die Drohung einer Verhaftung, eines Gerichtsverfahrens und einer Haftstrafe unter zunehmend brutalen und gewalttätigen Umständen schwebte im Dritten Reich über jedem, sogar - wie wir an den Fällen gesehen haben, die vor ein Sondergericht kamen - über den Mitgliedern der NSDAP selbst (...) Angst und Terror gehörten von Anfang an zum festen Bestand des politischen Waffenarsenals des Nationalsozialismus" (Evans 2006a: 143-145). Zur Gestapo "kamen SA und SS, die Kriminalpolizei, der Strafvollzug in Zuchthäusern und Gefängnissen, die Fürsorge- und Arbeitsämter, die medizinischen Berufe, Ärzte- und Krankenhäuser, die Hitlerjugend und die Blockwarte und selbst scheinbar politisch neutrale Institutionen wie die Finanzämter,die Reichsbahn und die Reichspost. Sie alle lieferten der Gestapo, den Gerichten und den Strafverfolgunsgbehörden Informationen über Nonkonformisten und Regimekritiker und bildeten ein polymorphes, unkoordiniertes, aber alles erfassendes System der Kontrolle (...) Was immer im Dritten Reich passierte, fand in dieser alles beherrschenden Atmosphäre von Angst und Terror statt, die nie nachließ und zum Ende hin ihre Intensität sogar noch verstärkte" (Evans 2006a: 145f.).

Nach 1945

Bis 1999

Ab 2000

NSU

Nationalsozialistischer Untergrund

Literatur

  • Evans, Richard (2006a) Das Dritte Reich. Band II/1 Diktatur. München: DVA.

Weblinks