Mit Terroristen verhandeln

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In vielen Staaten der Welt ist es offizielle Linie der Politik, Verhandlungen mit Terroristen abzulehnen. Zumindest im Hinblick auf grenzüberschreitende Konflikte ist das eine Ausnahme vom allgemeinen völkerrechtlichen Prinzip, dass der Suche nach friedlichen Konfliktlösungsmöglichkeiten Vorrang vor der Anwendung von Gewalt einzuräumen ist.

Das Hauptargument gegen Verhandlungen ist ihre Sinnlosigkeit: durch Verhandlungen würden Terroristen letztlich nur ermuntert, ihre Erpressungsversuche gegenüber Staatsführungen fortzusetzen. Deshalb könnte eine Ausnahme vom Vorrang der Gewaltlosigkeit hier begründet sein.

Der Satz "Mit Terroristen verhandelt man nicht" ist aber nicht nur politische Linie verschiedener Staatsführungen, sondern ist auch ein Prinzip mit dem Anspruch allgemeiner Geltung - man kann sagen: eine Doktrin, von der abzuweichen den Verlust von internationalem Ansehen oder gar Sanktionierungen bedeuten kann. Die Doktrin des Verhandlungsverbots kann dritten Parteien schon überall dort mit Verhinderungsmacht ins Spiel gebracht werden, wo Parteien in einem terroristischen Konflikt die Chancen einer friedlichen Beendigung des Kreislaufs von Gewalt und Gegengewalt auszuloten beginnen.

Ob eine solche Verhinderung des Auslotens von Verhandlungsbereitschaft rational ist, indem sie untauglichen Versuchen frühzeitig einen Riegel vorschiebt - oder aber irrational, weil sie damit auch echte Gelegenheiten für die Vermeidung weiterer Opfer und politischer Instabilitäten ungenutzt verstreichen lässt, hängt davon ab, ob die Begründungen, auf denen die Doktrin des Verhandlungsverbot aufruht, sich als empirisch stichhaltig erweisen.

Angesichts der praktischen Bedeutung dieser Frage - und angesichts der beeindruckenden Flut von Forschungen über den Terrorismus seit dem Aufkommen des islamistischen Terrorismus - verblüfft das geringe Interesse, das die Wissenschaft bislang der empirischen Überprüfung der Prämissen des Verhandlungsverbots entgegengebracht hat.


Das Verhandlungsverbot

Die Doktrin

Das Verhandlungsverbot geht über die bloß situativ bestimmte Verweigerung von Verhandlungen mit Terroristen hinaus. Beruht diese vor allem auf der Erwartung, das Problem angesichts klarer Machtverhältnisse über kurz oder lang durch die Festnahme oder sonstige Unschädlichmachung der Akteure auch ohne Verhandlungen lösen zu können, verlangt jenes einen wesentlich höheren Begründungsaufwand: man soll mit Terroristen auch dann und aus prinzipiellen Gründen nicht verhandeln, wenn es in einer Situation so aussieht, als könne man womöglich nur auf diesem Wege gewisse Erfolge erzielen - wie etwa das Leben von Geiseln zu retten, die sich in der Gewalt von Terroristen befinden. Das Verhandlungsverbot ist also ein präskriptiver Satz, der ein Prinzip beinhaltet, das auch dann Befolgung verlangt, wenn dies die Inkaufnahme erheblicher Nachteile bedeutet.

Die für das Verhandlungsverbot angeführten Begründungen lassen sich in der Terminologie von Max Weber in zwei Gruppen unterteilen: in solche wertrationaler und in solche zweckrationaler Art. Zweckrationale Argumente behaupten eine mangelnde Eignung von Verhandlungen zur Erreichung des Ziels der Gewaltbeendigung. Verhandlungen würden Terroristen Anerkennung, Legitimität und erhöhtes Selbstvertrauen verschaffen und nicht nur sie selbst zu verstärkten Gewalthandlungen ermuntern, sondern darüber hinaus auch noch solche politischen Akteure, die bislang noch nicht terroristisch in Erscheinung getreten seien, sich aber nun angesichts der Aussicht auf Anerkennung ermuntert sehen könnten, ihren Anliegen ebenfalls mit Waffengewalt Nachdruck zu verleihen. Gelegentlich wird in diesem Zusammenhang betont, dass es ein fataler Irrtum sei, sich Terroristen als rationale Akteure vorzustellen, die tatsächlich ein Interesse an der Erreichung politischer Ziele hätten. Es handele sich um irrationale Akteure in dem Sinne, dass bei ihnen das, was als Mittel erscheine oder ausgegeben werde (die gewaltförmige Zerstörung) in Wirklichkeit auch das Ziel ihres Tuns darstelle: wo es aber jenseits der Lust an der Zerstörung keine wirklichen politischen Ziele gebe, da sei für normale Politik im Sinne rationaler Angebote, kluger Verhandlungsstrategien, tragfähiger Abmachungen über Kompromisslösungen und so weiter kein Raum.

Als wertrational lassen sich diejenigen Argumente bezeichnen, die der Überzeugung Ausdruck verleihen, dass Verhandlungen mit Terroristen im Widerspruch zu hohen Werten stünden, die in dem Gemeinwesen allgemeine Anerkennung genössen oder verdienten. Sie stünden etwa im Widerspruch zum Kern dessen, was die Selbstachtung eines Gemeinwesens und damit seine moralische Identität ausmache: wer sich mit moralisch disqualifizierten Akteuren an einen Tisch setze, gebe selbst den Anspruch auf die Wahrung ethischer Mindeststandards auf und verletze damit selbst die hohen Werte, um deren Erhaltung und Verteidigung es einem politischen Gemeinwesen doch gerade gehen müsse.

In der politischen Rhetorik beruht die postulierte Geltung des allgemeinen und prinzipiellen Verhandlungsverbots auf der Kombination von zweck- und wertrationalen Argumenten. Die Behauptung lautet, dass Verhandlungen sowohl ungeeignet seien, um Frieden zu schaffen, als auch eine Verletzung geltender Werte und ethischer Maximen darstellten.

Beispiele

  • Kolumbien: ab 8.10.2012 stehen neue Verhandlungen zwischen Farc und Regierung auf der Tagesordnung: zunächst in Oslo, dann Havanna. Die Farc verlangt eine Verfassungsänderung in Kolumbien mit dem Ziel, dass Kolumbien keine eigenen Staatsangehörigen (wegen Drogenhandelsvorwürfen) an die USA mehr ausliefern darf. Josef Oehrlein (2012) schreibt zu den geplanten Verhandlungen:
Die Guerrilla dürfte auch in Oslo versuchen, sich als Opfer darzustellen, die von ihr begangenen Verbrechen als „unvermeidliche“ Kriegshandlungen erscheinen zu lassen und die Schuld an dem Konflikt dem kolumbianischen Staat und dessen Sicherheitskräften anzulasten. Außerdem ist sie bestrebt, sich als politische Kraft zu präsentieren, die nur das Beste für das Land gewollt habe. Tatsächlich war sie jedoch von dem Augenblick an, als sie sich zur Finanzierung ihrer Umtriebe mit dem illegalen Rauschgifthandel als schier unerschöpflicher Geldquelle verbündete, in das Milieu der gemeinen Bandenkriminalität abgedriftet. Das unterscheidet die Farc von früheren kolumbianischen Guerrilla-Organisationen wie etwa der M-19 (...) Die amerikanische Justiz wird den Häftling Simón Trinidad gewiss nicht zu den Gesprächen reisen lassen. In Bogotá wird nun darüber diskutiert, ob ein Kompromiss darin bestehen könne, den verurteilten Guerrillero per Videokonferenz an den Gesprächen zu beteiligen. Die übrigen von den Farc bisher für den Dialog benannten Vertreter der Guerrilla waren bereits an früheren Friedensgesprächen beteiligt, wie etwa Andrés Paris (Jesús Emilio Carvajalino), der zu den Farc-Vertretern bei den gescheiterten Verhandlungen von 1998 bis 2002 unter dem damaligen Präsidenten Andrés Pastrana zählte, oder Marco León Calarcá, der nun zum vierten Mal an derartigen Gesprächen teilnimmt. Andere Farc-Vertreter wie Rodrigo Granda, Rubén Zahamora oder Hermes Aguilar gehören zur „politischen“ Fraktion der Guerrilla-Organisation oder sind früher als Emissäre der Farc international in Erscheinung getreten.
  • Russland 2011: Unter der Überschrift "Putin lehnt Verhandlungen mit Terroristen ab" berichtete die ZEIT (online) am 26.01.2011, dass Russland trotz seiner Probleme, den Terror in den Griff zu bekommen, nach dem Anschlag auf den Moskauer Flughafen Domodjedowo auf keinen Fall auf die Hintermänner zugehen wolle: "Es sei eine Frage der Selbstachtung eines Landes und 'internationale Praxis', sich auf solche Gespräche nicht einzulassen, sagte Putin nach Angaben der Agentur Interfax. 'Versuche solcher Verhandlungen mit Extremisten und Terroristen Anfang der neunziger Jahre führten uns in den ersten und zweiten Tschetschenien-Krieg.' Putin hatte am Vortag mit Rache für den jüngsten Anschlag gedroht. Jedes Zugehen auf die Extremisten erzeuge neue Aggression und in der Folge noch höhere Opferzahlen, sagte der Regierungschef" [1]. - Den zustimmenden Leser-Meinungen auf dieser Internetseite war gemeinsam, dass sie Verhandlungen aufgrund des Fanatismus und der Irrationalität der Terroristen für zwecklos und angesichts des menschenverachtenden Charakters ihrer Taten für unethisch hielten. Sie fragen z.B.: "Wie geht man auf Leute zu, deren erklärtes, unverhandelbares Ziel ein Gottesstaat ist, in dem ein paar vollbärtige Fanatiker den Rest der Bevölkerung unter Berufung auf einen Gott drangsalieren dürfen? Antwort erbeten von der ZEIT Redaktion, der dazu (bestimmt!) ein praktikabler Weg einfällt." - Oder: "Und wenn Leute solche unmenschlichen Terrorakte gegen Zivilisten verbrechen, mit welcher Moral sollen sie auch noch als Verhandlungs'partner' angesprochen werden? Mit solchen Leuten zu verhandeln, ist noch törichter als die Versuche Chamberlains, Hitler zu befrieden. Und die Verantwortlichen für diese Terroranschläge haben ein nicht weniger unmenschliches Weltbild wie die Faschisten vor 70 Jahren" [2].
  • Deutschland 1977: Anders als bei der Entführung von Peter Lorenz im Jahre 1975 war die Bundesregierung bei der Entführung von Hanns-Martin Schleyer nicht mehr zu irgendwelchen Verhandlungen - außer Scheinverhandlungen, die nur dazu dienten, Zeit zu gewinnen - nicht mehr bereit. Der "Deutsche Herbst" gilt als Geburtsstunde des Prinzips der deutschen Politik, sich künftig nicht mehr erpressen zu lassen und keinerlei Verhandlungen mit Terroristen aufzunehmen. Von Bundeskanzler Helmut Schmidt wird in verschiedenen Formulierungen die Devise überliefert, dass man mit Terroristen nicht zu verhandeln habe ("Mit Terroristen ist nicht zu verhandeln"; "Mit Terroristen wird nicht verhandelt"; "Mit Terroristen verhandelt man nicht"). Das Ehepaar Loki und Helmut Schmidt hinterlegte während dieser Zeit beim Bundespräsidenten eine Erklärung, dass - wenn einer oder beide entführt werden sollten - keinerlei Verhandlungen mit den Terroristen zu führen seien. (Dreißig Jahre nach dem "Deutschen Herbst" nahm der damalige Regierungssprecher Klaus Bölling persönlich eine etwas differenziertere Haltung ein. In einem Interview mit der Tageszeitung "Die Welt" erklärte er: "Man muss Geiselnehmer gegenüber selbstverständlich Härte zeigen. Aber diese Härte ist kein absoluter Wert. Man muss verhandeln bis zum letzten Augenblick. Es gibt keinen Königsweg. Die Kernfrage bleibt: Was ist dem Staat ein Menschenleben wert? Es kann durchaus auch humanitär sein, Lösegeld zu zahlen", Quelle: Klaus Böllings Lehren aus dem Deutschen Herbst. Welt Online 18.10.2007 [[3]]).
  • USA 2006: Als Osama bin Laden einen dauerhaften Waffenstillstand anbot, ließ die US-Regierung über ihren Sprecher Scott McClellan am 19.01.2006 erklären: "We don't negotiate with terrorists. We put them out of business" ("Wir verhandeln nicht mit Terroristen. Wir legen ihnen das Handwerk." [[4]] [[5]]).

Seine Zweckrationalität

Spezialprävention

Das Argument der Ermunterung der Täter zu weiteren Verbrechen. - Nicht die Tatsache, sondern das Ergebnis von Verhandlungen ist entscheidend.


Generalprävention

Das Argument der Ermunterung anderer potentieller Akteure, ihre Ziele mit terroristischen Mitteln zu verfolgen. - Das Gegenargument der Modellwirkung ("Ansteckungswirkung") friedlicher Beendigung terroristischer Konflikte. Das Gegenargument, dass die befürchtete Wirkung empirisch noch nicht nachgewiesen wurde, etwa in Nordirland. Oder im Fall mittelamerikanischer Friedensschlüsse.

Fehlende Voraussetzungen bei terroristischen Akteuren

Rationalität

"Ist es überhaupt möglich, mit Terroristen zu verhandeln?"

Wenn Terroristen sich anthropologisch von anderen Akteuren so unterscheiden, dass sie im Gegensatz zu diesen emotional und psychisch nicht in der Lage sind, auf rationale Argumente einzugehen, dann ist es unmöglich, mit ihnen in Verhandlungen einzutreten.

Manche Autoren sehen Terroristen als Menschen an, die aufgrund ideologischer Verblendung und/oder erheblicher psychischer Defizite nicht zu vertrauenswürdigen Absprachen fähig seien und damit als Verhandlungspartner nicht in Frage kommen. Terrorismus beruhe nicht auf politischen Strategien, sondern auf Größenwahn und Lust an der Gewalt (Grossarth-Maticek; Lombroso).

Wer von blindem Hass beseelt und/oder psychisch bis zur völligen Unberechenbarkeit derangiert ist, bei dem fehlt es an den Mindestvoraussetzungen für ernsthafte Gespräche. Die terroristischen Akte religiös motivierter Gruppen im Nahen Osten und anderswo werden gelegentlich als pathologischer Ausdruck solcher Defizite angesehen - und sind dann "keine Handlungen, bei denen wir uns darüber verständigen könnten, wie ihre Komponenten nach Absichten, Zwecken und Mitteln sortiert und so nach unseren Konventionen verständlich gemacht werden könnten" (Reemtsma 2002). Es ist eine Lebensform, bei der die Terroristen sich selbst narzisstisch aufwerten, indem sie den Anderen völlig zerstören. Eine anti-soziale, eine anti-menschliche Lebensform, der man mit Verhandlungen nicht beikommen kann. Es handelt sich bei einem solchen Gegenüber nicht um eine rechtliche Person, sondern um eine Art gefährliches Individuum, das nicht über den Appell an sein Eigeninteresse und seine Erkenntnisfähigkeit beeinflussbar ist, sondern wie eine unpersönliche Gefahrenquelle (ein wildes Tier; eine scharfe Bombe) unschädlich gemacht werden muss.


  • Seitens der Terroristen: Auch rationale Akteure können Ziele von epochaler Reichweite jenseits all dessen verfolgen, was ihnen Verhandlungen bringen könnten. In so einem Fall scheitert die Möglichkeit von Verhandlungen am fehlenden Interesse der Terroristen. Sollten sie wider Erwarten gleichwohl positiv auf Anregungen zu Verhandlungen reagieren, so ist nicht auszuschließen, dass sie nur zum Schein verhandeln, ihre Gesprächspartner aber in eine Falle locken wollen.
  • Seitens der Gegenseite: Greenway (2006) spricht von "chosen trauma" als einem Hindernis auf dem Weg zu Verhandlungen. Jede Seite tendiert dazu, ihre Identität und die Legitimität ihrer Forderungen an einem historischen Datum festzumachen - einem gewählten Trauma - das unter dem Leitmotiv "niemals vergessen" (und niemals vergeben) steht und als selbst hergerollter Felsblock den Weg zur Verständigung versperrt. Für Iran war es die Tötung von Mossadegh, für die USA war es die Geiselnahme in der Botschaft.

Nach einer Ansicht sind Terroristen ebenso kommunikations- und einsichtsfähig wie andere Menschen auch. Braithwaite spricht von mehreren Persönlichkeiten innerhalb einer jeden Person und von der Bedeutung, sich zu der responsiven Persönlichkeit Zugang zu verschaffen.

Auch die Frage der Reichweite der politischen Ziele der Terroristen ist keine statische Variable: Reichweiten können sich ändern und ändern sich erfahrungsgemäß auch unter den Bedingungen attraktiver Kommunikationsangebote. Beispiel dafür ist die IRA in Nordirland.

Andererseits ist die Suche nach Regelmäßigkeiten im historischen Verlauf interessant: "Unter welchen Bedingungen kam es in der Vergangenheit zu erfolgreichen/erfolglosen Verhandlungen in terroristischen Konflikten?"

Praktische Gesichtspunkte. Nuklearer (massiver/katastrophischer) Terrorismus Gesprächsbereitschaft ist nicht prinzipiell vorhanden oder nicht vorhanden, sondern ist das Produkt eines interaktiven Kommunikationsprozesses.

Die Zugänglichkeit für Verhandlungen. Problem psychischer Defizite und zu weitreichender Forderungen.

Verlässlichkeit - Rückhalt der Verhandlungspartner; Zuverlässigkeit ihrer Zusagen

Vertrauenswürdigkeit

Seine Wertrationalität

Zur moralischen Distanz der Konfliktparteien

Die Behauptung

Die Frage der Rechtfertigung: "Ist es zu rechtfertigen, mit Gegnern zu verhandeln, zu deren Strategie die vorsätzliche Tötung Unschuldiger gehört?" Welche Gesichtspunkte können Recht, Religion und Ethik hier zur Verfügung stellen? Verbietet nicht die Selbstachtung jeden verhandlungsmäßigen Kontakt mit Personen, die sich durch ihre Handlungen selbst außerhalb jeder menschlichen Gemeinschaft gestellt haben (hostis gentium), die gewissermaßen durch ihre eigenen Taten "vogelfrei" geworden sind (homo sacer)? Können Scheinverhandlungen mit dem Ziel der Überwältigung zu rechtfertigen sein? Darf man mit Terroristen verhandeln, obwohl sie zur Erreichung ihrer politischen Ziele systematisch unschuldige Menschen töten? Darf man sie durch betrügerische Scheinverhandlungen überlisten? Gesinnungsethik: mit so jemandem verhandelt man nicht. Friedrich Kurz erlebte 1972 als Manager der US-Mannschaft in München als einer der ersten vor Ort das Massaker, das palästinensische Terroristen unter israelischen Sportlern anrichteten - das Erlebnis bestärkte ihn "auch heute noch angesichts des Kriegs im Nahen Osten in der Überzeugung ...: 'Mit Terroristen darf man nicht verhandeln' (Mockler 2006).

"Terroristen haben nichts anderes verdient als erbarmungslose Militärschläge. Die Amerikaner müssen endlich zeigen das sie der Chef im Irak sind, genauso wie sie es nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland gemacht haben. Militärgerichte müssen gegen Terroristen ohne Ausnahme die Todesstrafe verhängen und relativ schnell ausführen. Wer Geiseln vor laufenden Kameras tötet glaubt nicht an Gott oder an Allah sondern ist nur ein feiger Mörder der sich nicht einmal traut ohne vermummtes Gesicht seine Taten zu rechtfertigen. Solche Terroristen wie Al-Sadr müssen gefasst werden und ihrer gerechten Strafe zugeführt werden. Vielleicht muss auch wieder verstärkt bombardiert werden um dem Wahnsinn seine Grenzen aufzuzeigen. Fakt ist für mich jedenfalls eines: Mit radikalen Geistlichen oder mit Terroristen darf man nicht verhandeln und man darf sie auch nicht an eventuellen Regierungsbildungen beteiligen"(Meier)

Das Konstrukt

Der Gedanke an Verhandlungen als Reaktion auf Terrorismus wirft zumindest drei Fragen auf - die Fragen nämlich, ob (bzw. unter welchen Umständen) Verhandlungen

  • überhaupt möglich sind
  • sich moralisch rechtfertigen lassen und/oder
  • sogar eine moralische Verpflichtung darstellen können.

In Mosambik transformierte sich die Resistencia Nacional Mozambicana in eine politische Partei.

  • Kolumbien

Verpflichtung zu Verhandlungen?

Verhandeln kann eine Pflicht sein, wenn es Prinzipien gibt, auf die sich eine solche Pflicht gründen lässt.

Eine Verpflichtung könnte sich aus dem Rechtsgedanken des § 323c (Unterlassene Hilfeleistung) ergeben.

Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Eine Verpflichtung könnte sich aus dem Gedanken der Garantenstellung aus vorangegangenem Tun ergeben: Ingerenz (lat. ingerere, „sich einmischen“) ist ein Verhalten, durch das eine Gefahr geschaffen wird und das zur Abwendung gerade dieser Gefahr verpflichtet. Die Ingerenz ist damit eine mögliche Begründung für das Bestehen einer Garantenpflicht. Die Gefahr bezieht sich dabei auf Rechtsgüter anderer, beispielsweise das Leben oder Vermögen. In der Rechtswissenschaft spielt der Begriff insbesondere im Strafrecht bei der Strafbarkeit wegen Unterlassens eine Rolle. Zur Strafbarkeit führt die Ingerenz jedoch nur, wenn sich die Gefahr auch tatsächlich verwirklicht (Ausnahme evtl. Gefährdungsdelikt). Umstritten ist, ob die Verpflichtung zur Gefahrenabwehr nur entsteht, wenn die Gefahrschaffung pflichtwidrig (rechtswidrig) ist. Zwar wird in Teilen der Literatur vertreten, dass jedermann zur Abwehr von Rechtsgutbeeinträchtigungen verpflichtet ist, der ein Risiko dazu gesetzt hat. Weil dies jedoch lediglich die bloße Risikosetzung unter Strafe stellt, wird dies heute größtenteils abgelehnt. Stattdessen wird vertreten, dass nur eine Pflichtwidrigkeit, die eine nachweisbare spezifische Ursache für die Rechtsgutverletzung darstellt, Ingerenz begründen kann. Der Bundesgerichtshof vertritt hingegen die Auffassung, dass es auf die Qualität der Pflichtwidrigkeit nicht ankomme. Vielmehr löse jedes pflichtwidrige Vorverhalten eine Garantenstellung aus, da es ja lediglich darum gehe, die Sonderstellung des Täters festzustellen. Häufig erschöpft sich die Ingerenz jedoch nicht in der Schaffung einer Gefahrenlage, sondern ist schon selbst eine Schädigung der Rechtsgüter eines anderen. Beispiel: Wer einen anderen fahrlässig verletzt (§ 229 StGB), beispielsweise weil er sich beim Fahren über die Verkehrsregeln hinwegsetzt, muss dem Verletzten helfen, um sich nicht strafbar zu machen. Für den Unfallverursacher gilt dabei eine besondere Pflicht zur Gefahrenabwendung aus Ingerenz, weil er das Unfallopfer durch sein pflichtwidriges Vorverhalten erst in die Gefahr des Todes gebracht hat. Stirbt der Verletzte, kann dies daher eine Strafbarkeit wegen Totschlags durch Unterlassen bedeuten. Fuhr der Unfallverursacher ohne Hilfeleistung weiter um sich einer möglichen Bestrafung wegen fahrlässiger Körperverletzung/Tötung zu entziehen, so kommt sogar ein Mord (Verdeckungsabsicht) durch Unterlassen in Betracht. Am Unfall nicht Beteiligte können sich in jedem Fall der unterlassenen Hilfeleistung schuldig machen, wenn sie dem Geschädigten die mögliche und erforderliche Hilfe verweigern.

Die Frage der Verpflichtung: "Gibt es Situationen, in denen sogar eine Verpflichtung bestehen kann, mit Terroristen zu verhandeln?" Kann zum Beispiel die Verantwortung für die Sicherheit der Bevölkerung eine solche moralische Pflicht entstehen lassen, sich mit Terroristen an einen Tisch zu setzen? Menschliche Sicherheit. Kann man der Verpflichtung durch die fälschliche Behauptung der Unmöglichkeit von Verhandlungen entgehen? Verantwortungsethik "Soft power" (Joseph Nye, Vordenker des Council on Foreign Relations) - das könnte helfen. Czempiel.

Literatur

  • Katz, Jack (1988) Seductions of Crime. New York: Basic Books.

Weblinks

In June, a 27-year-old German held hostage by Islamic State fighters was released after Berlin reportedly made a deal with the group. According to German newspaper die Welt am Sonntag, "something was given in return for his release".