Der Begriff der Mimikry, der zunächst (1861) beim Insektenforscher Henry Walter Bates Ähnlichkeiten im äußeren Erscheinungsbild zwischen nicht verwandten Arten bezeichnete, die dem Schutz des nachahmenden Tieres vor Fressfeinden (eben durch Anähnelung im Erscheinungsbild an eine vom Räuber verschmähte Art) dienten, wurde später auch auf das absichtliche Tarnverhalten von Menschen bezogen, die sich absichtlich zum Schein ihrer Umgebung anpassten, in Wirklichkeit aber weiter ihre eigenen, der Umwelt entgegengesetzten Interessen verfolgten.

Juden

Theodor Herzl riet Juden von der Assimilation, die er als "jüdische Mimikry" beschrieb, ab. Und schon 1897 forderte Walther Rathenau, die Juden sollten sich "nicht im Sinne der 'mimicry' Darwins" an ihre Umgebung anpassen und "imitierte Germanen" werden, sondern "deutsch geartete und erzogene Juden" sein.

Eugen Dühring waren den Juden 1881 vor, durch Verschleierungs- und Manipulationsstrategien "in alle Canäle der Gesellschaft" einzudringen. Wie Hans Blüher ("Die Juden sind das einzige Volk, das Mimikry treibt"), so schrieb auch Alfred Rosenberg 1922 in einer frühen NS-Programmschrift von "jüdischer Mimikry", die es zu entlarven gelte.

Neue Rechte

Nach Brodkorb (2010) geht der politikwissenschaftliche und verfassungsschützerische Umgang mit der Neuen Rechten davon aus, sie betreibe Mimikry zur Tarnung ihrer wahren politischen Absichten. Dabei handele es sich "um eine argumentative Figur, die nicht widerlegt werden könne. Was immer der unter Verdacht stehende Autor schreibe, werde als Camouflage ausgelegt. Als der Publizist Karlheinz Weißmann 1986 von einem Konservatismus rechts der CDU Helmut Kohls sogar forderte, er müsse urteilsfähig sein, ob 'der politische Angriff oder die politische Mimikry gefordert ist', hatte er darum den von Extremismusforschern meistzitierten Satz der Neuen Rechten produziert. Die Bereitschaft zur Mimikry, hieß es bald, sei geradezu das eigentlich Neue an ihr. Ihre Texte müßten als Tarnungen dechiffriert werden. Man müsse in ihnen auch lesen, was gar nicht dastehe" (Kaube 2011).

Der Vorwurf, die Neue Rechte erscheine zwar bürgerlich, sei im Kern aber verfassungsfeindlich, ist dann nicht zu widerlegen - denn hinter allem, was sie tut und sagt, lässst sich der verborgene Faschismus vermuten ("reductio ad Hitlerum"; Leo Strauss). Der Begriff der Mimikry macht den Verdacht zum Prinzip und erspart vor allem empirsiche Belege.

Muslime

Eine Entsprechung im Anti-Islamismus: der Begriff der Takijja.

Literatur

  • Brodkorb, Mathias (2010) Vom Verstehen zum entlarven - über 'neu-rechte' und 'jüdische Mimikry" unter den Bedingungen politisierter Wissenschaft. In: Jahrbuch Extremismus & Demokratie, Band 22: 32-64.
  • Kaube, Jürgen (2011) Mimikry. FAZ 16.023.2011: N 3.