Der seelische Zustand von Schwermut und Traurigkeit, der als Melancholie bezeichnet wird, wenn er auf keinen keinen bestimmten Auslöser oder Anlass zurückgeht und laengere Zeit andauert, wurde von Sigmund Freud in dem Aufsatz Trauer und Melancholie (1917) analysiert.

Freud grenzte darin die Melancholie von der Trauer ab. Die Melancholie sei dadurch gekennzeichnet, dass die Herabsetzung des Selbstgefühls nicht durch die positive Trauerarbeit behoben werde:

„Die Melancholie ist seelisch ausgezeichnet durch eine tiefe schmerzliche Verstimmung, eine Aufhebung des Interesses für die Außenwelt, durch den Verlust der Liebesfähigkeit, durch die Hemmung jeder Leistung und die Herabsetzung des Selbstgefühls, die sich in Selbstvorwürfen und Selbstbeschimpfungen äußert und bis zur wahnhaften Erwartung der Strafe steigert.“

Diese selbstzerstörerischen Aspekte sah Freud als Ursache für die Suizidgefährdung der Melancholiker.

Zitate

aus: Freud, Das Ich und das Es (1923)

"Noch staerker ist der Eindruck, dass das Ueber-Ich das Bewusstsein an sich gerissen hat, bei de rMelancholie. Aber hier wagt das Ich keinen Einspruch, es bekennt sich schuldig und unterwirft sich den Strafen. wir verstehen diesen Unterschied. Bei der Zwangsneurose handelte es ich um anstoessige Regngen, die ausserhalb des Ichs geblieben sind; bei der Melancholie aber ist das Objekt, dem der Zorn des Ueber-Ichs gilt, durch Identifizierung ins Ich aufgenommen worden" (318).
"Die Frage (...) lautet: Wie geht es zu, dass das Ueber-Ich sich wesentlich als Schuldgefuehl (besser: als Kritik; Schuldgefuehl ist die dieser Kritik entsprechende Wahrnehmung im Ich) aeussert und dabei eine so ausserordentliche Haerte und Strenge gegen das Ich entfaltet? Wenden wir uns zunaechst zur Melancholie, so finden wir, dass das ueberstarke Ueber;Ich, welches das Bewusstsein an sich gerissen hat, gegen das Ich mit schonungsloser Heftigkeit wuetet, als ob es sich des ganzen im Individuum verfuegbaren Sadismus bemaechtigt haette. Nach unserer Auffassung des Sadismus wueden wir sagen, die destruktive Komponente habe sich im Ueber-Ich abgelagert und gegen das Ich gewendet. Was nun im Ueber-Ich herrsscht, ist wie eine Reinkultur des Todestriebes, und wirklich gelingt es diesem oft genug, das Ich in den Tod zu treiben, wenn das Ich sich nicht voher durch den Umschlag in Manie seiner Tyrannen erwehrt" (319 f.).

Literatur

  • Birgit Bressa: Melancholie. In: Gert Ueding (Hg.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Darmstadt: WBG 1992ff., Bd. 10 (2011), Sp. 669–687.
  • Robert Burton: Anatomie der Melancholie 1621. Deutsche Neuübersetzung mit einem Essay von Ulrich Horstmann. Eichborn, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-8218-4529-5.
  • Rene Derveaux: Melancholie im Kontext der Postmoderne. wvb, Berlin 2002, ISBN 3-932089-98-7.
  • László Földényi: Melancholie. Matthes & Seitz, München 1988, ISBN 3-88221-239-X.
  • Freud, Sigmund (1917) Trauer und Melancholie.
  • Freud, S.: (1923) Das Ich und das Es GW XIII, 237-289 (Studienausgabe Bd. III: 282-325)
  • Wolf Lepenies: Melancholie und Gesellschaft. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1969.
  • Melancholie. Genie und Wahnsinn in der Kunst. Katalog der Ausstellung in Paris und Berlin 2005/2006. ISBN 3-7757-1647-5.
  • Jean Starobinski: Die Melancholie im Spiegel. Baudelaire-Lektüren. Hanser Verlag, München 1992, ISBN 3-446-15983-5.



Weblinks

Grundlage dieses Beitrags: Melancholie in der de.wikipedia