Meineid

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Einen Meineid (vom mittelhochd. »mein«, d. h. falsch; lat. periurium) begeht, wer vorsätzlich unter Eid vor Gericht oder einer anderen zur Eidesabnahme berechtigten Stelle eine unrichtige Aussage macht. In Deutschland ist der Meineid ein Verbrechen, das gemäß § 154 StGB mit Freiheitsstrafe von einem bis zu 15 Jahren bedroht ist (in minder schweren Fällen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren).

Geschichte

Historisch schwankten die Sanktionsdrohungen beim Meineid zwischen (grundsätzlicher) Straflosigkeit im römischen Recht, Buße und Wergeld im Frühmittelalter und der Todesstrafe für den in der Kirche geleisteten Meineid (Lex Saxonum). Überwiegend konzentrierten sich die Sanktionen auf die Schwurfinger (und seltener auf die ganze Schwurhand).

Die Kapitularien der Karolingerzeit und der Sachsenspiegel (13. Jh.) sahen noch den Verlust der ganzen Hand, die Peinliche Gerichtsordnung (PGO) der Constitutio Criminalis Carolina (1532; CCC) in Art. 107 und 108 nur noch das Abhauen der beiden Schwurfinger und im 17. Jahrhundert den Verlust der vorderen Glieder der Schwurfinger vor.

In der Praxis wurde aber statt der im Gesetz vorgesehenen ordentlichen Strafe (poena ordinaria) oft auch eine andere, oft mildere Sanktion verhängt. Nach Eberhard Schmidt (1983: 151) war es gerade diese im 16. und 17. Jahrhundert besonders viel diskutierte Frage, "wann die Praxis an die im Gesetz festgesetzte poena ordinaria gebunden ist, unter welchen Voraussetzungen sie dagegen, den praktischen Bedürfnissen und Zeitanforderungen entsprechend, zur (keist milderen) poena extraordinaria greifen darf", die zur Ausdifferenzierung der juristischen Dogmatik im Bereich der Schuldgrade führte.

Später trat willkürliche Strafe an ihre Stelle (in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde der Meineid dann verstärkt als erschwerter Fall des Betrugs aufgefasst; so in Österreich 1787 ff.).

  • Rechtsgut: In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts werden, was den Grund der Strafbarkeit angeht, christliche Aspekte (= Missbrauch der Anrufung Gottes) zurückgedrängt und danach durch den Schutz der Allgemeinheit ersetzt (= Funktionsfähigkeit der Rechtspflege). Das 19. Jh. schränkt den Meineid auf den gerichtlichen Falscheid ein.
  • Feuerbach, Lehrbuch, § 422 (S. 396): nach altdeutschem Brauch ist die Strafe Abhauen der bei der Eidesleistung erhobenen Finger.
  • Meyers, Bd. 6 (nach 1904): eine falsche Aussage oder Versicherung, zu der man die Anrufung Gottes mißbraucht. Das kanonische Recht und das ältere deutsche Recht, namentlich die sogen. Carolina, die (Art. 107 u. 108) den M. mit Abhauen der Schwurfinger bestrafte, ja sogar noch das sächsische und thüringische Strafgesetzbuch behandelten die Tat als Religionsverbrechen, während das moderne Strafrecht den M. als Verbrechen gegen öffentliche Treue und Glauben auffaßt, so namentlich auch das deutsche Reichsstrafgesetzbuch, das den M. im Abschnitt 9 als besonderes Verbrechen abhandelt. Es begreift unter M. im allgemeinen den vorsätzlich falschen Parteieid im Zivilprozeß (M. im engern Sinne, Strafe Zuchthaus von 110 Jahren, § 153) und das vorsätzlich falsche beschworne Zeugnis und Gutachten (gleiche Strafe, bei schwerem Erfolg noch erhöht, § 154). Wissentlich falsche Versicherung an Eides Statt, d. h. falsches Handgelübde u. dgl., ist mit Gefängnis von 13 Jahren bedroht (§ 156). Während andre Gesetzgebungen immer Vorsätzlichkeit und Wissentlichkeit voraussetzen, kennt das Reichsstrafgesetzbuch auch den fahrlässigen Falscheid (§ 163, Gefängnis von einem Tag bis zu einem Jahr). Wohl zu scheiden von »Versicherung an Eides Statt« ist es, wenn gewisse Religionsgesetze die Ablegung eines Eides verbieten und die Gesetze den Religionsgenossen statt des Eides eine feierliche Beteurungsformel gestatten. Diese Beteurungen gelten dem Eid gleich, und ihre Falschheit wird als M. oder fahrlässiger Falscheid bestraft (§ 155). Das Reichsstrafgesetzbuch hat aber auch die unternommene Verleitung zum M. (§ 159) sowie die Verleitung zum Falscheid, bei dem der Schwörende in gutem Glauben eine unwahre Tatsache eidlich erhärtet (§ 160), als besondere Vergehen behandelt; die letztere dieser beiden Strafdrohungen unterliegt (nach v. Liszt u. a.) erheblichen Bedenken. Rechtzeitiger Widerruf bewirkt Strafermäßigung beim vorsätzlichen M. (§ 158), Strafaufhebung beim fahrlässigen Falscheid (§ 163). Andre Strafermäßigungsgründe stellt § 157 auf. Als eigentümliche Nebenstrafe beim M. findet sich (§ 161) die dauernde Unfähigkeit, als Zeuge oder Sachverständiger eidlich vernommen zu werden. Das österreichische Strafgesetzbuch (§ 199 a, 204) behandelt den M. als eine Art Betrug und bestraft denselben unter besonderer Berücksichtigung der rechtlichen Interessen, die durch den M. geschädigt wurden. Das beste Mittel, dem M. entgegenzutreten, ist die sparsamere Anwendung des Eides in eigner und fremder Sache sowie die Einführung einer feierlichen Form bei Abnehmung des Eides, wie sie früher üblich war; es sei denn, daß man die Lüge vor Gericht überhaupt unter Strafe stellt und den Eid ganz abschafft. Eine hierauf gerichtete Bewegung in Deutschland gewinnt mehr und mehr Anhänger. Vgl. Liszt, M. und falsches Zeugnis (Wien 1876) und Die falsche Aussage vor Gericht oder öffentlicher Behörde (Graz 1877); Binding, Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, besonderer Teil, Bd. 2, S. 128 bis 168 (Leipz. 1904).

Weblinks und Literatur

Literaturangaben: Kroeschell, DRG 1, 2; Hirzel, R., Der Eid, 1902, Neudruck 1966; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 9; Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und Bannleihe, 1960; Vormbaum, T., Eid, Meineid und Falschaussage, 1990; Ries, G., Zur Strafbarkeit des Meineids, Fs D. Medicus, 1999, 457
Die Karolina folgt in Art. 107 dem Standpunkte der süddeutschen Quellen. Sie bedroht denjenigen, "welcher vor Richter oder Gericht einen gelehrten Meineid schw"rt", zun"chst mit der Infamie, dann aber mit dem Verluste der Schwurfinger. "Wo aber einer durch seinen falschen Eid jemand zu peinlicher Strafe schw"re", soll Talion eintreten. Des falschen Zeugen gedenkt die PGO. in Art. 68 (ebenfalls Talion). Den Anstifter trifft dieselbe Strafe wie den Th"ter. Die weitere Entwicklung der Lehre im gemeinen Recht wie in der Landesgesetzgebung beruht vorzugsweise auf der wechselnden grunds"tzlichen Auffassung des Vergehens. Auf der einen Seite betrachtet man den Meineid als einen schweren Fall des Lasters der beleidigten g"ttlichen Majest"t (Preufsen 1620, B"hmer u. a.), auf der andern ("sterreich 1656, Koch u. a.) als einen Fall der F"lschung. Die Strafe der PGO (= CCC). wird schon im 17. Jahrhundert durch den Verlust der vordem Glieder der Schwurfinger ersetzt; sp"ter tritt willk"rliche Strafe an ihre Stelle. In der zweiten H"lfte des 18. Jahrhunderts gewinnt jene Ansicht den Sieg, welche den Meineid als einen erschwerten Fall des Betrages auffafst (so "sterreich 1787 bis zur Gegenwart, ALR. 1405; sp"ter insbesondere FeuerbacK). In unsenn Jahrhundert findet die von Mittermaitr 18 18 vertretene Ansicht, nach welcher der Meineid gegen "Treu und Glauben" gerichtet ist und somit der Gruppe der F"lschungs vergehen angeh"rt, ziemlich allgemeinen Beifall.