Mediation im Strafrecht

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Mediation ist ein internationales an Gewicht gewinnendes Konzept, das in allen gesellschaftlichen Bereichen mittlerweile zur Konfliktschlichtung eingesetzt wird. Auch im Strafrecht gewinnt der Einsatz von mediativen Strategien zunehmend an Bedeutung. In der strafrechtlichen Rechtsfolgenregelung hat sich jedoch im deutschsprachigen Raum der Begriff des Täter-Opfer Ausgleich, Wiedergutmachung oder Konfliktregelung eingebürgert. In ausländischen Strafrechtsordnungen findet sich jedoch der Begriff Mediation.

Begriffsklärung Mediation

Der Begriff hat seinen Ursprung im Lateinischen und bedeutet übersetzt „Vermittlung“. „Mediation, eine Eindeutschung des englischen Ausdrucks „mediation“, bezeichnet die Einschaltung eines – in der Regel neutralen – Dritten zur Vermittlung in Zwei –oder Mehrparteienkonflikten, ohne dass ihm eine Entscheidungsbefugnis zusteht.“ (Breidenbach 1997: 1)

Wiedergutmachung als grundlegendes Element menschlichen Verhaltens

Ethnologische Forschungen belegen, dass Konfliktschlichtung und Wiedergutmachung grundlegende Elemente menschlichen Verhaltens sind. Bereits in primitiven Gesellschaften bis hin zur heutigen modernen Gesellschaft erkannte man, dass Versöhnung das Mittel mit weitreichenden positiven Faktoren für die Gesellschaft ist und einen stabilisierenden Einfluss auf den Fortbestand der Gemeinschaft hat. (vgl. Rössner in: TOA SERVICE Büro, Fachtage 2007, S. 6)

Bedeutung der Mediation im Rahmen der historischen Entwicklung des Strafrechts

Restitution (Wiedergutmachung und Konfliktverarbeitung) finden sich bereits in frühen Gesetzessammlungen. Angefangen vom Codex Hamurabi (1700 v.Chr.), sowie im frühen jüdischen Recht, im römischen und germanischen Recht findet sich der Gedanke der Wiedergutmachung als ein wichtiges Element der historischen Strafrechtspflege. Im Gegensatz dazu war das Strafrechtssystem im Mittelalter geprägt durch die symbolische Macht des öffentlichen Strafrechts, das mit seinen Strafen die Opfer für den Verzicht auf private Konfliktlösungen entschädigen sollte. Selbst in der neuzeitlichen Entwicklung des deutschen Strafrechts im 19. Jahrhundert galt eine Strafrechtskonzeption, in der die Verhängung einer Strafe unabdingbar notwendig erschien, um Gerechtigkeit herzustellen. Erst ab den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts gewann das Institut der Mediation zunehmend an Bedeutung und fand den Einzug in das Strafrecht.

Mediation im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren

Ganz allgemein ist im Rahmen des Ermittlungsverfahrens der Einsatz von Mediation mit deren Streitschlichtungsfunktion innerhalb eines, vom Bundesgerichtshof sehr eng definierten Verständigungsspielraums (Urteil des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofes vom 28.08.1997, sowie der Entscheidung vom 01.07.1998) möglich und bejaht die Zulässigkeit von Vorgesprächen zwischen Staatsanwalt, Verteidigung und Gericht innerhalb eng gesetzter Vorgaben. In Orientierung an den Grundsätzen des BGH ist somit„ein verfahrenskonsensuales Verhandeln im Ermittlungsverfahren zulässig und mit Blick auf die gesetzgeberischen Bestrebungen auch wünschenswert“ (Huchel, in Handbuch Mediation, S. 1250). Die Vorteile einer solchen Mediation im Ermittlungsverfahren liegen auf Seiten der Staatsanwaltschaft in der dadurch möglichen Abkürzung der Verfahrensdauer (Verfahrensökonomie) und der möglichen Rechtsmittelreduzierung. Für den Beschuldigten kann eine konsensuale Verfahrenserledigung die psychischer Belastungen, wie sie ein langwieriges und im Ergebnis unsicheres Verfahren bedeuten, deutlich reduzieren. Sinnvolle Anwendungsbereiche für Mediation sind nach Huchel „vorwiegend Ermittlungsverfahren mit Betäubungsmittelbezug, Umweltdelikte und Wirtschafts- bzw. Steuerstraftaten größeren Umfangs“(Huchel 2002: 1250). Die Funktion des Mediators soll im Rahmen einer solchen Verfahrenerledigung ein Jurist mit Zusatzausbildung als Mediator übernehmen.

Der Täter-Opfer- Ausgleich oder Konfliktschlichtung im Strafrecht

Der Begriff Täter-Opfer Ausgleich steht explizit für Konfliktschlichtung im Strafrecht, ist aber etwas unglücklich gewählt, da er nicht die angestrebte neutrale Position zwischen Täter und Opfer verdeutlicht, sondern eine nicht beabsichtigte "Täternähe" suggeriert. Dieses Instrument der Mediation begründet sich in der Restorative Justice (was eine den sozialen Frieden und ausgleichende Gerechtigkeit „wiederherstellende“ Strafrechtspflege beinhaltet), mit dem Ziel einen allgemeinen persönlichen und sozialen Frieden zu erreichen. „Das Kernstück des Täter-Opfer-Ausgleichs liegt in der persönlichen Begegnung zwischen Opfer und Täter - sowie in der dann folgenden Auseinandersetzungen über diesen Konflikt“ (Kerner 2002: 1258). Damit ist er von einem reinen Schadenersatz oder einer materiellen Schadenswiedergutmachung abzugrenzen, bei denen dieser kommunikative Prozess fehlt. Der Täter Opfer Ausgleich ist auf materielle, wie auch immatrielle Vereinbarungen zwischen Täter und Opfer ausgerichtet, bei der Geschädigte und Beschuldigte die Gelegenheit haben die Straftat und ihre Folgen mit professioneller Unterstützung (i.d.R. haben die Vermittler eine sozialarbeiterische oder pädagogische Ausbildung, sowie eine Zusatzausbildung als Mediator) eigenverantwortlich zu bearbeiten, um eine Lösung des bestehenden Konfliktes zu erreichen und eine Wiedergutmachung anzustreben. Der Vermittlung im Rahmen eines Täter-Opfer Ausgleich stellt einen speziellen Teil der Mediation dar. Das Schlichtungsverfahren kann theoretisch von allen Verfahrensbeteiligten eingeleitet werden (sowohl vom Opfer bzw. dessen Anwalt als auch vom Täter bzw. dessen Verteidiger und von der Staatsanwaltschaft und dem Gericht) und in unterschiedlichen Phasen des Verfahrens erfolgen. In der Praxis erfolgt die überwiegende Anzahl der Aufträge jedoch durch die Staatsanwaltschaft oder das Gericht, die, je nach örtlichen Gegebenheiten, die damit befassten staatlichen Einrichtungen oder freien Träger beauftragen. Das Institut des Täter-Opfer Ausgleichs wurde zunächst im Jugendrecht installiert und nach den dort gewonnen positiven Erfahrungen hat sich der Gesetzgeber dazu entschlossen, den Täter-Opfer Ausgleich auch im Erwachsenenstrafrecht einzuführen.

Rechtliche Grundlagen der Mediation

Im Jugendstrafrecht

§ 10 JGG "Weisungen sind Gebote und Verbote welche die Lebensführung des Jugendlichen regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern sollen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Jugendlichen keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. Der Richter kann dem Jugendlichen insbesondere auferlegen, … 7. sich zu bemühen einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer Ausgleich)" (JGG (2002)§ 10).

Im allgemeinen Strafrecht

Im § 46a Nr. 1 StGB findet sich die zentrale Grundlage für die Durchführung eines Täter-Opfer Ausgleichs im allgemeinen Strafrechts. Hier wird auf die konstruktive Tatverarbeitung hingewiesen. In § 46a Nr. 2 StGB ist geregelt, dass die Rechtsfolgen des § 46 a StGB , die von Einstellung des Verfahrens über das Absehen von Strafe bis zur Strafmilderung reichen können, auch bei Leistung eines materiellen Schadensausgleich eintreten können. Nach § 153b StPO kann die Staatsanwaltschaft, mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständige Gericht das Verfahren bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen einstellen. Im Rahmen des § 56b Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB kann das Gericht dem Verurteilten die Auflage erteilen, eine Schadenswiedergutmachung zu leisten. Eine weitere Rechtsgrundlage findet sich in § 153 a Abs. 1 S. 2 Nr. 5 StPO mit der Möglichkeit einer Weisung an den Beschuldigten (Angeklagten) sich ernsthaft zu bemühen einen Ausgleich mit der verletzten Person zu erreichen, um die Tat wieder gutzumachen oder deren Wiedergutmachung anzustreben. Die Erfüllung der Wiedergutmachung führt zu einer Einstellung des Verfahrens. Für Inhaftierte ist in den länderspezifischen Strafvollzugsgesetzen geregelt, dass im Rahmen der Vollzugsplanung die Durchführung eines Täter-Opfer Ausgleich geprüft werden soll.

Einsatzmöglichkeiten des Täter-Opfer Ausgleichs

Täter-Opfer Ausgleich ist nicht möglich bei ungeklärter Täterschaft, opferlosen Delikten und Bagatelldelikten. Einsatzmöglichkeiten eines Täter-Opfer Ausgleich bieten sich bei Delikten wie Körperverletzung, Bedrohung, Beleidigung, Sachbeschädigung, Nötigung, Diebstahl und Betrug.Mediation im Strafrecht bietet sich an bei Konflikten im sozialen Nahraum (z.B. häuslicher Gewalt, Nachbarschaftskonflikte, Konflikte am Arbeitsplatz, Schule und bei Beziehungskonflikten) wie auch bei situativen Konflikten (z.B. Konflikte im Straßenverkehr, Konflikte bei Festen und Veranstaltungen). Grundsätzlich hängt die Durchführung eines erfolgreichen Täter-Opfer Ausgleichs nicht von Art und Schwere des Deliktes ab, sondern entscheidend ist die Bereitschaft der beteiligten Personen.

Das Prinzip Freiwilligkeit

Eine Besonderheit der Mediation beruht darauf, dass eine Einigung der Parteien auf der Grundlage der freiwilligen Teilnahme basiert. Durch die Einbettung des Täter-Opfer Ausgleich im Strafverfahren muss jedoch gesehen werden, dass die Beteiligten nicht völlig frei über diesen Konflikt und dessen Erledigung verfügen können. Aufgrund der Straftat finden sich im Hintergrung immer Zwangsmittel, die je nach Ergebnis des Täter-Opfer Ausgleichs auch aktiviert werden können. Die Verurteilung zu einem Täter-Opfer Ausgleich, als eine mögliche Sanktion im Jugendstrafrecht wird gerade im Hinblick auf das Freiwilligkeitsprinzip in der Fachöffentlichkeit auch kritisch gesehen. „Diese Variante (die Weisung sich um einen Täter-Opfer Ausgleich zu bemühen, Anm. der Verf.)gerät freilich in Konflikt mit dem Selbstverständnis des TOA als einer alternativen (relativ) freiwilligen Vereinbarung. Jedenfalls muss die Bereitschaft zum TOA bereits vor der Erteilung einer derartigen Weisung feststellbar sein“(Walter et al. 1997: 205)


Exemplarischer Prozessablauf eines Täter-Opfer Ausgleichsverfahrens

Das Täter-Opfer Ausgleichsverfahren beschränkt sich meistens auf zwei getrennte Vorgespräche mit den Streitparteien und einem ergänzenden gemeinsamen Ausgleichsgespräch. In bestimmten Fällen kann auch die Vermittlung auf Wunsch der Beteiligten ohne direkte Konfrontation im Ausgleichsgespräch stattfinden.

Kontaktaufnahme

Nach Eingang des Auftrags bei der Organisation, die die Schlichtung durchführt werden zunächst alle Beteiligten von dem Konfliktschlichtern schriftlich über den Täter-Opfer Ausgleich informiert und erhalten einen Terminvorschlag zu einem Vorgespräch.

Vorgespräch

Im Rahmen von getrennten Vorgesprächen (Opfer und Täter)geht es um folgende Inhalte: rechtliche Bedingungen, Informationen zum Ausgleichsverfahren, Aufzeigen möglicher Alternativen zum Täter-Opfer Ausgleich, Gespräch über das Tatgeschehen, dessen Ursache und Folgen, Vorbereitung eines möglichen Ausgleichsgesprächs und Abklärung von Befürchtungen und Erwartungen, Vorstellung einer möglichen Schadenswiedergutmachung, ggf. Vermittlung zu andern Beratungsstellen.

Ausgleichsgespräch

Das Ausgleichsgespräch wird gemeinsam mit Opfer und Täter geführt. Der Konfliktschlichter hat keine Entscheidungsbefugnis, sondern ist nur vermittelnd tätig. Das Gespräch beinhaltet: Klärung der Gesprächsvoraussetzungen (Regeln des Gesprächs), Schilderung des Konflikts aus Täter wie aus Opfer Sicht, Auseinandersetzung und emotionale Tataufarbeitung, Lösungsmöglichkeiten verhandeln, Verbindliche Vereinbarungen treffen, Zeit für Entscheidungen einräumen.

Verbindliche Vereinbarungen

Die Wiedergutmachungsvereinbarung wird konkret formuliert und schriftlich aufgesetzt. Der Konfliktschlichter prüft die Einhaltung der Vereinbarung.

Neue Perpektiven in der Strafrechtspflege durch den Einsatz von Mediation

Bedeutung für den Täter

Gerade im Jugendverfahren bedeutet die Durchführung des Täter-Opfer Ausgleich eine wichtige Maßnahme im Rahmen der Diversion, da auf der einen Seite durchaus die Normen verdeutlicht werden, aber daneben verhindert werden kann, dass Stigmatisierungen (wie z.B. bei einer Verurteilung) enstehen.

Bedeutung für das Opfer

In der Abkehr von der nur täterorientierten Sicht im Strafrecht finden die Forschungsergebnisse der Viktimologie Berücksichtigung. Das Opfer wird nicht mehr nur in einer passiven Rolle gesehen, sondern als mitbestimmendes Subjekt im Strafprozess anerkannt. Nicht die Interessen eines abstrakten Staates, sondern die konkreten Bedürfnisse des Geschädigten finden im Rahmen eines Mediationsverfahren Berücksichtigung.

Gesellschaftlicher Nutzen

Mediation mit dem Ziel der Wiederherstellung des Rechtsfriedens wird nicht mehr nur als staatliche Aufgabe gesehen, sondern als gemeinsame aktive Vereinbarung zwischen Täter und Gesellschaft.

Literaturverzeichnis

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