Medellin-Kartell

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Anfang der 80er bis Mitte der 90er Jahre galt das Medellin-Kartell neben dem Cali-Kartell als der weltweit größte Kokain-Exporteur. Die Entstehung des Kartells ist u.a. auf die rasant steigende Nachfrage nach Kokain in den USA Ende der 70er Jahre zurückzuführen.

Von der kolumbianischen Stadt Medellin aus wurden nach Aussagen der DEA bis zu 80% des US-Marktes und nach Darstellung des Time Magazins sogar 80% des Welthandels durch die Kokainlieferungen des Kartells versorgt.

Das Medellin-Kartell war keine straff geführte kriminelle Organisation, es handelte sich vielmehr um mehrere unabhängige Gruppierungen, die miteinander kooperierten, so gab es in Medellin an die 200 Gruppierungen, welche an gemeinsamen Gewinnen beteiligt waren. Auch wenn die hierarchische Organisation des Kartells nicht so klar geregelt war wie beispielsweise bei der sizilianischen Mafia, so galt doch Pablo Escobar als der eigentliche Führer des Kartells. Neben ihm waren die einflussreichsten Persönlichkeiten an der Spitze des Kartells u.a. Carlos Lehder, Gonzalo Rodriguez Gacha und die Ochoa-Familie.

Während seiner Wirkungszeit war das Kartell Drahtzieher zahleicher terroristischer Akte und Auftragsmorde, um die eigene Macht zu demonstrieren und die Vorherrschaft am Kokainmarkt zu sichern wurden gezielt Anschläge auf Politiker, Polizei und Geheimdienstmitarbeiter ausgeübt.[1]


Historische Entwicklung

Der Aufstieg des Medellin-Kartells war durch die starken sozialen Spannungen, großen Klassenunterschiede und die durch den anhaltenden Bürgerkrieg große Gewaltbereitschaft im Land mit bedingt. Noch in den 1970er Jahren besaß 20% der oligarchischen Oberschicht 70% der Rohstoffe Kolumbiens.[2]

"Kolumbien ist ein Land, das im 19. Jahrhundert stehengeblieben ist. Und es hat nach Brasilien die inegalitärste Gesellschaft Lateinamerikas, die elitärste, hierarchischste Gesellschaft mit den schärfsten Klassengegensätzen. Nur in der arabischen Monarchie gibt es eine so fantastische Machtkonzentration. Kolumbien ist ein Land, in dem es keine soziale Mobilität gibt. Der Drogenhandel ist vielleicht so etwas wie eine krankhafte Antwort auf eine allzu starre Struktur, denn er gibt den Leuten die Möglichkeit, die Etappen des sozialen Aufstiegs zu überspringen."

- Jorge Gaitán am 24. Oktober 1989 in Paris[3]

Große Teile der Bevölkerung sahen keine andere Möglichkeit ihren Lebensunterhalt zur verdienen und so den desolaten Lebensverhältnissen zu entfliehen, als sich einer der im Drogengeschäft agierenden Organisationen anzuschließen. Das Medellin-Kartell galt als zuverlässiger Arbeitgeber mit guten Verdienstmöglichkeiten auf einem Niveau das den unteren Schichten auf anderem Wege kaum zugänglich war.


Bonanza Marimbera

Bevor der Kokainhandel in Kolumbien an Bedeutung gewann, gab es bereits ein florierendes Geschäft mit der Produktion und dem Vertrieb von Marihuana in den 60er/70er Jahren. Während die Kolumbianer für den Anbau und die Weiterverarbeitung zuständig waren, brachten vornehmlich amerikanische Vietnamveteranen das Marihuana auf dem Luftwege in die USA. Der Vertrieb brachte den kolumbianischen Händlern den Wohlstand der bonanza marimbera ein, der sich in ihrem Lebensstil zeigte.[4]

Ende der 70er Jahre wurden auf Drängen der USA unter massivem militärischen Einsatz der kolumbianischen Regierung, der Großteil der Marihuanaplantagen in Kolumbien zerstört. Dies hatte zur Folge, dass sich der Anbau in die USA verlagerte und dies bedeutete das Ende der bonanza marimbera. So kam es, dass einige marimberos auf den Kokainhandel umstiegen.[5]


Hauptaktivitätszeit

Als der Kokain-Schmuggler Carlos Lehder 1978 die Bahamas-Insel Norman's Cay kaufte, um von dort den Drogenschmuggel in die USA zu organisieren, formierten Escobar, die Ochoa-Brüder Jorge und Juan, Gonzalo Rodríguez Gacha (auch bekannt als „der Mexikaner“) und Lehder selbst in und um Medellín ein Netzwerk, das als Infrastruktur für die gewinnträchtige Herstellung und den Handel mit Kokain diente. Medien prägten für dieses Netzwerk den Namen „Medellín-Kartell“. Die Mitglieder des Kartells organisierten den Kauf und Transport der Coca-Paste aus Bolivien und Peru, errichteten Labors zur Kokain-Veredelung und Landebahnen im Dschungel, die häufig über Tarnvorrichtungen und Technik zum Aufspüren von Radar-Flugzeugen der Anti-Drogenbehörden verfügten.[6]

Es gab zahlreiche Gruppen deren Mitglieder meistens Amerikaner, Europäer oder Kanadier waren und die im Auftrag des Kartells für den Transport des Kokains in die USA, Europa oder nach Kanda verantwortlich waren.

Der welweite Handel brachte dem Kartell zur Hochzeit Einnahmen von über 60 Millionen Dollar am Tag und so wurden die Einnahmen des Kartells Ende der 80er Jahre auf 25 bis 35 Milliarden Dollar jährlich geschätzt.[7]


Der Krieg mit der kolumbianischen Regierung

Bereits seit 1984 gingen zahlreiche Morde auf das Konto des Medellin-Kartells. Mit gezielten Anschlägen auf politische Schlüsselfiguren sollte die eigene Macht gestärkt werden. Als das Kartell am 18. August 1989 den führenden Präsidentschaftskandidaten Luis Carlos Galan ermorden ließ, erklärte es damit der kolumbianischen Regierung den Krieg. Die folgenden terroristischen Akte gegen Zivil- und Regierungsziele sollten den Druck auf die Behörden erhöhen und bewirken, dass die Auslieferung von Kartell-Mitgliedern an die USA verhindert wird.[8][9]

Von da an gingen die kolumbianischen Behörden gezielt gegen das Kartell vor und es wurden innerhalb weniger Tage 12.000 Kartell-Mitglieder verhaftet und Besitztümer beschlagnahmt. Doch die Antwort der Organisation ließ nicht lange auf sich warten und die Folge waren massive Gegenschläge, dies war der Beginn der Phase des "Narcoterrorismo".

Die Verhaftung, Auslieferung und Tötung von führenden Köpfen des Kartells, wie Gonzalo-Rodriguez-Gacha, schwächte die Organisation und der Krieg endete 1991 mit der Aufgabe von Pablo Escobar und den Ochoas.[10]

Dies bedeutete aber noch keineswegs einen Abbruch der Geschäfte, denn Escobar konnte aus dem eigens für ihn gebauten Gefängnis "El Catedral", weiterhin die Aktivitäten des Kartells leiten.

Das Ende des Kartells

Der Krieg mit den kolumbianischen Behörden, der seit 1989 den Einfluss des Kartells stark geschwächt hatte, leitete das Ende des Kartells ein.

Doch das endgültige Auseinanderbrechen des Kartells wurde mit der von Pablo Escobar beauftragten Tötung der Brüder Moncada und Galeano eingeleitet, die die Köpfe zweier Drogenhändlerfamilien des Medellin-Kartells waren. Escobar hatte Geldstreitigkeiten mit den beiden und ließ sie daher in sein Gefängnis kommen um sie dort töten zu lassen.

Infolge dessen gründeten ehemalige Mitglieder des Kartells und Paramilitärs die "Los Pepes", die der Organisation Escobars den Krieg erklärten.

Pablo Escobar der von nun an auf der Flucht vor befeindeten Gruppierungen und vor Regierung und Anti-Drogenbehörden war, wurde schließlich von der Spezialeinheit "Bloque de Busqueda" am 2. Dezember 1993 gestellt und auf der Flucht erschossen. Das bis dahin ohnehin durch Verhaftungen und Tötungen zahleicher Mitglieder geschwächte Medellin-Kartell, löste sich unter dem verschärften Druck von Staat und Polizei, nach dem Tod von Pablo Escobar auf.[11][12]

Terroristische Akte des Medellin-Kartells

  • 30. Mai 1989: Anschlagsversuch auf Miguel Maza Marquez, Direktor des kolumbianischen Geheimdienstes Departamento Administrativo de Seguridad (DAS) in Bogotá mittels Autobombe; 4 Tote, 37 Verletzte
  • 2. September 1989: Autobombe gegen den Zeitungsverlag El Espectador in Bogotá, 84 Verletzte, dessen Verleger Guillermo Cano Isaza wurde zuvor bereits am 17. Dezember 1986 auf Befehl Escobars getötet
  • 16. Oktober 1989: Autobombe gegen die Zeitung Vanguardia Liberal in Bucaramanga, 4 Tote
  • 27. November 1989: Bombe gegen den Avianca-Flug 203 über Bogotá, um César Gaviria Trujillo zu töten, der sich allerdings nicht in der Maschine befand, 110 Menschen kommen dabei ums Leben
  • 6. Dezember 1989: 1.100 Pfd.-Bombe gegen das DAS-Hauptquartier in Bogotá während des Morgenverkehrs, 50 Tote, über 600 Verletzte, über 300 kommerzielle Einrichtungen werden dabei zerstört
  • 13. Mai 1990: 2 Bomben detonieren unabhängig voneinander in den Einkaufszentren Quiriga und Niza während des Muttertages in Bogotá, 14 Tote und über 100 Verletzte
  • 16. Februar 1991: Das Medellin-Kartell lässt eine 440 Pfd. Bombe in der Stierkampfarena La Macarena explodieren, 22 Tote
  • 30. Januar 1993: Autobombe in der Innenstadt von Bogotá tötet 20 Menschen
  • 15. April 1993: Autobombe tötet 15 Personen und über 100 Verletzte in einem Einkaufszentrum im nördlichen Bogotá[13][14]


Opfer des Medellin-Kartells

  • 1976: Escobar lässt die DAS-Agenten Luis Vasco und Gilberto Hernandez töten. Sie waren die ersten Staatsbeamten, die dem Kartell zum Opfer fielen
  • 30. April 1984: Ermordung von Justizminister Rodrigo Lara Bonilla auf einer Autobahn durch zwei bewaffnete Motorradfahrer
  • Juli 1985: Tulio Manuel Castro Gil, oberster Richter stirbt durch Maschinenpistolenfeuer von Motorradfahrern
  • 31. Juli 1986: Hernando Baquero Borda, Richter des Oberlandesgerichtes wird in Bogotá getötet
  • November 1986 Jaime Ramirez, Polizeioberst einer Antidrogeneinheit wird in Medellin getötet, seine Frau und sein Sohn schwer verletzt
  • Dezember 1986: Motorrad-Mörder bringen Guillermo Cano Isaza, den Verleger des El Espectador um
  • Oktober 1987: Jaime Pardo Leal, Präsidentschaftskandidat und Chef der Patriotischen Union wird getötet
  • Januar 1988: in Medellin wird der Generalstaatsanwalt Carlos Mauro Hoyos erschossen
  • Juli 1989: Antonio Roldan Betancur, Gouverneur von Antioquia wird durch eine Autobombe getötet
  • August 1989: Valdemar Franklin Quintero, Kommandeur der Polizei von Antioquia wird in Medellín ermordet
  • August 1989: Präsidentschaftskandidat Luis Carlos Galán wird ermordet
  • August 1989: Oberster Richter Carlos Ernesto Valencia wird von Auftragsmördern erschossen, nachdem er Escobar wegen der Ermordung von Guillermo Cano anklagen wollte
  • November 1989: Jorge Enrique Pulido, Journalist und Director von JEP Television wird in Bogotá erschossen
  • Januar 1991: Diana Turbay, Journalistin und Herausgeberin des Magazins Hoy por Hoy wird getötet
  • Mai 1991: Enrique Low Murtra, Justizminister wird in der Innenstadt von Bogotá ermordet
  • September 1992: Myriam Rocio Velez, Oberste Richterin wird von Auftragsmördern erschossen, als sie Escobar wegen des Mordes an Galán anklagen will[15][16]


Literatur

  • Ciro Krauthausen: Moderne Gewalten: Organisierte Kriminalität in Kolumbien und Italien, Campus, 1997
  • Mylene Sauloy und Yves Le Bonniec: Tropenschnee – Kokain: Die Kartelle, ihre Banken, ihre Gewinne, ein Wirtschaftsreport, Rowohlt, Reinbek b. Hamburg, 1994


Weblinks


Einzelnachweise

  1. http://de.wikipedia.org/wiki/Medell%C3%ADn-Kartell, Zugriff 30.08.2010
  2. Mylene Sauloy und Yves Le Bonniec, 1994, S.458
  3. Mylene Sauloy und Yves Le Bonniec, 1994, S.56
  4. http://de.wikipedia.org/wiki/Medell%C3%ADn-Kartell, Zugriff 30.08.2010
  5. Ciro Krauthausen, 1997, S.114
  6. http://de.wikipedia.org/wiki/Medell%C3%ADn-Kartell, Zugriff 30.08.2010
  7. http://en.wikipedia.org/wiki/Medell%C3%ADn_Cartel, Zugriff 30.08.2010
  8. http://en.wikipedia.org/wiki/Medell%C3%ADn_Cartel, Zugriff 30.08.2010
  9. Ciro Krauthausen, 1997, S.185
  10. http://de.wikipedia.org/wiki/Medell%C3%ADn-Kartell, Zugriff 30.08.2010
  11. http://de.wikipedia.org/wiki/Medell%C3%ADn-Kartell, Zugriff 30.08.2010
  12. Ciro Krauthausen, 1997, S.190
  13. http://de.wikipedia.org/wiki/Medell%C3%ADn-Kartell, Zugriff 30.08.2010
  14. http://en.wikipedia.org/wiki/Medell%C3%ADn_Cartel, Zugriff 30.08.2010
  15. http://de.wikipedia.org/wiki/Medell%C3%ADn-Kartell, Zugriff 30.08.2010
  16. http://en.wikipedia.org/wiki/Medell%C3%ADn_Cartel, Zugriff 30.08.2010