Während der zweiten Phase der Französischen Revolution (= Konventsregierung 1792-95) kam es zur Herrschaft der Jakobiner (= vom Sturz der Girondisten am 02.06.1793 bis zur Hinrichtung Robespierres am 28.07.1794) und innerhalb der Jakobinerherrschaft zur Phase des Terrors (= La Terreur; vom "Gesetz über die Verdächtigen" am 17.09.1793 bis zur Hinrichtung Robespierres am 28.07.1794).


Ursachen

Im Sommer 1793 stand die Revolution am Rande einer Katastrophe. Feindliche Truppen waren bereits auf französischen Boden: Engländer und Österreicher im Norden, Preußen im Elsass, Piemontesen in der Dauphiné bis Lyon, Spanier im Roussillon. Zugleich tobte ein Bürgerkrieg an vier verschiedenen Stellen: in der Normandie, der Vendée, in Lyon und Toulon. Der Revolutionsregierung mangelte es an Truppen, Geld und allem anderen. Außer der Unterstützung eines Teils der Bevölkerung besaß sie nur "die ungeheure Kühnheit, alle Maßnahmen zur Rettung der Heimat zu treffen, wie willkürlich, ungesetzlich und streng diese auch waren" (Plechanow 1890: 7; zit.n. Trotzki 1920: 36).

Struktur und Arbeitsweise

Nach Karl Kautsky (1919: 33 f.) beseitigte Robespierre, als er das Gesetz vom 22. Prairial (10. Juni 1794) durchdrückte, "die letzten juristischen Sicherheiten für jeden politischen Angeklagten (...). Es wurden ihnen vor dem Revolutionstribunal die Verteidiger genommen, das Gerichtsverfahren nur an die Regeln des „gesunden Menschenverstandes“ gebunden, das Urteil nur an das „Gewissen des Richters“ und seine „Ermittlungen, wie sie auch beschaffen sein mögen“.

Schon am 24. Februar 1794 hatte Robespierre erklärt: 'Man will die Revolution durch juristische Spitzfindigkeiten beherrschen. Man behandelt die Verschwörungen gegen die Republik wie Prozesse zwischen Privatpersonen. Die Tyrannei tötet und die Freiheit plädiert. Und das Strafgesetz, das die Verschwörer selbst gemacht haben, ist die Regel, nach der man sie richtet.'

Die einzige Strafe, auf die erkannt werden durfte, war die Todesstrafe. Sie sollte auch schon jene treffen, die „falsche Nachrichten“ verbreiteten, „zu dem Zwecke, das Volk zu spalten oder zu verwirren, die Sitten zu verderben, oder das öffentliche Gewissen zu vergiften“ — mit solchen Bezeichnungen wird aber von jeder Regierung jede Äußerung belegt, die nach Opposition aussieht. Krapotkin bemerkt dazu: 'Dieses Gesetz erlassen, hieß nichts anderes, als den Bankerott der revolutionären Regierung erklären ... Und so war denn auch die Wirkung dieses Gesetzes vom 22. Prairial die, daß es in sechs Wochen die Gegenrevolution zum Reifen brachte.'

Sofort wurden auf Grund dieses Gesetzes 54 Personen auf einmal hingerichtet: 'So fing das neue Gesetz, das überall das Gesetz Robespierres genannt wurde, teine Tätigkeit an. Es machte sofort das Schreckensregiment in Paris verhaßt.' Gleich darauf gab es einen Massenprozeß gegen 150 Angeklagte auf einmal, die in drei Abteilungen hingerichtet wurden.

'Es ist unnütz, sich bei diesen Hinrichtungen länger aufzuhalten. Es genügt, wenn gesagt wird, daß vom 17. April 1793, dem Tag der Begründung des Revolutionstribunals, bis zum 22. Prairial des Jahres IV (10. Juni 1794), d. h. im Laufe von vierzehn Monaten, das Tribunal in Paris schon 2607 Personen hatte hinrichten lassen, aber daß seit dem neuen Gesetz das nämliche Gericht im Verlauf von nur 46 Tagen, vom 22. Prairial bis zum 9. Thermidor (27. Juli 1794) 1351 Personen zum Tode brachte.'

'Dem Volke von Paris schauderte bald vor allen diesen Henkerkarren, auf denen die Verurteilten zur Guillotine gefahren wurden und die fünf Henker kaum jeden Tag leeren konnten. Man fand kaum mehr Friedhöfe, um die Opfer zu beerdigen, weil sich jedesmal heftige Proteste erhoben, wenn man für diesen Zweck einen neuen Friedhof in einem Arbeiterviertel eröffnete.'

'Die Sympathien der Arbeiterbevölkerung von Paris wandten sich jetzt den Opfern zu, und dies um so mehr, als die Reichen ausgewandert waren oder sich in Frankreich verborgen hielten und die Guillotine hauptsächlich die Armen traf. In der Tat waren unter den 2750 Guillotinierten, deren Stand Louis Blanc feststellen konnte, nur 650, die zu den begüterten Klassen zählten. Man flüsterte sich sogar ins Ohr, im Sicherheitsausschuß säße ein Royalist, ein Agent von Batz, der zu den Hinrichtungen aufstachelte, um die Republik Verhaßt zu machen.'

'Sicher ist, daß jede neue Massenhinrichtung dieser Art den Sturz des jakobinischen Regiments beschleunigte.'

Alle Welt fühlte sich durch Robespierre und seine Leute bedroht, alle Welt scharte sich gegen sie zusammen, „Überradikale“ und „Gemäßigte“, Girondisten und Montagnards (Bergparteiler), Schreckensmänner und Mildgesinnte, Proletarier und Bourgeois.

Die Macht Robespierres brach bei dem ersten Versuch der von ihm Bedrohten zusammen, ihm die Zähne zu zeigen. Sein Appell an die Massen am 9. Thermidor fand nur ungenügenden Widerhall. Er unterlag. Gleichzeitig aber verlor auch die Kommune von Paris den letzten Schein der Macht, die sie so lange geübt. Die Revolution kehrte nun zurück zu der Basis, die durch die ökonomischen Bedingungen gegeben war, zur Herrschaft der Bourgeoisie."


Die folgenden Abschnitte stammen von Michael Voigt (2009):

"Juristisches Arbeitsinstrument des Revolutionstribunals war ein Gesetz vom September 1793, welches die Umkehrform der heutigen Unschuldsvermutung darstellte: Bereits bei Verdacht auf volksfeindliches Gedankengut durfte eine Verhaftung vorgenommen werden. Der Betreffende hatte dann die lebensgefährliche Aufgabe, seine Unschuld zu beweisen, denn vorgesehen waren nur zwei mögliche Urteile: Freispruch oder unverzügliche Hinrichtung.

Insgesamt gab es elf verschiedene Verdachtsmomente, deren allgemeiner Charakter jedoch faktisch auf jeden zutraf. Außerdem begünstigte diese Rechtslage natürlich auch persönliche Racheaktionen. Ein falscher Verdacht konnte schließlich ganz gefahrlos ausgesprochen werden. Somit war niemand vor der Guillotine sicher, was noch entscheidende Bedeutung erlangen sollte.

Das Ende: Der Große Terror vernichtet seine Urheber

Landesweit fielen so innerhalb weniger Monate schätzungsweise 40.000 Menschen dem Terror zum Opfer. Wohlwollendere Quellen beziffern die Zahl der Toten immerhin noch auf ungefähr 14 000. Während in Paris vorrangig die Guillotine ihr grausiges Werk verrichtete, praktizierte man in den Provinzen verschiedene Hinrichtungsarten, oftmals sogar ohne den obligatorischen Scheinprozess. In Nantes beispielsweise sollen zwei- bis dreitausend Menschen in der Loire ertränkt worden sein. Ein derartiger Massenmord war nur möglich, weil das Volk die Hinrichtungen anfänglich durchaus befürwortete. Aufgrund außenpolitischer Bedrohungen glaubte man, dass die Beschuldigten tatsächlich Volksfeinde und Verräter seien.

Das Verhalten der Jakobiner selbst leitete schließlich ein Finale im großen Töten ein. Machtkämpfe und politische Meinungsverschiedenheiten in der selbsternannten „Revolutionsführung“ bewirkten, dass sich die einstigen Gesinnungsgenossen gegenseitig denunzierten und folgerichtig auf dem Schafott endeten. Am längsten konnte sich dabei noch der Rechtsanwalt und Jakobinerführer Maximilien de Robespierre behaupten. Seine zum Schluss quasi diktatorische Amtsführung endete am 27. Juli 1794, als Mitglieder des Konvents ihn stürzten und einen Tag später ohne Prozess guillotinierten. Damit endete „La Terreur“, die Schreckensherrschaft der Jakobiner, welche fortan nur noch eine Randerscheinung der französischen Politik darstellten. Der Republikanische Konvent selbst wurde 1795 zugunsten einer großbürgerlichen Regierung aufgelöst.

La Terreur: Abschreckung und historisches Vorbild zugleich

Trotz ihrer blutigen Schreckensherrschaft propagierten die Jakobiner paradoxerweise Vernunft und Tugend als weltanschauliche Ideale. Deutsche Befürworter dieser Thesen, zum Beispiel Beethoven, Schiller oder Klopstock, distanzierten sich jedoch recht bald von den Revolutionären, als die Auswirkungen von „La Terreur“ bekannt wurden.

Ein Staatsmann des 20. Jahrhunderts hingegen erging sich in aufrichtiger Bewunderung dieser kurzen Schreckensherrschaft: Josef Stalin übernahm die von den Jakobinern geprägte Bezeichnung „Volksfeinde“, um sein eigenes Regime mit ganz ähnlichen Mitteln zu festigen. Der sowjetische Diktator ließ Parteifreunde, Gegner und Unbeteiligte gleichermaßen exekutieren, sobald sie seinen Plänen im Weg standen. Folgerichtig fanden die stalinistischen Säuberungswellen daher ebenfalls als „Großer Terror“ ihren Platz in den Geschichtsbüchern."

Literatur

Weblinks

  • Gesetz über die Verdächtigen/Loi des suspects (17.09.1793) [[1]]