Kriminalitätstheorien im Bollywoodfilm

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Awaara (auch Awara; Hindi: अवारा, avārā; übersetzt: Vagabund) ist ein indischer Spielfilm des Regisseurs und Produzenten Raj Kapoor aus dem Jahre 1951. Das Familiendrama erreichte zu seiner Zeit größte Popularität und gilt als einer der erfolgreichsten Bollywood Filme der 50er Jahre. Neben einer Liebesgeschichte geht der Film der Frage nach, ob Kriminalität angeboren oder erlernt wird. [1]


Handlung

Der Film spielt in der indischen Großstadt Bombay. Er beginnt mit einer Gerichtsverhandlung, welche sowohl die erste wie auch die letzte Szene des Films darstellt. Der junge Landstreicher Raj wird angeklagt, seinen Vater ermordet und einen Mordversuch an dem Richter Ragunath begangen zu haben. Er wird von der jungen Anwältin Rita verteidigt, welche den als Zeugen geladenen Ragunath über seine Vergangenheit befragt. In einer langen Rückblende wird dann die Vorgeschichte dieser Anklage erzählt.

Der junge Richter Ragunath ist frisch mit seiner Frau Leela verheiratet und die beiden führen eine glückliche Ehe. Ragunath ist als strenger Richter im Land bekannt und ist davon überzeugt, dass Kriminalität vererbt wird und so von einer Familie zur nächsten weiter gegeben wird. Auf dieser Überzeugungsgrundlage verurteilt er den jungen Jagga, dessen Vater und Großvater schon als Banditen bekannt waren, eine Vergewaltigung begangen zu haben. Jagga besteht auch noch viele Jahre nach dieser Verurteilung auf seine Unschuld, wird von der Gesellschaft aber nicht mehr aufgenommen. Er möchte sich an dem Richter rächen und entführt dessen Frau Leela mit der Absicht, sie zu vergewaltigen. Als sich in der Gefangenschaft aber herausstellt, dass Leela schwanger ist, unterlässt er sein Vorhaben und lässt sie wieder frei. Zurück bei ihrem Ehemann verbreitet sich das Gerücht, dass das Kind von dem Banditen Jagga stammt und nicht von Ragunath. Unter Druck seiner Familie wirft er seine schwangere Frau daraufhin aus dem Haus.

Leela verbringt die folgende Zeit in einem Slum in Mumbai wo sie ihren Sohn Raj zu Welt bringt. Im Gegensatz zu allen anderen Kindern des Slums besucht Raj die Schule, in der Hoffnung der Mutter, dass er später einmal Richter werden würde. In der Schule lernt er Rita kennen, ein Mädchen aus sehr reichem Haus. Als sie ihn auf ihre Geburtstagsfeier nach Hause einlädt, trifft Raj dort auf den Richter Ragunath, ein Freund von Ritas Vater. Als die beiden in ein Gespräch kommen erzählt ihm Raj, dass er alleine bei seiner Mutter augefawchsen ist und seinen Vater nicht kenne, was Unbehagen bei dem Richter auslöst. Er rät Ritas Vater, seine Tochter nicht mehr mit dem Jungen spielen zu lassen, da er Schande über die Familie bringen könnte. Ritas Vater jedoch widerspricht und hält Ragunaths Theorie für veraltet.

Um seine Mutter zu unterstützen beginnt Raj vor der Schule zu arbeiten. Als er deswegen gehäuft zu spät kommt, wird er von der Schule verwiesen und verliert damit auch den Kontakt zu Rita. Bestürzt darüber trifft er in seinem Viertel auf den Banditen Jagga, den er um Hilfe bittet. Dieser weiß wer Raj ist und möchte sich abermals an Ragunath für sein einstiges Urteil rächen. Er möchte Raj zu einem Banditen erzieht und damit Ragunaths Theorie widerlegen. Raj weigert sich zuerst für Jagga stehlen zu gehen, doch als seine Mutter sehr krank wird und sich nicht mehr um Raj kümmern kann, beginnt dieser Essen zu klauen. Dabei wird er von der Polizei aufgegriffen und in ein Kinderheim gebracht.

Die nächste Szene zeigt Raj als erwachsenen Mann, wie er aus dem Gefängnis entlassen wird und seine Mutter besucht. Raj hatte bis zu diesem Zeitpunkt mehrere Aufenthalte im Gefängnis verbracht, erzählt seiner Mutter aber auf Geschäftsreisen in Amerika gewesen zu sein. Zusammen mit Freunden und in der Bande von Jagga geht Raj nun täglich auf Beutezug und bestiehlt Passanten auf der Straße. Auf der Flucht vor der Polizei gerät er zufällig in das Anwesen, in dem Rita zusammen mit Ragunath lebt, der sie nach dem Tod ihres Vaters in seine Obhut genommen hat. Als Raj Rita auf einem Kindheitsfoto wiedererkennt erzählt er ihr wer er ist. Die beiden Kindheitsfreunde beginnen eine enge Beziehung zueinander aufzubauen, gegen den Willen Ragunaths, der Raj immer noch nicht traut. Beeinflusst von Rita möchte Raj nun aufhören mit dem Stehlen, verfällt diesem jedoch immer wieder. Als Jagga in einen Streit mit Rajs Mutter gerät und diese bedroht, bringt Raj ihn in Notweh um. Er wird daraufhin des Mordes angeklagt, der für ihn zuständige Richter ist durch Zufall Ragunath. Vor einer Gerichtsverhandlung wird Rajs Mutter Leela wird von einem Auto Ragunath's angefahren und liegt im Sterben. Sie erzählt ihrem Sohn von dessen wahrem Vater Ragunath. Raj ist darüber sowie über den Verstoß seiner Mutter durch Ragunath so wutentbrannt, dass er aus dem Gefängnis flieht und seinen nun identifizierten Vater in dessen Anwesen umbringen möchte. Das Vorhaben gelingt ihm jedoch nicht.

Die letzte Szene knüpft wieder an die Eingangsszene des Films an. Vor dem Gericht streitet Ragunath die ganze Geschichte sowie seine Vaterschaft ab. Erst als die Verhandlung geschlossen wird besinnt er sich und besucht seinen Sohn im Gefängnis. Er entschuldigt sich und nimmt ihn offiziell als Sohn an. Am nächsten Tag wird Raj zu drei Jahren Haft verurteilt, aufgrund der sozial,- familiären Umstände Raj's wurde das eigentlich intendierte Urteil gemildert.

Hintergrund

Awaara entstand nur wenige Jahre nach der Unabhängigkeit Indiens von Großbritannien. Er drückt zum einen den großen Optimismus dieser Zeit der gewonnen Freiheit aus, zum anderen jedoch auch die Frustration über die Unüberwindbarkeit des Klassen,- und Kastensystems. Der Regisseur und Produzent Raj Kapoor übernahm im Film selbst die Hauptrolle des Raj, sein Vater Prithviraj Kapoor spielte die Rolle seines Filmvaters und sein jüngerer Bruder Shashi Kapoor übernahm die Rolle des Raj als Kind. Die Hauptrolle wurde optisch wie auch habituell sehr an den Charakter des Charlie Chaplins angelehnt. Awaara ist der bekannteste und erfolgreichste Film von Raj Kapoor und feierte internationale Erfolge in Ostasien, der arabischen Welt, Afrika sowie in der UdSSR. Der Drehbuchautor und enge Freund des Produzenten Khawja Ahmed Abbas war bekannt für seine Mitgliedschaft in der anti-imperialistischen und anti-faschistischen Vereinigung von Schriftstellern und Theatermachern, die großen Einfluss auf die indische Filmindustrie der 50er Jahre hatten. [1]

Biologisch begründete Kriminalitätstheorien

Cecare Lombroso

In der biologischen Kriminalitätstheorie wird die Ursache für abweichendes soziales Verhalten, in den genetischen Vorbedingungen der jeweiligen als kriminell eingestuften Personen gesucht. Die Wurzeln dieses Forschungszweiges liegen bei dem italienischen Arzt Cesare Lombroso (1835-1990) der durch seine Forschung an Straftätern heute als Begründer der Kriminologie gilt. Er ging davon aus, dass Straftäter schon als kriminelle Menschen geboren werden, „delinquente nato“ - der geborene Kriminelle [2]. Wer einmal als Krimineller geboren sei, der könne sich seinem Schicksal und seiner Triebe nicht entziehen [3]. Er beschreibt Kriminelle, als „zurückgebliebene Menschen“, welche auf einer unteren Entwicklungsstufe stehen geblieben seien und deren Verstand und Gefühle unterentwickelt blieben Seine Theorie ist sehr deutlich von der Evolutionstheorie von Charles Darwin beeinflusst. Lombroso untersuchte eine Reihe Strafgefangener Probanden und wollte herausfinden, an welchen körperliche und geistige Merkmale man Kriminelle erkennen könnte. Sozialen- und Umweltfaktoren räumte er in seinen frühen Arbeiten keine Kausalität ein. Die von ihm gefundenen Merkmale waren aber so wenig markant, dass er seiner Theorie einräumte, nur ein drittel der kriminellen, „geborenen Verbrecher“ seien anhand dieser Merkmale auszumachen, bei den weiteren zwei dritteln spielten auch soziale Faktoren eine Rolle[4].

Sippenforschung

Lombrosos Forschungsansätze wurden nach seinem Tod weiter entwickelt. In den 20er bis 40er Jahren versuchte man in statistischen Untersuchungen von Verbrecher- und Zigeunerfamilien nachzuweisen, dass unsoziales Verhalten sowie davon bedingte Kriminalität erbbiologisch zu erklären sei. Sozialen Faktoren wurden auch hier aus der Theorie ausgeschlossen[5].

Psychologisch begründete Kriminalitätstheorien

In den Theoriestrang psychologischer beziehungsweise sozialpsychologischer Kriminalitätstheorien werden Lern,- und Erziehungstheorien eingeordnet. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts haben sich aus diesem Ansatz unterschiedliche Theoriestränge entwickelt, die auf der gemeinsamen Annahme aufbauen, dass unsoziales, kriminelles Verhalten genau so im sozialen Umfeld einer Person erlernt werden kann, wie sonstiges, konformes Verhalten [4].

Theorie der differentiellen Kontakte

Die "Theorie der differentiellen Kontakte" des US-Amerikanischen Soziologen Edwin Sutherland (1883-1950) ist eine der Theoriestränge der psychologisch begründeten Kriminalitätstheorien. Sein Theorieschwerpunkt liegt in der Intensität der einzelnen Kontakte einer Person in deren sozialem Umfeld. So können sich im sozialen Umfeld sowohl verhaltenskonforme wie auch verhaltensabweichende Personen befinden. Das Erlernen von kriminellen Verhaltensweisen hängt dann von mehreren Faktoren ab. Je mehr Kontakte eine Person zu kriminell Handelnden hat, je intensiver die Beziehung zu jenen ist, je früher die Beziehung beginnt und je länger sie anhält, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person das kriminelle Verhalten der Kontaktperson übernimmt. Im Gegensatz zu anderen Lerntheorien gilt hier, dass neben dem reinen Ausführen von Handlungen durch Nachahmung, auch Motive und soziale Einstellungen übernommen werden können[4] [5].

Theorie der differenziellen Identifikation

Die "Theorie der differenziellen Identifikation" wurde von Daniel Glaser entwickelt der davon ausgeht, dass nicht allein die Anzahl und Intensität vorhandenen Kontakte einer Person zu kriminellem oder konformen Verhalten führen, sondern es darauf ankommt, inwieweit sich eine Person mit anderen identifiziert und sie als Vorbilder betrachtet. Dabei kann sich mit einer real im sozialen Umfeld befindenden oder auch mit einer imaginären Person identifiziert werden. Auf diese Weise gelten auch die Medien als möglicher Einflussfaktor, welcher kriminelles Verhalten hervorrufen kann[4].

Sündenbocktheorie

Die Wurzeln der Sündenbocktheorie gehen bis in Geschichten der Bibel zurück, in denen die Ziege zur Entlastung der Gesellschaft mit deren Missetaten belastet wird. Die Sündenbocktheorie im Rahmen der Kriminologie hat theoretische Verstärkung in der Psychoanalyse Siegmund Freuds gefunden. Demnach wird die eigene, bewusste oder auch unbewusste Schuld, auf einen „Sündenbock“ projiziert, um sich selbst von ihr zu entlasten und seine negativen Affekte abzureagieren. In dieser Theorie kann durch die Ausführung des Strafrechts in einer Gesellschaft, die Schuldgefühle und Aggression eines ganzen Kollektivs abgeleitet und die Gemeinschaft dadurch befriedigt werden[4] [5].

Sozialstrukturell begründete Kriminalitätstheorien

Anomietheorie

Der bedeutendste sozialstrukturelle Ansatz in der Kriminologie des 20. Jahrhunderts war die Anomietheorie. Anomie bezeichnet einen Zustand gestörter Stabilität innerhalb einer Gesellschaft oder auch einer einzelnen Person innerhalb ihres sozialen Umfeldes. In dem unstabilen Kontext von sozialen Beziehungen verlieren soziale Normensysteme ihre Wirkung[6].

Nachdem Emile Durkheim (1858-1917) den Begriff der Anomie Ende des 19. Jahrhunderts in die Soziologie einführte, entwickelte Robert K. Merton (1910-2003) den Begriff im Kontext der Kriminologie weiter. Merton sieht als die Ursache einer aufkommenden Anomie die Differenz zwischen den vorherrschenden gesellschaftlichen oder persönlichen Zielen auf der einen Seite und den vorhandenen Mitteln, diese Ziele zu erreichen, auf der anderen Seite. Auf die unterschiedlichen sozialen Schichten einer Gesellschaft kann sich diese Diskrepanz sehr unterschiedlich auswirken. So sind Schichten mit weniger vorhandenen Ressourcen mehr betroffen, da ihre Zugangsmöglichkeiten zu unterschiedlichen Zielen beschränkt sind. Je weniger Mittel und Zugangsmöglichkeiten einer Person zur Verfügung stehen, desto wahrscheinlicher ist eine sozial abweichende Handlung zu erwarten. Merton stellte fünf Handlungsmuster auf, die im Falle einer Diskrepanz zwischen Mitteln und Zielen angenommen werden können.

  1. Konformität: Legale Mittel sowie legale Ziele werden angenommen und dem kulturellen Wandel angepasst. Man akzeptiert seiner Rolle in der Gesellschaft und schränkt seine Bedürfnisse den Umständen entsprechend ein.
  2. Ritualismus: Wenn die vorhandenen Mittel nicht ausreichen um das Ziel zu erreichen, so wird letzteres einfach eingeschränkt oder sogar aufgehoben.
  3. Rückzug: Die kulturell vorherrschenden Ziele sowie die legalen Mittel werden abgelehnt und auf „illegale“ Ziele umgestellt. Man zieht sich in eine „illegale“ Welt zurück (Alkohol, Drogen)
  4. Innovation: Hier wird die klassische Kriminalität beschrieben. Kann das legale kulturelle Ziel nicht mit legalen Mitteln erreicht werden, werden illegale Mittel herbeigezogen.
  5. Rebellion: Es wird sich gegen die vorhandenen gesellschaftlichen Strukturen aufgelehnt und sowohl legale Mittel wie auch Ziele abgelehnt (z.B. politisch motivierte Kriminalität, Terrorismus)[7][4]

Verbindende Theorien

Labeling Theorie

Die Labeling Theorie betrachtet Kriminalität im Gegensatz zu allen anderen kriminologischen Theorien von einer ganz anderen Seite[3]. Aus ihrer Perspektive ist Kriminalität nicht das abweichende Verhalten, welches als negative Opposition dem konformen Verhalten gegenüber steht. Kriminalität kann nicht objektiv festgestellt werden. Kriminalität wird vielmehr als ein Produkt verstanden, welches erst durch gesellschaftlich festgelegte Definitionen und Zuschreibungen produziert wird. Durch das Festlegen eines Regelsystems durch und in einer Gesellschaft, werden alle ihr Angehörigen ausgegrenzt, die aus diesem Regelsystem herausfallen. Abweichendes Verhalten ist somit konstituiert und steht gesellschaftlichen Sanktion nicht als Pool gegenüber, sondern wird durch diese erst verursacht und verstärkt[8][4].

Der US-amerikanische Soziologe Edwin M. Lemert (1912-1996) beschreibt zwei Arten abweichenden Verhaltens oder auch Devianzen. Die primäre Devianz findet statt, noch bevor eine gesellschaftliche Reaktion eingetreten ist. Auf sie folgt eine gesellschaftliche Rückwirkung, welche das Verhalten als negativ und mit dem Attribut „kriminell“ etikettiert. Die Person die dieses Verhalten gezeigt hat wird ebenfalls durch die in dem gesellschaftlichen Normensystem vorherrschenden Definitionen abgestempelt und entsprechend stigmatisiert. Wenn das Fremdbild welches der Person durch die Etikettierung auferlegt wird, von dieser in das eigene Selbstbild übernommen wird, tritt der Mechanismus der selbsterfüllenden Prophezeiung in Kraft und mit ihr die sekundäre Devianz, also weitere abweichende Handlungen. Je weiter die Stigmatisierung gegenüber der Person voranschreitet, desto geringer werden ihre sozialen Integrationschancen[5].

Die Wechselwirkungen zwischen Devianz, Sanktionen, Stigmatisierung und Reduzierung von Integrationschancen können zu einer Verhärtung der Reaktionen zwischen „Kriminellen“ und dem gesellschaftlichen Ordnungssystem führen. Die Stigmatisierten können dem Normensystem gegenüber Trotzhaltungen annehmen, es kann bis zu einer völligen Übernahme der zugeschriebenen kriminellen Identität kommen[9].

Bezug zum Film

Der Film Awaara behandelt in seinem Verlauf die Kriminalitätsproblematik anhand der Frage "Nature or Nurture" (Natur oder Erziehung). Neben diesen zwei Kriminalitätstheorien kann man noch weitere Theoriestränge ausmachen.


  • Biologische Kriminalitätstheorie

Der ganze Handlungsverlauf des Films wird angestoßen durch die Verurteilung von Jagga, welcher der Vergewaltigung beschuldigt wird. Die Entscheidungsgrundlage des zuständigen Richters Ragunath basiert auf der Überzeugung, dass Kriminalität vererbt wird. Da der Vater und Großvater von Jagga schon als Verbrecher galten, reicht dies für den Richter aus, die Schuld des Falles ohne vorliegende Beweise auf Jagga zu legen. In einer Szene des Films, als Ragunath seine biologisch angelegte Schuldtheorie auf den jungen Raj anwendet, wird er von seinem Freund darauf hingewiesen, dass seine Theorie veraltet sei und er sie verwerfen solle. Auch im weiteren Verlauf des Films wird immer wieder auf biologische Kriminalitätsursachen angespielt, jedoch nicht eindeutig bestätigt.


  • Psychologisch angelegte Lerntheorien

Die Theorie der differenziellen Kontakte wie auch die Theorie der differenziellen Identifikation können in dem Film sehr gut verdeutlich werden. Raj lebt mit seiner Mutter in einem Slum in Bombay und geht als einziges Kind des Viertels in die Schule. Er ist immer hin und her gerissen zwischen dem Bedürfnis, es den Kindern aus dem Slum, wie auch den Schulkameraden gleich zu tun. Seine engste, intensivste und längste Kontaktperson ist jedoch seine Mutter, nach deren Wünschen er sich so lange orientiert, bis er von der Schule verwiesen wird. Damit verliert Raj den Kontakt mit seinen Freunden, welche als sozial konform gelten und orientiert sich um. Wie auch einige Kontaktpersonen aus dem Slum, beginnt er mit Stehlen. Als Erwachsener Mann spielen drei Kontaktpersonen für Raj eine entscheidende Rolle. Rita, in die Raj sehr verliebt ist, kommt aus gutem Haus, ist sehr gebildet und verhält sich immer konform. Sie möchte Raj von seinen kriminellen Machenschaften abbringen. Jagga ist der mächtigste Bandit des Viertels und sucht permanent den Kontakt zu Raj, um ihn immer wieder in die Kriminalität zu treiben. Er unterstützt Raj auch finanziell. Die Mutter Leela gibt den Wunsch einer hohen Laufbahn ihres Sohnes bis zum Schluss nicht auf. Raj verschweigt ihr seine Gefängnisaufenthalte und versucht, sie finanziell immer zu unterstützen. Zwischen diesen drei Personen schwank Raj während der Handlung hin und her.


  • Sündenbocktheorie

Als Vertreter der Sündenbocktheorie kann Ragunath herangezogen werden. Er hält sich an erbbiologischen Erklärungen von Kriminalität fest und grenzt damit den "guten" vom "bösen" Bürger ab. Er projiziert die Schuld auf eine bestimmte Personengruppe, wodurch die restliche Gesellschaft und auch er entlastet werden.


  • Anomietheorie

Mertons Handlungsmuster, die im Falle einer Diskrepanz zwischen Zielen und Mitteln eintreten können, können auf folgende Handlungsentscheidungen angewendet werden.

Konformität: Leela bezieht sich immer auf das Handlungsmuster der Konformität. Sie akzeptiert die für sie neuen Lebensumstände des Slums, behält aber stets die legalen Mittel und legalen Ziele und schränkt sich dementsprechend ein.
Rückzug: Als Jagga nach seiner Verurteilung aus dem Gefängnis kommt und von der Gesellschaft abgelehnt wird, zieht er sich in die Welt der Kriminalität zurück und verwirft seine legalen Ziele und Mittel. Raj tut dies zeitweise.
Innovation: Raj und Jagga ziehen beide das illegale Mittel des Stehlens und des Betrugs heran, um an ihre Ziele zu kommen.


  • Labeling Theorie

Jagga wird, obwohl er unschuldig ist, von dem Richter verurteilt. Als er aus der Haft entlassen wird sieht ihn die Gesellschaft als Vergewaltiger und Verbrecher an. Durch das vorherrschende Normensystem wird er daraufhin ausgegrenzt und stigmatisiert und kann sich von dem "Etikett" nicht mehr lösen. Die gesellschaftliche Integration wird ihm verwehrt, woraufhin Frustration bei ihm eintritt. Schließlich fügt er sich dem Fremdbild, welches man ihm auferlegt hat und übernimmt die ihm zugeschriebene kriminelle Identität eines Verbrechers. Als Vergewaltiger etikettiert nimmt er sich daraufhin vor, Leela zu vergewaltigen und seine Rolle damit zu bestätigen. Auch Raj wird als kriminell etikettiert. Nachdem sein Arbeitgeber über seine kriminelle Vergangenheit erfährt, wird er mit der Begründung entlassen, dass Unternehmen beschäftige keine Kriminellen. Raj ist frustriert und gibt den Versuch auf, einen anständigen Beruf auszuüben, er kehrt in die Kriminalität zurück.

Literatur

  • Buhrmester, Jana (2009). Kriminalpädagogik im Jugendalter- Aufgabenfelder der Jugendsozialarbeit. Diplomarbeit. Hamburg: Diplomicaverlag GmbH.
  • Dimmel, Nikolaus; Hagen, Johann Josef (2005). Strukturen der Gesellschaft: Familie, soziale Kontrolle, Organisation und Politik. Wien: WUV Universitätsverlag.
  • Jehle, Jörg-Martin (2003). Kriminologie zwischen Grundlagenwissenschaften und Praxis. Mönchengladbach: Forumverlag Godesberg GmbH.
  • Rafter, Nicole; Brown, Michelle (2011). Criminology goes to the Movies. Crime Theory and Popular Culture. New York Press.
  • Schwind, Hans-Dieter (2011). Kriminologie: eine praxisorientierte Einführung mit Beispielen. Heidelberg: Verlagsgruppe Hodhig Jehle Rehm GmbH.
  • Tieber, Claus (2007). Passage to Bollywood: Einführung in den Hindi-Film. Wien: Lit. Verlag.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Tieber, Claus (2007). "Passage to Bollywood: Einführung in den Hindi-Film". Wien: Lit. Verlag Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „Tieber, Claus“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert.
  2. Jehle, Jörg-Martin (2003). Kriminologie zwischen Grundlagenwissenschaften und Praxis. Mönchengladbach: Forumverlag Godesberg GmbH
  3. 3,0 3,1 http://www.krimlex.de Kriminologisches Lexikon
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 4,6 Übersicht über die Kriminologischen Verbrechenstheorien. Universität Siegen. Hyperlink: http://www.uni-siegen.de/fb5/rechtswissenschaften/froeschle/downloads/sonstiges/pdfs/kriminologie.pdf Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „Fröschle, Tobias“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „Fröschle, Tobias“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert.
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 http://www.ius.unibas.ch/typo3conf/ext/x4eunical/scripts/handleFile.php?file=1383biologischetheorienkriminologie Überblick Kriminalitätstheorien
  6. Aebersold, Peter (2007). Kriminologie 1: Kriminalitätstheorien. Universität Basel. Hyperlink: http://www.ius.unibas.ch/typo3conf/ext/x4eunical/scripts/handleFile.php?file=1383biologischetheorienkriminologie
  7. Aebersold, Peter (2007). Kriminologie 1: Kriminalitätstheorien. Universität Basel. Hyperlink: http://www.ius.unibas.ch/typo3conf/ext/x4eunical/scripts/handleFile.php?file=1383biologischetheorienkriminologie
  8. Buhrmester, Jana (2009). Kriminalpädagogik im Jugendalter- Aufgabenfelder der Jugendsozialarbeit. Diplomarbeit. Hamburg: Diplomicaverlag GmbH
  9. Jehle, Jörg-Martin (2003). Kriminologie zwischen Grundlagenwissenschaften und Praxis. Mönchengladbach: Forumverlag Godesberg GmbH