Kontrollierter Heroinkonsum

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Gutachterliche Stellungnahme zum kontrollierten Heroinkonsum

Von Sebastian Scheerer: In der Strafsache gegen Ch. Z. vor dem Amtsgericht Hamburg-Altona (Geschäfts-Nr.: 326b Ls 21/14). Erstellt am 29.01.2015.

Gegenstand der Stellungnahme

Es geht um die Fragen, ob

  1. der Gebrauch von Heroin auch in (Drogen konsumierenden) bürgerlichen Gesellschaftskreisen eine nicht nur marginale Erscheinung ist
  2. es in diesen Bevölkerungskreisen möglich ist, bei bewusstem und kontrolliertem Konsum von Heroin eine in der Gesellschaft verankerte Lebensweise zu führen
  3. in solchen Fällen des Konsums von Heroin über das darin liegende Suchtpotential hinaus keine Gesundheitsgefahren - insbesondere hinsichtlich eventueller Organschädigungen - zu befürchten sind
  4. die wesentliche Gefahr von Heroin zum einen im unkontrollierten Gebrauch besteht, weil dadurch ein Abdriften in die Kriminalität erfolgen kann - zum anderen aber auch der Missbrauch häufig in der Persönlichkeit der betroffenen Person angelegt ist und Heroin deshalb auch häufig in polytoxikomanen Zusammenhängen gebraucht wird
  5. die „Streckung“ von Heroin mit für die Endverbraucher unbekannten Mitteln aufgrund mangelnder behördlicher Kontrollierbarkeit von Schwarzmarkt-Heroin gefährlicher ist als das Heroin selber
  6. im konkreten Fall durch den Konsum und die Abgabe von Heroin Gesundheitsschäden zu befürchten waren/sind.

Nicht behandelt werden deshalb Fragen nach den Risiken des Heroinkonsums bei Minderjährigen sowie bei Erwachsenen mit psychischen oder physischen Vorerkrankungen.  

Die wichtigste wissenschaftliche Quelle zu der Frage, ob Heroingebrauch auch in bürgerlichen Gesellschaftskreisen eine nicht nur marginale Erscheinung darstellt, ist das Forschungsprojekt der Universität Frankfurt über den Umgang mit illegalen Drogen im 'bürgerlichen' Milieu (vgl. Kemmesies 2000; Kemmesies 2004). Demnach ist der gegenwärtige Stand des Wissens, dass • es einen verbreiteten Gebrauch illegaler Drogen außerhalb der typischen "Drogenszenen" gibt, der allerdings normalerweise aufgrund fehlerhafter Vorannahmen und selektiver Forschungszugänge der breiteren Öffentlichkeit verborgen bleibt • Konsumenten, die durch ihren Gebrauch nicht institutionell auffällig werden, meist einer geregelten Tätigkeit nachgehen und eine vergleichsweise geringe Drogenaffinität aufweisen • Heroin zwar nicht zu den häufigsten Drogen in diesem Milieu gehört (die Spitzenplätze nehmen Cannabis und Kokain ein), aber bei einem Teil der Konsumenten durchaus eine Rolle spielt und von einer Minderheit bevorzugt wird • es überwiegend im privaten Umfeld auch zum Handel kommt • der Handel auf dieses Umfeld beschränkt bleibt (u.a. um das Risiko der Polizeiauffälligkeit gering zu halten, eine gleichbleibende Qualität der Drogen sicherzustellen und keine unvorhersehbaren gesundheitlichen Probleme zu veranlassen) • etwa jeder zweite Konsument in diesem Milieu zumindest einmal in seinem Leben auch selber Drogen verkauft • die Konsumenten sich in diesem Milieu überwiegend als gesund empfanden und mit ihrer aktuellen Situation zufrieden sind, den Konsum aber trotzdem nicht aufgeben, weil sie ihn als Mittel der Alltagskompensation und der Verbesserung ihrer allgemeinen psychischen Verfassung ansehen.  

Die Ergebnisse der Forschung (siehe Ad 1) lassen keinen begründeten Zweifel daran, dass es möglich ist, bei bewusstem und kontrolliertem Konsum von Heroin ein in der Gesellschaft verankertes Leben zu führen. Erstmals wurde man auf dieses Phänomen des kontrollierten Konsums von Heroin in den 1970er Jahren aufmerksam (Zinberg/Jacobson 1976). Seither wurde es wiederholt bestätigt (Harding u.a. 1980, Harding 1981, Zinberg 1984, Haves/Schneider 1992, Legnaro/Schmieder 2005, Schneider 1988, 1993, Strieder 2001). Heute gilt es deshalb als gesichert, dass es - abweichend von einer verbreiteten Vorstellung - durchaus möglich ist, auch über einen langen Zeitraum hinweg (d.h. jahrelang) Heroin zu konsumieren und • dennoch keine körperliche Abhängigkeit und keine Sucht zu entwickeln (kontrollierter Konsum im engeren Sinne), bzw. • zwar eine körperliche Abhängigkeit, aber keine Sucht nach Heroin im Sinne der absoluten Vorrangstellung der Befriedigung des Verlangens nach der Droge zu entwickeln (kontrollierter Konsum im weiteren Sinne) , bzw. • zwar zwischenzeitlich eine Sucht zu entwickeln, dann aber wieder zu einem kontrollierten Konsum ohne körperliche Abhängigkeit zurückzufinden (vom süchtigen zum kontrollierten Konsum im engeren Sinne).

Bei sozial integriertem Konsum (a) behält das Heroin sein körperliches Abhängigkeitspotential (b) führt aber nicht zur Schädigung des menschlichen Organismus (was den Heroinkonsum nicht zuletzt vom chronischen Alkoholkonsum unterscheidet).

(a) Wie jedes Schmerzmittel besitzt auch Heroin ein (erhebliches) körperliches Abhängigkeitspotential. Einen gewissen Anhaltspunkt dafür liefert die sog. analgetische Potenz - ein Maß für die schmerzstillende Wirksamkeit eines Opioids im Verhältnis zum Morphin als Referenzsubstanz mit dem Wert 1,0. Heroin hat eine analgetische Potenz von 2,5, ist also wesentlich stärker als Morphin (aber schwächer als das Substitutionsmittel Levomethadon mit einem Wert von 4,0, was auch den erhöhten Schwierigkeitsgrad beim Methadonentzug erklärt; vgl. Zhou 2012).

Der Organismus wird abhängig von der Zufuhr des Mittels, weil er sich nach einer gewissen Dauer-Zufuhr an das Vorhandensein des Mittels gewöhnt und eine Toleranz entwickelt. Das bedeutet, dass zur Erzielung einer gleichbleibenden Wirkung eine Erhöhung der Dosis erforderlich wird. Die Tatsache der Abhängigkeit und ihre Stärke werden erst im Moment des plötzlichen Entzugs des Mittels in der Form von Entzugssymptomen erkennbar, die sich als Rück-Gewöhnungsversuche des Organismus an den status quo ante verstehen lassen. Entzugssymptome zeigen also das Vorliegen (und die Stärke) körperlicher Abhängigkeit von dem jeweiligen Mittel an (vgl. Scheerer 1995). Der Organismus wird nicht abhängig von der Zufuhr von Heroin, wenn aufgrund diskontinuierlicher Zufuhr (z.B. nur freitags und samstags) keine Gewöhnung und also keine entsprechende Umstellung des Stoffwechsels stattfindet. Deshalb ist ein nicht-abhängiger Heroinkonsum möglich und nachweisbar (vgl. Schippers/Cramer 2002). Entscheidend ist, inwieweit es Konsumenten gelingt, ihren Drogengebrauch in individuelle und soziale Regeln und Rituale einzubinden (vgl. Harding/Zinberg 1977).

Abgesehen vom Phänomen des nicht-abhängigen Konsums („chipping“) ist sozial integrierter Konsum von Heroin auch noch unter den Bedingungen der körperlichen Abhängigkeit möglich, solange die sozialen Rollen aufrechterhalten werden, ein sozial produktives Leben geführt wird und der abhängige Konsum erfolgreich verheimlicht werden kann, um formelle und informelle negative Sanktionen zu vermeiden. Einige berühmte Persönlichkeiten waren in diesem Sinne sowohl körperlich abhängig von Opiaten als auch sozial produktiv und integriert (vgl. die beeindruckenden Falldarstellungen bei Brecher u.a. 1972: 101-114).

(b) Sozial integrierter Konsum von Heroin ist unter dem Gesichtspunkt des Risikos von Organschädigungen - ebenfalls entgegen einem verbreiteten Stereotyp - weniger problematisch als der Konsum von Alkohol und anderen psychoaktiven Substanzen.

Während z.B. der chronische Alkoholkonsum zu lebensgefährlichen Entzündungen der Bauchspeicheldrüse, zu Krebserkrankungen und zahllosen weiteren schweren Organschäden (darunter zur sog. Leberzirrhose) führen kann (vgl. Teschke 1989), „verursachen Opioide an sich gesehen (und wenn sie nicht als Überdosis genommen werden) keine irreversiblen körperlichen Störungen, auch nicht nach chronischem Gebrauch“ (van Wely 1989: 305; kursiv i.O.; Unterstreichung n.i.O.).

Das ist bei sozial nicht-integriertem Gebrauch anders: chronische Konsumenten sind aufgrund ihrer Lebensbedingungen (Fehlernährung, Vitaminmangel, Anämie etc.) und Konsum-Modalitäten (Stoffqualität; Needle-Sharing etc.) für Infektionskrankheiten aller Art besonders anfällig. Häufig leiden sie an Lungenentzündungen, TBC, venerischen Infektionen oder Endokarditis, Hautinfektionen und Abszessen mit langwierigen Folgekrankheiten (van Wely 1989: 305).

Die wesentlichen körperlichen Gefahren des Heroins bestehen in - akzidenteller Überdosierung bei Vorliegen erheblicher Vorerkrankungen und - sozial desintegriertem (anomischen), bzw. süchtigen Gebrauch, der den Allgemeinzustand belastet und ein erhöhtes Sanktionsrisiko mit sich bringt, das neben seinem Chancen-Aspekt („turning point“) auch zur Destabilisierung durch Gefährdung von Arbeitsplatz und Einkommen, von sozialen Beziehungen und Selbstwertgefühl usw. führen kann.

Ob ein Konsument einen sozial integrierten und damit risikoarmen Konsum aufrechterhalten kann, ist zu einem Teil auch durch seine Persönlichkeit (und deren Stress-Resistenz, Resilienz vs. Persönlichkeitsstörungen im klinischen Sinne) bestimmt (vgl. die von der WHO herausgegebene International Classification of Diseases, ICD - 10; dort F 60; zum Verhältnis von Persönlichkeitsvariablen zu situativen Regeln und Ritualen vgl. Zinberg & Jacobsen 1976). Auf die Literatur zu Drogentodesfällen durch Überdosierungen (Brecher u.a. 1972: 101-114; Kraus/Ludwig 2002; König & Kreuzer 1998; van Wely 1989) sei hier nur verwiesen.

Sozial integrierten Konsumenten ist in der Regel - im Gegensatz zu anomischen Konsumenten - klar, welche Risiken bestehen und wie Überdosierungen zu vermeiden sind, bzw. wie ggf. am besten auf sie zu reagieren ist. Überdosierungs-Todesfälle sind in den allerseltensten Fällen sog. Sekundentode. Meist lässt sich das Leben des Betroffenen bei einem Überdosierungs-Notfall durch die Gabe von Naloxon retten.

Demgegenüber ist der anomische Konsum durch eine weitgehend regellose Einnahme zu beliebigen Zeiten in unkontrollierten Mengen und unter Vernachlässigung aller anderen Ziele und Verpflichtungen im sozialen Leben gekennzeichnet. Er kann Folge von Lebenskrisen oder von psychischen Krankheiten sein - ebenso wie er derartige problematische Lagen seinerseits verstärken kann. Selbstverständlich geht der anomische Konsum mit höherer sozialer Sichtbarkeit und einem erhöhten Risiko einher, von Instanzen der formellen Sozialkontrolle bemerkt und ggf. negativ sanktioniert zu werden - mit allen potentiell positiven wie auch potentiell negativen Folgen für das Leben der Betroffenen (z.B. Überdosierung nach Entlassung aus U-Haft, Strafhaft, abstinenzorientierter Langzeit-Drogentherapie).

Die Ansicht, dass unbekannte Streckmittel die eigentliche Gefahrenquelle des Schwarzmarkt-Heroin darstellten, trifft eher nicht zu.

Einerseits stimmt es natürlich, dass der Schwarzmarkt der behördlichen Qualitätskontrolle entzogen ist und der Konsument deshalb in der Regel über keine Möglichkeiten verfügt, sich über die Inhaltsstoffe und die Wirkstoffkonzentration der von ihm jeweils erworbenen Drogenmengen zu informieren.

Diese Unkenntnis ist auch durchaus problematisch. Sie ist dies aber im Effekt weniger hinsichtlich der Streckmittel als hinsichtlich der dem Konsumenten unbekannt bleibenden Schwankungen des Wirkstoffgehalts selbst. Tatsächlich wäre sogar ein plötzlicher Verzicht auf die in aller Regel ungefährlichen Streckmittel höchst riskant, während die Ungewissheit über die schwankende Höhe des Wirkstoffgehalts von Straßenheroin insbesondere bei vulnerablen Konsumenten eine häufige Gefahrenquelle darstellt.

• Die auf der Szene benutzten Streckmittel stellen in der Regel keine Gesundheits- oder gar Lebensgefahr für die Konsumenten dar (Koffein und Paracetamol, aber auch Milchpulver, das in der EU als Zuckeraustauschstoff und Lebensmittelzusatz zugelassene Mannit, Mehl, das in der EU als Lebensmittelzusatz zugelassene Talkum und Ascorbinsäure). • Problematischer ist u.U. die Beimischung anderer psychoaktiver Substanzen (Valium, Rohynol, Fentanyl …). Aber Lebensgefahr besteht nur höchst selten - wie etwa bei dem seit 2009 in seltenen Fällen als Streckmittel nachgewiesenen Milzbrandinfektionserreger Anthrax. Abgesehen von solchen spektakulären Einzelfällen sind Streckmittel jedoch in der Praxis der Rechtsmedizin kein anerkannter Problemherd. Untersuchungen von Drogentodesfällen machen deshalb äußerst selten Streckmittel für den Tod von Konsumenten verantwortlich • Häufiger waren die Verstorbenen in den letzten Monaten vor ihrem Tod in Haft und/oder in Behandlung. Häufig lagen auch suizidale Vorbelastungen und psychische Störungen vor oder kritische Lebensereignisse in den letzten Monaten vor dem Tod. Kurzum: normalerweise weisen die Verstorbenen eine hohe Belastung an komorbiden Störungen, eine Häufung kritischer Ereignisse wie Rückfall, Abbruch oder Haftentlassung kurz vor Drogentod sowie eine Häufung kurzfristiger Abstinenzphasen. Typischerweise geht der Drogentod dann auch nicht auf Heroin alleine zurück, sondern auf Mischkonsum bei vorheriger Abstinenz oder anderer Prämorbidität. • Ein (hypothetischer) völliger Verzicht auf Streckmittel könnte angesichts des durchschnittlichen aktuellen Reinheitsgrads des braunen Straßenheroins von 3-40% und des weißen Straßenheroins von 6-70% eine Welle von Überdosierungen auslösen, wenn den Konsumenten diese Veränderung nicht bekannt gemacht würde.


Die dem Verfasser bekannte Aktenlage lässt im konkreten Fall keine Konstellation erkennen, bei der von einer Gesundheitsschädigung durch den Konsum und/oder die Abgabe von Heroin im Bekanntenkreis der Angeklagten auszugehen wäre: • das bei der Angeklagten gefundene Heroin wies einen üblichen Wirkstoffgehalt und die toxikologisch unschädlichen Streckmittel Koffein und Paracetamol auf. Risiken aus einem ungewöhnlich hohen Wirkstoffgehalt (= unabsichtliche Überdosierung) oder durch toxische Beimengungen können nach Aktenlage ausgeschlossen werden (siehe Ad 5) • das Konsummuster der Angeklagten dürfe unter Zugrundelegung ihrer Selbstauskunft in quantitativer wie temporaler Hinsicht „kontrolliert“ (im weiteren Sinne) gewesen sein; ein gewisser Grad körperlicher Abhängigkeit würde dem nicht entgegenstehen, solange es zu keiner „süchtigen“ Fixierung auf die Drogenerfahrung als primären Existenzinhalt kommt (siehe Ad 3 a) • die Abgabe von Heroin üblicher Art und Güte an erwachsene Abnehmer, die seit längerer Zeit zum Bekanntenkreis der Angeklagten gehören und dieser als mündige und informierte Personen bekannt sind, die bereits seit längerer Zeit einen im Wesentlichen als unproblematisch erlebten Heroinkonsum pflegten, setzt diese keinen konkreten Gesundheitsgefahren, geschweige denn konkreten Schädigungen, aus (siehe Ad 3 b).


Social supply and minimally commercial supply

Wissenschaftliche Studien der letzten Zeit zeigen, dass ein wesentlicher Teil des Endverbrauchermarkts für illegale Drogen nicht den gewöhnlichen Prinzipien von Profiterzielung bzw. -maximierung folgt. Das betrifft auch einen nicht unerheblichen Teil der entgeltlichen Weitergabe, die als social supply, bzw. als minimally commercial supply mit geringen Risikoaufschlägen, bzw. geringen Profiten zwecks Eigenbedarfsdeckung stattfindet:

(104) „Diese Praktiken sind offenbar wesentlich durch die Bedingungen der Drogenprohibition bedingt: Angesichts der grundsätzlich eingeschränkten Verfügbarkeit der Substanzen existiert eine hohe Bereitschaft von Konsumierenden, sich gegenseitig ‚auszuhelfen‘, sei es durch Gratiskonsum, Schenkungen, ‚Sammelbestellungen‘ oder Kleinsthandel. Rechtlich gesehen handelt es sich bei derartigen Aktivitäten, sofern dabei Geld gegen Drogen ausgetauscht wird, ausnahmslos um Handel mit Btm, der ohne weiteres (105) als strafverschärfender, gewerbsmäßiger Handel‘ (BtMG, 2013) ausgelegt werden kann, da die Definitionen hierfür recht weit gegriffen sind (...). Insbesondere die ‚geringe Menge‘, bei der Verfahren folgenlos eingestellt werden können, wird dabei bereits bei ‚Sammelbestellungen‘ für nur wenige Personen leicht überschritten. ... Stellt man das Mindeststrafmaß für ‚nicht geringe Mengen‘ (das z.B. auch bei einem Social Supplier, der mehrere regelmäßige … versorgen würde, relativ leicht erreicht würde) beispielsweise dem für gefährliche Körperverletzung gegenüber (sechs Monate, in minder schweren Fällen drei Monate …) so entsteht angesichts der oben beschriebenen Modalitäten der Handelsaktivität der Eindruck einer gewissen Unverhältnismäßigkeit. Es ist schlichtweg kein Grund dafür denkbar, weshalb ein niemanden schädigendes Drogendelikt, durch das sich auch niemand nennenswert finanziell bereichert, härter bestraft werden sollte als ein schweres Gewaltdelikt. Die Kriminalisierung insbesondere junger Drogenkonsumierender sendet ohnehin bereits bedenkliche Signale aus, die nicht gerade das Vertrauen in den Rechtsstaat fördern, insbesondere angesichts der Willkürlichkeit, in der das BtMG von unterschiedlichen Richter/inne/n in unterschiedlichen Regionen angewendet wird (und praktisch nach dem Zufallsprinzip schwere Beschädigungen von Lebensläufen ansonsten gesetzeskonformer junger Menschen zur Folge hat). Das gilt in verschärftem Maße auch für das Ausmaß der Bestrafung von nicht-profitorientiertem Drogenhandel, das daher dringend zu überdenken ist.“


  • Aus: Werse, B. (2014): Wie kriminell sind 'Social Supplier' - Ergebnisse zum Drogenkleinsthandel aus zwei empirischen Studien. Rausch? Wiener Zeitschrift für Suchttherapie, 3 (2): 98-106 (104-105).
  • Siehe auch: Coomber, R. & Moyle, L. (2014) Beyond drug dealing: Developing and extending the concept of ‚social supply‘ of illicit drugs to ‚minimally commercial supply‘. Drugs: Education, Prevention, and Policy 21 (2) 157-164.

Literatur

Brecher, EM and the Editors of Consumer Reports Magazine (1972) The Consumers Union Report on Licit and Illicit Drugs, Chapter 5: Some Eminent Narcotic Addicts. Boston: Little, Brown & Co. (101-114) Zhou YL (2012) Principles of pain management. In: Daroff RB, Fenichel GM, Jankovic J, Mazziotta JC, eds. Bradley’s Neurology in Clinical Practice. 6th ed. Philadelphia, Pa: Elsevier Saunders Harding WM/ NE Zinberg (1977) The Effectiveness of the Subculture in Developing Rituals and Social Sanctions for Controlled Drug Use, in: Drugs, Rituals and Altered States of Consciousness, BM DuToit ed., Rotterdam: A. A. Balkema Harding WM/NE Zinberg/SM Stelmack/M Barry (1980) Formerly-Addicted-Now-Controlled Opiate Users, in: Substance Use & Misuse, Vol. 15, No. 1, 47-60 Harding, WM (1981) Kontrollierter Heroingenuß – ein Widerspruch aus der Subkultur gegenüber herkömmlichem kulturellem Denken. In: G Völker/K v Welck, Hg.; Rausch und Realität. Köln 1981: 1217-1231. Haves, W./ Schneider, W.: Kontrollierter Gebrauch illegaler Drogen – Forschungsstand und Konsequenzen. In: Wiener Zeitschrift für Suchtforschung 15/1992, S.29-36. Kemmesies, UF (2004) Zwischen Rausch und Realität. Drogenkonsum im bürgerlichen Milieu. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften Kemmesies, UF (2000) Umgang mit illegalen Drogen im ‚bürgerlichen‘ Milieu (UmiD). Bericht zur Pilotphase. Johann Wolfgang Goethe-Universität. Frankfurt: Reihe Forschungsberichte König, W/A Kreuzer (1998) Rauschgifttodesfälle: Kriminologische Untersuchung polizeilicher Mortalitätsstatistiken, Forum-Verlag Godesberg Kraus, L (2002) Epidemiologische Aspekte des Drogentodes. In: Kraus, L. & Püschel, K. , Prävention von drogenbedingten Not- und Todesfällen. Freiburg: Lambertus, 19-42 Legnaro, A/ Schmieder, A , Hg. (2005) Kontrollierter Drogenkonsum – Drogenkonsum als Lebenskontrolle (Jahrbuch Suchtforschung) Münster: LIT Scheerer, S (1995) Sucht. Reinbek: rororo Scheerer, S/I Vogt (1989) Drogen und Drogenpolitik. Ein Handbuch. Frankfurt/New York: Campus Schneider, W (1988) Welche Entwicklungsmöglichkeiten haben Heroinabhängige? In: Neue Praxis 3: 241-251. Schneider, W (1993) Heroinsucht: Gibt es ein Leben vor der Abstinenz? Epidemiologische Aspekte der Heroinverschreibung. In: Nimsch, M.: Heroin auf Krankenschein. Frankfurt, 13-46. Strieder, C (2001) Kontrollierter Gebrauch illegalisierter Drogen. Berlin Schippers, GM/E Cramer (2002) Kontrollierter Konsum von Heroin und Kokain. Suchttherapie 71-80 Teschke, R (1989) Alkoholwirkung im menschlichen Organismus, in: Scheerer/Vogt, 107-120 WHO (2013) International Classification of Diseases (ICD-10). Deutsche Ausgabe: Internationale Klassifikation psychischer Störungen: ICD-10 Kapitel V (F) Klinisch-diagnostische Leitlinien. München : Huber, 9. Aufl. van Wely, J.J.W.M. (1989) Körperliche Wirkungen des Opiatkonsums, in: Scheerer/Vogt, 299-312 Zinberg, NE (1984) Drug, set, setting. The basis for controlled intoxocant use. London Zinberg, NE, Jacobson, RC (1976) The natural History of „Chipping“. In: A J Psychiatry Vol. 133, 37-40.