Kinderrechte

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Rechtslage

Völker- und Europarecht

Im Völker- und Europarecht werden als "Kinder" Personen bezeichnet, die das 18.Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes (KRÜ, Artikel 1) und Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GRCharta, Art. 24)). Damit umfasst der Begriff "Kind" eine Altersgruppe, die in Deutschland weiter in Kinder und Jugendliche differenziert wird.

Im Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes steht die Anerkennung des Vorranges des Kindeswohls im Vordergrund. Bezogen auf Kinder, die von strafrechtlichen Ermittlungen betroffen sind, wird in Art. 40 KRÜ die Behandlung des Kindes im Strafrecht und Strafverfahren geregelt ( so ist die Würde des Kindes zu wahren und das Kind ist altersgemäß so zu behandeln, dass es seinem Wohl dienlich ist).
U.a. ist das Recht auf einen Beistand, auf eine baldige Entscheidung in einem fairen gerichtlichen Verfahren oder die Achtung der Privatsphäre des Kindes festgelegt. Es wird u.a. geregelt, dass die Staaten ein Strafmündigkeitsalter festlegen sollen, wobei keine angemessene Untergrenze benannt und die Festlegung in die Verfügung der einzelnen Staaten gelegt wird.
In Art. 37 KRÜ sind bezogen auf Kinder ein Verbot der Folter, der Todesstrafe und der lebenslangen Freiheitsstrafe geregelt.
Hinzuweisen ist darauf, dass die Tatsache der Ratifizierung der Konvention nicht bedeutet, dass es in den unterzeichnenden Staaten keine (z.T. auch massiven) Verletzungen der Kinderrechte mehr gibt.

Im Europarecht haben Kinder Anspruch auf Schutz und Fürsorge, die für ihr Wohlergehen notwendig sind (Art 24 EU-GRCharta, Kapitel III, Abs. 1), das Kindeswohl wird als vorrangig eingestuft (Abs. 2). Es gibt keine speziellen Regelungen zum Umgang mit tatverdächtigen Kindern. Es gelten die Mindeststandards für Strafverfahren (z.B. EU-GRCharta, Kapitel VI "Justizielle Rechte"). Neben der EU-Grundrechtecharta sind Artikel der Europäischen Menschenrechtskonvention bedeutsam (Art. 3, 5, 6 und 7 EMRK), in denen z.B. Beschuldigten bestimmte Verfahrensrechte absolut garantiert werden.

Deutschland

Auf verfassungsrechtlicher Ebene sind Kinder laut BVerfG von Geburt an wie Erwachsene Träger aller Grundrechte. Bezogen auf Grundrechte für Personen, die sich in einem Strafverfahren befinden, kommen verschiedene Artikel des Grundgesetzes (GG) zur Anwendung. Kinder sind nach § 19 StGB und § 1 Abs. 3 JGG nicht strafmündig und damit von einem Strafverfahren ausgeschlossen. Sie können sich nicht auf die angeführten grundrechtlichen Garantien berufen, sind aber über die Grundrechte hinaus geschützt.

In der einfachen Rechtsordnung besteht ein abgestuftes System rechtlicher Verantwortung, orientiert an einer zunehmenden Selbstständigkeit von Kindern und Jugendlichen: Es bestehen Altersgrenzen bezogen auf eine Geschäftsfähigkeit, auf eine Verantwortlichkeit Minderjähriger im zuvilrechtlichen Haftungsrecht und auf die Strafmündigkeit.

Bezogen auf den Umgang mit einem einer Tat verdächtigen Kindes ist aufgrund der Regelung des § 19 StGB umstritten, ob die Strafprozessordnung (StPO) Anwendung finden kann. So stellt bereits die Aufnahme einer Strafanzeige gegen ein Kind oder die Abgabe des Vorganges an die Staatsanwaltschaft im Prinzip eine Ermittlungstätigkeit der Polizei dar. Da eine solche vom Willen getragen ist, ein Strafverfahren gegen einen einer Straftat Verdächtigen zu betreiben, ist zu fragen, ob ein Kind unter Beachtung von § 19 StGB überhaupt eine Beschuldigteneigenschaft innehaben kann und entsprechend von Ermittlungen betroffen werden darf. Strafunmündigkeit stellt aufgrund einer normativ bindenden Schuldlosigkeitsvermutung bezogen auf Kinder ein Strafverfolgungshindernis dar. Eine formelle Sozialkontrolle im Sinne einer strafrechtlichen Verfolgung ist bei Kindern deshalb ausgeschlossen, da sie gem. § 19 StGB unwiderlegbar schuldunfähig sind.

Im Bereich des Polizei- und Ordnungsrechtes wird bezogen auf den Begriffe des "Störers" nicht zwischen Kindern und Erwachsenen bzw. zwischen Schulfähigen und Schuldunfähigen unterschieden. Gegenüber dem "Störer" muss auch kein Tatverdacht bestehen, der darauf abzielt, ein Strafverfahren gegen die Person zu betreiben. Gefahrenabwehrrechtliche Vorschriften können insofern auch bei Kindern angewendet werden. Hierzu wird die Problematik diskutiert, ob das Polizeirecht erlauben kann, was die StPO verbietet. Soweit die Polizei präventive Maßnahmen der Gefahrenabwehr gegen Kinder anwenden dürfen soll, müssen diese der Verhältnismäßigkeit unterliegen, kind- und sachbezogen sein.
Kinder können bei einem bestehenden Tatverdacht von der Polizei mit den Eltern zu einer informellen Anhörung geladen werden, dabei dürfen sie weder zur Wahrheit ermahnt noch seitens der Polizei erzieherisch beeinflusst werden. Bereits durch die Situation an sich ergibt sich jedoch ein gewisser ermahnender Charakter im Sinne einer Verdeutlichung, dass das gezeigte Verhalten nicht normkonform war.

Eine besondere Problematik stellt sich bezogen auf die Speicherung von Daten über kinderdelinquentes Verhalten, soweit diese in einem späteren Jugendstrafverfahren zur Kenntnis gelangen. Es ist einzubeziehen, dass die Kenntnis dieser Informationen (die im Sinne einer Einschätzung des bisherigen Sozialverhaltens eingeordnet werden können) Einfluss auf die Beurteilung des jugendlichen Fehlverhaltens haben kann. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass zum einen bereits die Registrierung kindlicher Delinquenz von Verzerrungen betroffen ist und dass zum anderen auch die Episodenhaftigkeit und Ubiquität kindlicher Delinquenz einbezogen werden müssten.

Eine Konfrontation des Kindes mit formellen Reaktionen kann auch durch kinder- und jugendhilferechtliche Reaktionen (z.B. §§ 11 ff SGB VIII, §§ 16 ff SGB VIII und §§ 22 SGB VIII), familiengerichtliche Maßnahmen bezüglich eventueller Sorgerechtsentscheidungen und Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen durch schulische Einrichtungen erfolgen.
Reaktionsformen der Jugendhilfe können z.B. auf freiwilliger Basis eine Erziehungsberatung oder freiwillige Erziehungshilfe sein. Hierbei ist einzubeziehen, dass diese Hilfen durch die Familien beantragt werden müssen und ggf. mit Kosten verbunden sind.
Bei einer angenommenen Gefährdung des Kindeswohles kann den Eltern nach §§ 1666, 1666 a BGB das Sorgerecht ganz oder teilweise entzogen werden. Durch Anordnung des Familiengerichtes können z.B. eine Erziehungsbeistandschaft oder eine Fürsorgeerziehung erfolgen (§§ 55 ff. JWG). Maßnahmen des Familiengerichtes haben dabei vor allem eine kontrollierende und nur wenig eine unterstützende Funktion bezogen auf die Familie, im Sinne des Wächteramtes des Staates (Art 6 II 1 GG). Hierbei wird u.a. diskutiert, inwieweit durch gerichtlich angeordnete Maßnahmen wie eine Fürsorgeerziehung Stigmatisierungseffekte entstehen können, die ggf. eine Entstehung sekundärer Devianz begünstigen können.

Rechtswirklichkeit

Literatur

Weblinks