Jugendstrafanstalt Ichtershausen

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Jugendstrafanstalt Ichtershausen

In Ichtershausen, welches im Ilmkreis nur wenige Kilometer von Arnstadt entfernt liegt, befindet sich die Jugendstrafanstalt Thüringens. Dort verbüßen bis zu 196 junge Männer ihre Jugendstrafen.


Zuständigkeit

Die Zuständigkeit der Jugendstrafanstalt (JSA) Ichtershausen ergibt sich aus der Thüringer Verordnung über den Vollstreckungsplan vom 16. Juni 2010. Laut dieser Verordnung wird die Untersuchungshaft an männlichen Personen im Alter von 14 bis unter 21 Jahren und an jungen Untersuchungsgefangenen, die zur Tatzeit das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten und die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sowie Jugendstrafen an männlichen Gefangenen im Alter von 14 bis unter 16 Jahren aus dem Einzugsbereich des Amtsge-richts Weimar in der Zweiganstalt der JSA in Weimar vollzogen. Jugendstrafen an männlichen Gefangenen, die diese Bedingungen nicht erfüllen werden in der Stammanstalt der Jugendstrafanstalt Ichtershausen vollstreckt.

Geschichte

Ursprünglich waren die Gebäude der JSA Ichtershausen ein herzogliches Schloss und ein 1147 errichtetes Zisterzienserinnenkloster. In den Jahren 1871 bis 1872 wurden diese Gebäude als ein Militärgefangenenlager und 1875 bis 1876 als eine Kinderbewahranstalt genutzt. Bei einer Besprechung der Thüringischen Staaten am 21. Juni 1876 wurde beschlossen die Liegenschaft als Landesgefängnis für Thüringen auszubauen. Etwa 1 Jahr später am 1. Juli 1877 nahm das Landesgefängnis den Betrieb auf.

Es konnten zunächst 166 sowohl jugendliche als auch erwachsene Männer und Frauen ab 12 Jahren untergebracht werden, die in vier Abteilungen nach Geschlecht und Alter aufgeteilt waren. Die Aufnahmekapazität wurde in den folgenden Jahren durch den Bau zusätzlicher Gebäude erhöht. Ab dem 1. Dezember 1903 beherbergte das Gefängnis nur noch männliche Gefangene, da die Frauen in das Gefängnis von Gräfentonna verlegt wurden. 1924 wurden die jugendlichen Häftlinge in das neu errichtete Jugendgefängnis Eisenach verlegt.

Während der Zeit des Nationalsozialismus war die Strafanstalt oft überbelegt. Im Februar 1945 beherbergte sie mehr als 750 Häftlinge, unter denen sich viele politische Gefangene befanden. Am 10. April 1945 kam es zu Plünderungen und Verwüstungen durch die Insassen als die amerikanischen Truppen die Anstalt mit Waffengewalt besetzten. Im darauf folgenden Juni saßen nur noch 103 Männer in Ichtershausen ein.

Ab dem 1. Juli 1950 wurde die Strafanstalt zum Jugendhaus mit Berufsschule, Kultursaal und Kinovorführraum für die inhaftierten Jugendlichen. In den nächsten 30 Jahren wurden mehre-re neue Gebäude errichtet und verschiedene Ausbildungsgänge angeboten. 1979 erhielt das Jugendhaus die Bezeichnung Jugendstrafanstalt.

Die Gebäude wurden zunehmend baufällig. Bei einem Hungerstreik am 6. Dezember 1989 forderten die Gefangenen deshalb bessere Haftbedingungen, Reformen und eine umfassende Amnestie. Ab dem 1. November 1991 bis zum 2. Oktober 1993 fanden umfangreiche, aber überwiegend provisorische Sanierungsmaßnahmen statt, um die Anstalt zeitgemäß, menschenwürdig und sicher zu gestalten. Die Jugendlichen verbrachten diese Zeit in den Justizvollzugsanstalten in Erfurt und Untermaßfeld.

Die Abteilung für den offenen Vollzug konnte am 1. Januar 1997 und die „halboffene“ Wohngruppe für lockerungsgeeignete Gefangene im Juli 2000 eröffnet werden. Die Zweiganstalt Weimar wurde ab dem 1. Juli 2001 der JSA Ichtershausen angegliedert. Eine sozialtherapeutische Abteilung, in der Brandstifter, Gewalt- und Sexualstraftäter betreut werden, ist im September 2008 eingerichtet worden.

Das Leben in der JSA Ichtershausen

Gemäß § 90 Absatz 1 Jugendgerichtsgesetz soll „der Vollzug des Jugendarrestes […] das Ehrgefühl des Jugendlichen wecken und ihm eindringlich zum Bewusstsein bringen, dass er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat. Der Vollzug des Jugendarrestes soll erzieherisch gestaltet werden. Er soll dem Jugendlichen helfen, die Schwierigkeiten zu bewältigen, die zur Begehung der Straftat beigetragen haben.“

Um dies zu erreichen können die Jugendlichen zur Schule gehen bzw. eine Ausbildung machen, sich an verschiedenen Projekten und Therapien beteiligen und im offenen Vollzug beginnen ihr Leben nach der Haft zu organisieren.

Unterbringung

Die JSA in Ichtershausen umfasst 5 Vollzugsabteilungen mit insgesamt 12 Wohngruppen, in denen die Gefangenen meist zu zweit in einem Haftraum untergebracht sind. Im geschlossenen Vollzug gibt es 182 Haftplätze und im offenen Vollzug 14 Haftplätze. Wenn nicht zu befürchten ist, dass ein Gefangener im geschlossenen Vollzug sich seiner Freiheitsstrafe entzieht oder außerhalb der Anstalt eine Straftat begeht, darf mit dessen Zustimmung eine Lockerung des Vollzuges (§ 11 Strafvollzugsgesetz [StVollzG]) oder die Verlegung in den offenen Vollzug (§ 10 Abs. 1 StVollzG) erfolgen. Dies dient der Vorbereitung auf die Entlassung und der Eingliederung des Häftlings in die Gesellschaft. Im offenen Vollzug lernen die Jugendlichen ihr Leben selbst zu organisieren und soziale Kontakte auszubauen. Dazu können sie ein Berufs- oder Ausbildungsverhältnis außerhalb der JSA aufnehmen und bei Projektarbeiten, wie dem „Romanischen Jahr“, oder in der Gärtnerei des Fördervereins „Neues Kloster“ tätig werden.

Schule, Ausbildung und Arbeit

Um schulische Defizite der Jugendlichen zu vermeiden besuchen vollzeitschulpflichtige und interessierte Häftlinge die Hauptschule. Weiterhin werden zwei Lehrgänge des Berufsvorbereitungsjahres in den Bereichen „Metall/Elektro“ und „Bau/Holz“ sowie berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen in den Berufsfeldern Farbe, Holzbearbeitung, Metallbearbeitung, Elektro, Fahrradmonteur, Bau, Garten- und Landschaftsbau, Lehrküche und Kreativ angeboten.

Diese Maßnahmen werden im Rahmen des Projektes BISS (Berufsbildung und Integration Strafgefangener und Strafentlassener) durchgeführt und durch die Agentur für Arbeit sowie den Europäischen Sozialfond gefördert. Die Grone-Bildungszentren Thüringen GmbH und die Staatliche Berufsbildende Schule Arnstadt führen die Berufsausbildung durch. Die Gefangenen können zum Beispiel eine Ausbildung zum Teilezurichter, Hochbaufacharbeiter oder Bauten- und Objektbeschichter machen.

Zuletzt besteht die Möglichkeit für die Anstalt (z. B. in der Küche) oder im Unternehmerbetrieb zu arbeiten. Dieser stellt für Unternehmen verschiedene Erzeugnisse mit überwiegend unternehmereigenen Mitteln her und erbringt Leistungen (z. B. Verpackungsarbeiten).

Freizeitgestaltung

Die Häftlinge der JSA haben viele Möglichkeiten ihre Freizeit durch Behandlungen, Projekte oder andere Angebote zu gestalten. Zur Behandlung gibt es Suchtgruppen, Anti-Aggressivitäts-Training, Schuldenberatung, Entspannungstraining, Delikt- und Motivationsgruppen sowie individuelle Einzeltherapien und Entlassungsseminare.

Weiterhin können folgende Angebote genutzt werden:

  • Hip-Hop Projekt
  • Trommelgruppe
  • Bereitstellung von Gitarren
  • „Gitter Revival Band“
  • Spiele mit dem Anstaltspfarrer
  • Gefangenenzeitung „Abfahrt“
  • Nutzung der Bibliothek
  • Theatergruppe
  • Modellbau
  • Tierprojekt
  • Laufgruppe mit Teilnahme am jährlichen Staffelwettbewerb
  • Fußballprojekt „Anstoß für ein neues Leben“
  • Kraftsport

Im Jahr 2000 drehte die Theatergruppe einen 93minütigen Dokumentarfilm, der mehrere internationale Auszeichnungen erhielt. Des Weiteren führten einige Häftlinge mit Studenten der Friedrich-Schiller-Universität Jena das Projekt "Romanik in Thüringen" durch und schrieben zusammen das Buch „Romanische Wege um Arnstadt und Gotha“.

Mitarbeiter

Zurzeit werden in der JSA etwa 110 Bedienstete beschäftigt. Darunter sind etwa 90 Mitarbeiter im mittleren allgemeinen Vollzugsdienst und etwa 20 Mitarbeiter im höheren und gehobenen Dienst. Neben Volljuristen, Vollzugs- und Verwaltungsabteilungsleitern sind unter anderem auch Sozialpädagogen, Psychologen und Ärzte tätig. Des Weiteren wird die Anstalt von einem katholischen Pfarrer und einem evangelischen Pastor betreut, sowie von 15 ehrenamtlichen Vollzugshelfern bei der Einzelbetreuung, der Sucht- und Drogenberatung, den Spielstunden und beim Unterricht unterstützt.

Neubau in Arnstadt

Im Jahr 2013 wird die Jugendstrafanstalt von Ichtershausen und Weimar sowie die Jugendarrestanstalt Weimar nach Arnstadt umziehen. Dafür wird momentan am östlichen Stadtrand von Arnstadt eine neue Jugendstrafanstalt mit integrierter Jugendarrestanstalt errichtet. Auf dem etwa 14.500 m² großen Gelände werden sich 340 Haft- und Arrestplätze sowie unter anderem Werkstätten, Schulräume, eine Sporthalle und eine Kirche befinden. Der feierliche erste Spatenstich fand am 14.08.2009 statt. Dieser Neubau wird allen Anforderungen des neuen Landesjugendstrafvollzugsgesetzes entsprechen und etwa 73,4 Millionen Euro kosten.

Literatur

  • Chronik zum 130jährigen Bestehen der JSA
  • Kurzbeschreibung der Jugendstrafanstalt Ichtershausen – Stammanstalt (Stand: 01.12.2010)

Weblinks