Jugendarrest

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Der Jugendarrest ist eine Erziehungsmaßnahme nach dem Jugendgerichtsgesetz (JGG) und dient der Sanktionierung straffällig gewordener Jugendlicher und Heranwachsender mittels kurzfristigen Freiheitsentzuges. Um die Zeit des Arrestes sinnvoll zu nutzen, ist dieser mit erzieherischen Inhalten und Hilfsangeboten zu füllen, um den verschiedenen Problemlagen gerecht zu werden.

Geschichte

Erste Vorüberlegungen zu einer kurzen freiheitsentziehenden Erziehungsmaßnahme für Jugendliche stammen bereits aus dem Jahr 1911 als der Pädagoge Friedrich Wilhelm Förster eine Form des Arrestes als Besinnungsstrafe forderte. Diese Idee setzte sich trotz vieler fachlich geführten Diskussionen (vor allem auf den Jugendgerichtstagen) nicht durch. Erst Freisler, mit dem Amt des Staatssekretärs im Reichsjustizministerium bekleidet, setzte sich mit der Interpretation einer Short-Sharp-Shock-Strafe des Arrestes politisch durch (vgl. Pieplow, S. 112). Am 04.10.1940 wurde der Jugendarrest als Zuchtmittel für Jugendliche, denen das Gemeinschaftswidrige ihres Verhaltens ins Bewusstsein gebracht werden sollte, durch die Verordnung des Reichsverteidigungsrates zur Ergänzung des Jugendstrafrechts eingeführt (vgl. Pieplow, S. 111 f.).

„Die Kost ist auf Brot und Wasser beschränkt. (…) Der Jugendliche erhält hartes Lager. (…) Im Dauerarrest werden der erste und letzte Tag als strenge Tage vollzogen. Im Übrigen folgt in den ersten zwei Wochen auf je drei Arbeitstage ein strenger Tag, (…).“ (vgl. Peters, S. 95 ff.)

Nach dem Nationalsozialismus stieß vor allem der Vollzug des Arrestes auf Kritik, 1963 entschied der Bundesgerichtshof, dass der Jugendarrest nicht nur strafend, sondern auch erzieherisch wirken soll. Durch die 1976 eingeführte Jugendarrestvollzugsordnung wurden die Bedingungen zum Vollzug gemildert. Erst mit der Änderung des Jugendgerichtsgesetzes 1990 wurden im § 90 Abs. 1 JGG der Erziehungsgedanke und die pädagogische Ausgestaltung des Arrestes gesetzlich festgeschrieben (vgl. Tiemann, S. 11 f.).

Rechtliche Grundlagen

Durch die Föderalismusreform im Jahr 2006 ist die Gesetzgebungskompetenz zur inhaltlichen Ausgestaltung des Jugendarrestvollzuges vom Bund auf die einzelnen Bundesländer übergegangen. Gesetzliche Grundlage ist bisher noch in den meisten Bundesländern das Jugendgerichtsgesetz und die Jugendarrestvollzugsordnung aus dem Jahr 1976. Einige, wenige Bundesländer, darunter Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Schleswig-Holstein haben bereits ein eigenständiges Jugendarrestvollzugsgesetz verabschiedet. Alle anderen Bundesländer arbeiten entweder an Gesetzen zur Gestaltung des Jugendarrestvollzuges oder haben die Entwürfe auf den Weg der Gesetzgebung gebracht (vgl. http://www.dvjj.de/themenschwerpunkte/jugendarrest).

Arten des Arrestes

Urteilsarrest nach §§ 13, 16 JGG

Der Jugendarrest ist ein kurzfristiger, rasch einsetzender Freiheitsentzug mit sühnendem und erzieherischem Charakter. Er soll ohne Neben- und Fernwirkungen einer Strafe als tatbezogener Ordnungsruf den jungen Menschen zur Selbstbesinnung führen, ihm eindringlich zum Bewusstsein bringen, dass er für das begangene Unrecht einzustehen hat, und kurzfristigen Verfehlungen durch sozialpädagogische Hilfen vorbeugen. § 13 Absatz 2 Nr. 3 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) ordnet den Jugendarrest im dritten Abschnitt unter die sogenannten Zuchtmittel. Mit dem Urteilsarrest soll vordergründig kurzzeitpädagogisch auf den Täter eingewirkt werden, aber auch die Straftat geahndet werden. Nach § 13 Abs. 3 haben Zuchtmittel, und somit auch der Jugendarrest als schärfstes Zuchtmittel, zwar keinen Strafcharakter, laut Bundesgerichtshof enthält der Jugendarrest aber Elemente der Strafe (vgl. BGHSt 18, S. 209). Dies bedeutet, der Arrestierte gilt nicht als vorbestraft, empfindet den Vollzug des Arrestes aber als Bestrafung auf die begangene Straftat. Im § 13 JGG heißt es wörtlich: „Der Richter ahndet die Straftaten mit Zuchtmittel, wenn Jugendstrafe nicht geboten ist, dem Jugendlichen aber eindringlich zu Bewusstsein gebracht werden muss, dass es für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat“. Im § 90 Abs. 1 JGG wird deutlich, dass der Jugendarrest in seiner kurzfristigen stationären Form die Möglichkeit bieten soll, auf den Arrestierten durch Gespräche und Beratung erzieherisch einzuwirken, das Ehrgefühl zu wecken, neues Interesse zur Veränderung zu wecken und durch feste Tagesstrukturen und alltagsorientierte Aufgaben erste Impulse zu setzen, um ein eigenverantwortliches straffreies Leben zu führen.

Der sogenannte Warnschussarrest nach § 16 a JGG

Zur Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten des Jugendgerichts wurde das sich aus § 8 Absatz 2 Satz 2 JGG ergebende Koppelungsverbot bezüglich Jugendstrafe und Jugendarrest teilweise aufgehoben. Nach Satz 1 ist folgender Satz eingefügt: „Unter den Voraussetzungen des § 16a kann neben der Verhängung einer Jugendstrafe oder der Aussetzung ihrer Verhängung auch Jugendarrest angeordnet werden.“ Ein weiterer möglicher Anwendungsfall liegt aufgrund des Verweises in dem neuen § 61 Absatz 3 Satz 1 JGG vor, wenn im Urteil die Entscheidung über die Aussetzung einer verhängten Jugendstrafe einem nachträglichen Beschluss vorbehalten wird. Durch den sogenannten Warnschussarrest soll vermieden werden, dass die Aussetzung zur Bewährung gleichsam als „Freispruch zweiter Klasse“ empfunden werden könnte, und zwar insbesondere, wenn Mitverurteilte mit geringerem Tatbeitrag ihrerseits einen Jugendarrest zu verbüßen hätten. Der Jugendarrest neben der zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe soll hier das Unrecht und die Konsequenzen des Fehlverhaltens nachdrücklich verdeutlichen und einen erforderlichen Impuls zur Verhaltensänderung setzen. In entsprechenden Fällen soll er auch dazu dienen, Betroffene zunächst für eine Übergangszeit aus einem schädlichen Umfeld herauszunehmen und/oder die Bewährungszeit gezielt einzuleiten.

Der Beugearrest, auch Ungehorsamsarrest genannt, nach §§ 11 Abs. 3, 15 JGG

Der Beugearrest nach § 11 Abs.3 Satz 1 JGG oder § 15 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 11 Abs. 3 JGG, der in allen Arrestformen verhängt werden kann, ist eine spezifisch für das Jugendstrafverfahren geltende Beugemaßnahme, die den alleinigen Zweck verfolgt, indirekt auf die Erfüllung der Weisungen oder Auflagen hinzuwirken. Diese Rechtsnatur wird durch § 11 Abs. 3 Satz 3 verdeutlicht, wonach ein Absehen von der Vollstreckung des Arrestes nach der Erfüllung der Weisung oder Auflage nunmehr zwingend ist. Dieser Arrest ist auch kein Zuchtmittel im Sinne von § 5 Abs.2, 13 Abs. 2 Nr. 3 JGG. Der Schwerpunkt der Betreuung während der Vollstreckung liegt insoweit naturgemäß bei der Einleitung von Maßnahmen, mit denen die nachträgliche Erfüllung richterlicher Weisungen oder Auflagen erreicht werden soll. Es gilt das Bewusstsein der Arrestierten für die Notwendigkeit der Erfüllung der Maßnahmen und der Konsequenzen bei weiterer Nichterfüllung zu schärfen.

Formen des Arrestes

Die drei definierten Arten des Jugendarrestes können in den folgenden beschriebenen Formen vollstreckt werden: Gemäß § 16 Absatz 4 JGG beträgt der Dauerarrest mindestens eine Woche und höchstens vier Wochen. Diese Arrestform kommt in der Regel zur Anwendung bei Straftaten, in denen noch keine schädlichen Neigungen hervorgetreten sind bzw. die Schuld nicht so schwer wiegt, dass eine Jugendstrafe nach §17 Abs.2 JGG verhängt werden musste.

Nach § 16 Abs. 2 wird der Freizeitarrest für die wöchentliche Freizeit verhängt und auf ein oder zwei Freizeiten bemessen, die Vollstreckung erfolgt in der Regel an den Wochenenden. Der Kurzarrest wird statt des Freizeitarrestes verhängt, wenn der zusammenhängende Vollzug aus Gründen der Erziehung zweckmäßig erscheint und weder die Ausbildung noch die Arbeit des Jugendlichen beeinträchtigt werden. Freizeit- und Kurzarrest sind in der Regel bei fahrlässigen und geringfügigen Vergehen mit vergleichsweise geringer Schuld angezeigt. Nicht selten werden sie verhängt, wenn Jugendliche oder Heranwachsende die ihnen im Rahmen einer vorläufigen Einstellung nach §§ 45,47 JGG gewährte Chance nicht genutzt haben.


Unterbringung

Laut §90 Abs.2 JGG wird „der Jugendarrest in Jugendarrestanstalten oder Freizeitarresträumen der Landesjustizverwaltung vollzogen. Vollzugsleiter ist der Jugendrichter am Ort des Vollzuges.“ Im § 1 JAVollzO werden die Anforderungs- und Abgrenzungskriterien für eine Vollzugseinrichtung des Jugendarrestes definiert. Absatz 1 definiert u. a., dass Dauerarrest, Kurzarrest und Freizeitarrest in einer Jugendarrestanstalt vollzogen werden. Absatz 2 bestimmt, dass Jugendarrestanstalten nicht in Straf- oder Untersuchungshaftanstalten, auch nicht im Verwaltungsteil dieser Anstalten eingerichtet werden dürfen. Absatz 3 schreibt vor, dass männliche und weibliche Jugendliche getrennt untergebracht werden. Absatz 4 bestimmt, dass Jugendarrestanstalten nicht weniger als 10 und nicht mehr als 60 Jugendliche aufnehmen sollen.


Aktuelle Diskussion zum Jugendarrest

Die im Jahr 2003 veröffentlichte bundesweite Rückfalluntersuchung zum Jugendarrest ergab eine Rückfallquote von 70 %, die zweite aus dem Jahr 2010 veröffentlichte eine Quote von 64,1 % (vgl. Ostendorf, S. 77). Unter anderem liegen in diesen hohen Rückfallquoten die Gründe für die lang anhaltende, sehr kontrovers geführte Diskussion. So formulierte die 2. Jugendstrafrechtsreform-Kommission die Abschaffung des Jugendarrestes – konnte ihre Forderung jedoch nicht durchsetzen und regt nun eine Reformierung des Arrestes und zugleich eine Zurückdrängung des Arrestes (vgl. Höynck, S. 140 f.). Sehr strittig sind außerdem die vielen verschiedenen Formen der pädagogischen Ausgestaltung des Arrestes im Bundesgebiet. So wird beispielsweise der Freizeitarrest mit einem hohen Anteil an Vollstreckungen diskutiert, da dieser in der Praxis oftmals mit bloßen Einschluss und ohne erzieherische Ausgestaltung verbüßt wird und somit den Charakter der Short-Sharp-Shock-Strafe trägt (vgl. Ostendorf, S.75). Auch die Vollstreckung des Beugearrestes bei Jugendlichen, die ihrer Schulpflicht nicht nachkommen, wird sehr kritisch diskutiert, da diese durch die Arrestverbüßung weitere Stigmatisierungen erfahren. Die Forderung nach integrativen sozialpädagogischen Schulmaßnahmen der Jugendhilfe werden als wirkungsvoller Ersatz zum Jugendarrest gesehen (vgl. Ostendorf, S. 76). Aus diesen verschiedenen Gründen und der Föderalismusreform bildete sich die Fachkommission Jugendarrest/ Stationäres soziales Training unter Leitung von Heribert Ostendorf und entwickelte eine Vielzahl von Forderungen zur pädagogischen Reformierung des Jugendarrestes. Diese entwickelten Mindeststandards beinhalten Ausführungen zur Nachsorge der Arrestierten, zur Arbeit mit Angehörigen, zur personellen Ausstattung der Arrestanstalten und zur pädagogischen Arbeit innerhalb der Arrestanstalt in Form eines sozialen Trainings (vgl. http://www.soziale-strafrechtspflege.de/index.php?option=com_content&task=view&id=15). In zweijährigen Abständen finden DVJJ-Tagungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Jugendarrest statt. Diese werden nicht nur für den Praxisaustausch der verschiedenen bundesweiten Arrestanstalten genutzt, sondern es werden auch Standards entwickelt und verschiedene Themenschwerpunkte diskutiert. Auf diesen Tagungen wird die sehr verschiedene pädagogische Ausgestaltung der einzelnen Arrestanstalten sehr deutlich. Beispielsweise wird der Jugendarrest in Dresden im Haus des offenen Männervollzuges mitvollstreckt und hat keinerlei eigenes pädagogisches Personal. Der Jugendarrest in Schleswig Holstein widerum arbeitet nach dem Jugendarrestvollzugsgesetz vom 01.01.2015 mit eigens für den Arrest ausgewählten pädagogischen Personal und bietet verschiedene Maßnahmen zur Förderung einer straffreien Lebensführung an.

Weblinks

http://www.dvjj.de/themenschwerpunkte/jugendarrest

http://www.soziale-strafrechtspflege.de/index.php?option=com_content&task=view&id=15


Literatur

  • Dieter Dölling (2014), Rechtliche Grundlagen des Jugendarrestes., In: Zeitschrift für Jugendkriminalität und Jugendhilfe 2/14
  • Theresia Höynck (2014), Der Jugendarrest – mehr als nur Detailfragen!, In: Zeitschrift für Jugendkriminalität und Jugendhilfe 2/14
  • Heribert Ostendorf (2015), Der Jugendarrest – von der nationalsozialistischen Short-Sharp-Shock-Strafe zum stationären sozialen Training., In: Björn Redmann, Marcus Hußmann (Hrsg.): Soziale Arbeit im Jugendarrest. Zwischen Erziehung und Strafe, Weinheim und Basel
  • Karl Peters (Hrsg.)(1942), Jugendgerichtsgesetz von 1923 mit ergänzenden Gesetzen, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften auf dem Gebiete des Jugendstrafrechts., Berlin
  • Lukas Pieplow (2014), Einführung des Jugendarrests in Deutschland – Kontinuität oder Zäsur?, In: Zeitschrift für Jugendkriminalität und Jugendhilfe 2/14
  • Franziska Tiemann (2015), Der Jugendarrest als Chance. Möglichkeiten der sozialpädagogischen Intervention im Jugendarrest., Hamburg