JVA Celle-Salinenmoor

Die Justizvollzugsanstalt Celle-Salinenmoor (Leitung: Peter Oberländer) ist eine Aussenstelle der JVA Celle, in der ca. 250 erwachsene Männer inhaftiert sind.

Anschrift: Salinenmoor 6, 29229 Celle Telefon (0 50 86) 29 10 // Telefax (0 50 86) 2 91401

Aus der Homepage der Anstalt: "Sie sollen nicht nur sicher untergebracht werden sondern lernen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Dazu gehört, dass den Gefangenen zur Erhaltung und Verbesserung ihrer Fähigkeiten auch eine Erwerbstätigkeit angeboten wird. So sind auch in der Justizvollzugsanstalt Salinenmoor Arbeitsbetriebe, sogenannte Eigen- und Unternehmerbetriebe, eingerichtet, in denen unterschiedliche Arbeiten ausgeführt werden. Wir bieten Ihnen eine preiswerte, schnelle und zuverlässige Arbeit und beraten Sie gern. Bitte informieren Sie sich bei der Arbeitsverwaltung. Herr Wehrs. Tel.: 05086/291-120, Fax: 05086/291-407."


Ereignisse

  • 1996 wurde die Gefängnisdirektorin bei einer Geiselnahme von einem Häftling vergewaltigt. Dieser hatte am 26.02.1996 zunächst eine Sozialarbeiterin als Geisel genommen und vergewaltigt. Nachdem Katharina Bennefeld-Kersten, eine fünfzigjährige Diplompsychologin, die das Gefängnis seit Oktober 1991 leitete, sich gegen die erste Geisel hatte austauschen lassen, wurde auch sie missbraucht, bevor sich der Häftling vier Stunden später ergab. Die Anstaltsleiterin nahm ihren Dienst nach drei Tagen wieder auf und schrieb später ein Buch, in dem sie u.a. den Polizeieinsatz kritisch unter die Lupe nahm. Uta König verarbeitete den Fall in einer im Frühjahr 1998 ausgestrahlten neunzig Minuten langen Fernsehdokumentation: "Eine Frau im Männerknast", die mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde. Sie schrieb dann auch zusammen mit Christian Görlitz das Drehbuch zu dem Spielfilm "Die Geisel".
  • 2008 wurde ein 28 Jahre alter Gefangener, der eine achtmonatige Haftstrafe wegen wiederholten Schwarzfahrens verbüßte, von zwei weiteren Gefangenen, mit denen er zusammen in einer Zelle untergebracht war, misshandelt. Laut Anklage wurde der Gefangene in der Nacht vom 19. zum 20. Januar 2008 von etwa 20:30 Uhr bis 2:00 Uhr u.a. wiederholt zu Anal- und Oralverkehr gezwungen, zum Suizid durch Erhängen an einem von den Mitgefangenen aus Geschirrtuchfetzen geknoteten Strick aufgefordert und ca. 50 mal mit Schlägen und Tritten an den Kopf und auf den Hals misshandelt. Am Montagnachmittag bat er - der schon sechs Tage nach seinem Einzug in die Gemeinschaftszelle vergeblich um eine Einzelzelle gebeten hatte - einen Bediensteten um die Erlaubnis, in einer anderen Zelle schlafen zu dürfen. Diese Bitte wurde abgelehnt. Das Opfer habe den Wunsch nach einer Einzelzelle - die rechtlich die Normalform der Unterbringung gewesen wäre - "nicht so dringend vorgetragen"; deshalb habe man nicht reagiert. Auch sollen keine Verletzungen bemerkt worden sein. Erst am zweiten Morgen nach der Tat habe ein weiterer Mithäftling, dem sich das Opfer anvertraut hatte, die Sache publik gemacht - und erst daraufhin, im Laufe des Dienstags, seien die lebensgefährlichen Verletzungen (u.a. Jochbeinbruch) vom Anstaltsarzt festgestellt worden. So jedenfalls der Bericht von Oberstaatsanwalt Bernd Kolkmeier. In der Folge wurde das Opfer dann auch verlegt.

Am 25.03.08 berichtete die Presse, der Vorfall sei eventuell dramatisiert worden. Die Hannoversche Allgemeine (Internetausgabe) schrieb am 25.03.08: "Während die SPD am Dienstag verlangte, im zuständigen Landtagsausschuss Anfang April sowohl Justizminister Bernd Busemann als auch seine Vorgängerin Elisabeth Heister-Neumann (beide CDU) zu vernehmen, mehren sich Zweifel an den bisherigen Darstellungen. Inzwischen schält sich die Chronologie der Ereignisse etwas genauer heraus:

Anfang Januar: Der Gefangene beantragt, gemeinsam mit zwei anderen untergebracht zu werden. Die Anstalt prüft den Fall und hat keine Einwände.

11. Januar: Der 28-Jährige wird mit einem Gleichaltrigen und einem 33-Jährigen zusammen untergebracht.

17. Januar: Das spätere Opfer fragt nach, ob sie nicht doch wieder getrennt werden könnten, weil die Verständigung nicht so gut klappe. Der Stationsdienst sagt, dies sei spontan nicht möglich. Wenig später teilen die drei mit, sie wollten doch zusammen untergebracht bleiben. Man wolle versuchen klarzukommen.

19. Januar: In der Nacht zum 20. Januar muss der 28-Jährige verprügelt worden sein. Er berichtet Tage später, die beiden anderen hätten massiv auf seinen Kopf eingeschlagen und ihn getreten. Er sei von dem Älteren auch vergewaltigt worden. Die beiden anderen hätten ihn zwingen wollen, sich mit zusammengeknüpften Teilen eines Geschirrtuches zu erhängen. In der Anstalt bleiben die Vorfälle unerkannt, die Bediensteten merken nichts.

21. Januar: Justizbeamte bemerken blutunterlaufene Augenränder beim Opfer, die darauf schließen lassen, dass er verprügelt wurde. Das Opfer soll aber gesagt haben, ihm sei nichts passiert. Er wird in eine andere Zelle verlegt und vertraut sich einem Mitgefangenen an.

22. Januar: Das Opfer meldet sich beim Sanitäter und berichtet von den schweren Misshandlungen. Der Mitgefangene, dem er sich offenbart hat, gibt ein Gedächtnisprotokoll ab. Der Gefängnisarzt stellt bei der ersten Untersuchung leichte Schürfwunden am Körper, Würgemale am Hals und Hämatome am Kopf fest – also blaue Flecken. Von lebensgefährlichen Verletzungen ist nicht die Rede. Das Opfer wird nicht ins Gefängnis, sondern in eine andere Zelle verlegt. Das Justizministerium entscheidet, den Unterausschuss des Landtags erst zu informieren, wenn die rechtsmedizinische Untersuchung zu einem Ergebnis gekommen ist.

23. Januar: Die rechtsmedizinische Untersuchung schließt sich an, ihr Resultat allerdings wird erst am 6. Februar vorgelegt. Darin ist von „potenziell lebensbedrohlichen“ Schlägen auf den Kopf die Rede. Eine Bestätigung für die Angabe des Opfers, vom Mithäftling vergewaltigt worden zu sein, finden die Gutachter nicht – sie können das allerdings auch nicht ausschließen. Wie Oberstaatsanwalt Bernd Kolkmeier sagte, sei es auch nahezu ausgeschlossen, dreieinhalb Tage nach der Tat noch Spermaspuren zu finden.

6. Februar: Der Unterausschuss des Landtags wird über das Resultat des Gutachtens informiert. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen die beiden Mithäftlinge, die vom Opfer beschuldigt wurden, laufen weiter.

19. März: Die Staatsanwaltschaft Lüneburg teilt mit, dass sie die beiden Mithäftlinge anklagen wird. Der Fall wird öffentlich. In der Presseerklärung der Justizbehörde heißt es, die beiden Täter hätten das Opfer zunächst zwingen wollen, sich zu erhängen. Dies taucht allerdings in der Anklageschrift nicht auf.

24. März: Das Opfer ist mittlerweile in die JVA Uelzen verlegt – auf eigenen Wunsch wieder in einer Gemeinschaftszelle mit anderen Häftlingen. Der jüngere der beiden angeklagten Täter bestreitet nach Angaben Kolkmeiers die Vorwürfe, der 33-jährige Täter, dem auch die Vergewaltigung zur Last gelegt wird, schweige.

Die frühere Justizministerin Heidi Merk (SPD) hat am Dienstag scharfe Kritik an der Informationspolitik des Ministeriums geübt. Dass man erst das rechtsmedizinische Gutachten abwarten wollte, bevor man den Landtag unterrichtete, nannte sie „eine üble Ausrede“.

von Saskia Döhner und Klaus Wallbaum"


Reaktion der JVA: Die JVA meldete den Vorfall nach eigenen Angaben noch am 22.01.08 der Polizei, der Staatsanwaltschaft und dem Justizministerium. Allerdings gelangte die Nachricht erst geraume Zeit nach der Landtagswahl (27.01.08) an den Landtag (06.02.08) und noch später an die Presse (19.03.08).

Reaktion der Politik: Der (neue) Justizminister des Landes Niedersachsen, Bernd Busemann, sprach von einem "bedauerlichen Einzelfall" (Klein 2008). Der Fall hatte sich zur Amtszeit seiner Amtsvorgängerin zugetragen.

Reaktion der Kriminologie: Der Kriminologe Christian Pfeiffer, einst selbst Justizminister des Landes Niedersachsen, bezweifelte die Einzelfallthese und fragte zudem: "Warum hat beispielsweise die Anstalt dem Wunsch des Häftlings nicht nachgegeben, in eine Einzelzelle verlegt zu werden? ... Jetzt sind noch 22 Prozent der Gefangenen in Gemeinschaftsunterkünften - das ist viel zu hoch."

Besonderheiten

Auf der Homepage der Anstalt war die Rubrik "Aktuelle Projekte" am 26.03.08 nicht verfügbar: "Die von Ihnen gesuchte Seite wurde eventuell gelöscht, der Name wurde geändert oder die Seite ist derzeit nicht verfügbar."

Quellen

  • Bennefeld-Kersten, Katharina (1998) Die Geisel. Eine Gefängnisdirektorin in der Gewalt des Häftlings H. M. Hamburg: Klein Verlag.
  • Klein, Mathias (2008) Gefangener wird brutal misshandelt. 28-Jähriger von zwei Zellengenossen lebensgefährlich verletzt/täter wollten Opfer erhängen. Hannoversche Allgemeine Zeitung 20. 03. 2008: 6.
  • Misshandelter Mann bat um Einzelzelle. Ministerium hielt Vorfall kurz vor der Wahl geheim. Hannoversche Allgemeine Zeitung 22. 03. 2008: 5.
  • Rüdebusch, Marco (2005) Offen und geschlossen. Einsichten und Ansichten aus niedersächsischen Gefängnissen. Delmenhorst: Aschenbeck und Holstein (S. 20, 35 f., 50 f., 69, 75, 88ff., 120f., 136).