Jérôme Kerviel

Jérôme Kerviel (* 11. Januar 1977 in Pont-l’Abbé in der Bretagne, Frankreich) ist ein ehemaliger Bankangestellter, der die Großbank Société Générale mittels unerlaubter Geschäfte, die er im Namen der Bank abschloss, innerhalb von rund drei Jahren (2005-2007) durch Verluste von fast 5 Milliarden Euro an den Rand des Ruins brachte und in Frankreich als eine Art Anti-Held (und eher als Opfer denn als Täter) gilt. Nach dem Abschluss der von den Untersuchungsrichtern Renaud van Ryumbecke und Françoise Desset geführten Ermittlungen wird für 2010 mit dem Prozessbeginn gerechnet. Kerviel arbeitet derweil im Informatikunternehmen eines Freundes.

Nach seinem Master-Abschluss (Master für Finanzmärkte; franz. master en finance de marché) in Lyon nahm Kerviel im Jahre 2000 eine Tätigkeit bei der Société Générale (SG), Abteilung Investment Banking und Finanzierung (SG CIB), auf. Seit 2005 war er am Händlertisch in der Arbitrage-Abteilung tätig und konnte selbständig Geschäfte abschließen. Dabei verletzte er durch Scheingeschäfte etc. zahlreiche interne Regeln der Bank ebenso wie Strafgesetze, was von ihm auch im Grundsatz nicht bestritten wird. Kritische Fragen seiner Vorgesetzten, aber auch 75 interne Kontrollen verblieben zwischen 2006 und Januar 2008 ohne Wirkung. Eine Nachfrage der Terminbörse Eurex vom Jahresende 2007, welche die Bank darauf aufmerksam machte, dass einer ihrer Händler binnen zwei Stunden 6000 Terminkontrakte für 1,2 Milliarden Euro gekauft hatte, führte schließlich zu der Entdeckung, dass Kerviel unerlaubt Handelspositionen in Höhe von 50 Milliarden Euro aufgebaut und der Bank einen Schaden von 4,9 Milliarden Euro zugefügt hatte. Allerdings arbeitete er immer nur für seine Bank, nie zur eigenen Bereicherung - und bevor die Sache schiefging, hatte er der Bank erhebliche Gewinne ermöglicht.

Die Bank überlebte den Fall Kerviel, investierte 100 Millionen Euro in eine "Product Control Group" mit 600 Mitarbeitern und war insofern für die Ende 2008 beginnende Weltfinanzkrise schon relativ gut gerüstet: "Verschiedene Abläufe wie die Benutzung von unternehmenseigenen Gegenparteien für Transaktionen und überhaupt alle Geschäfte, die kurzfristig storniert oder verändert werden, unterstehen nun strengeren Prüfungen. Handbücher wurden neu geschrieben, Passwörter für den Zugang zum Handelssystem werden öfter geändert, 7800 Personen bildete die Bank mit dem besonderen Verweis auf die Möglichkeiten von Betrug durch Kollegen fort. Die Stabsfunktion der Händlerkontrolle erhielt mehr Unabhängigkeit. 'Ohne drei Unterschriften kann man hier nichts mehr machen', stöhnt ein Händler" (Schubert 2009).



Literatur

  • Delattre, Mélanie & Lévy, Emmanuel (2008) L'Homme qui valait cinq milliards. Paris: Éditions Générales First.
  • Schubert, Christian (2009) Die Anonymität des kleinen Soldaten. FAZ 19.02.09: 21.

Weblinks