Intensivstraftäter in Deutschland

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Definition der Intensivstraftäter

Der Begriff des Intensivstraftäters oder auch Mehrfachintensivstraftäter findet in der Literatur keine genauere Bezeichnung. Lediglich die Polizei hat es leichter, durch die Zahl/Art und Schwere der ermittelten Delikte zu einer Definition zu finden. Doch auch hier tut man sich damit schwer, eine einheitliche anerkannte Definition von Mehrfach-und Intensivstraftäter festzulegen. Dies liegt darin begründet, dass sich durch die Erfassung und die Ausweisung von Mehrfachtätern in der Polizeilichenkriminalstatistik (PKS) verschieden Möglichkeiten darstellen. 1. Der polizeiliche Sachbearbeiter kann Angaben zu den Merkmalen „kriminalpolizeilich bereits in Erscheinung getreten“ oder „einschlägig vorbestraft oder verdächtigt“ oder „ unbekannt“ machen. 2. Können bei der Ausweisung von Mehrfachtatverdächtigen den Tatverdächtigen die Taten zugeordnet werden, die innerhalb eine Berichtsjahres (1. Januar bis 31. Dezember) erfasst worden sind: 1,2,3...20 und mehr. Es gibt keine verbindliche Definition, ab wie viele Straftaten von „Intensivstraftäter oder Mehrfachintensivstraftäter gesprochen werden kann. Wer als Intensivstraftäter zu bezeichnen ist, kann erst „post festum“ gesagt werden.

Am Beispiel der Stadt Münster gilt nach einer Vereinbarung zum beschleunigten Verfahren zwischen Polizei, Staatsanwalt und Allgemeinen Sozialen Dienst des Jugendamtes, dass als Intensivstraftäter als solche zu bezeichnen seien, die in der Liste des Landeskriminalamt Düsseldorf wieder zu finden oder z.B. einen Diebstahl in besonders schweren Fall einzuordnen sein. Darüber hinaus gilt als Intensivstraftäter, wer mit seiner Tat in der Öffentlichkeit großes aufsehen erweckt, wobei der Justiz daran gelegen ist, den Täter schnell wieder aus dem „Schussfeld der Öffentlichkeit“ zu nehmen oder wenn sich aus anderen Gründen eine erhebliche kriminelle Karriere zu erwarten ist.

Die Polizei und die Staatsanwaltschaft des Landes Berlin haben zur Strafverfolgung von Intensivstraftäter die Unterscheidung getroffen, dass „Intensivstraftäter Straftäter sind, die verdächtig werden - den Rechtsfrieden besonders störende Straftaten, wie z. B. Raub-, Rohheits-und /oder Eigentumsdelikte in besonderen Fällen, begangen zu haben - oder innerhalb eine Jahres in mindestens zehn Fällen Straftaten von einigem Gewicht begangen zu haben und bei denen die Gefahr einer sich verfestigenden kriminellen Karriere besteht“ http://www.dvjj.de


Personenkreis

Der Focus richtet sich hauptsächlich auf die Gruppe der 14-18 Jährigen, da hierbei eine hohe Mehrfachtatverdächtigenbelastung zu verzeichnen und der Anteil der ermittelten tatverdächtigen Gewalttaten am größten ist. Darüber hinaus ist die Einflussnahme deutlich größer als bei der Personengruppe der Heranwachsenden. Warum gerade dieses Alter signifikant ist hängt mit vielen Faktoren zusammen. Häufig handelt es sich bei diesem Personenkreis um sozial benachteiligte Jugendliche die schon im Kindesalter durch teilweise aggressives Verhalten auffallen. Ein weiteres wichtiges Indiz bildet der familiäre Kontext. Oft kommen die Intensivstraftäter aus einem materiell schlecht gestellten Elternhaus, die häufig unvollständig sind. Darüber hinaus erreichen sie kaum einen Schulabschluss und halten sich in sozialen Brennpunkten auf. Diese Jugendliche geraten in einen Teufelskreis der Kriminalisierung und Stigmatisierung, wenn sie strafrechtlich immer wieder in Erscheinung treten.

Insgesamt jedoch ist diese Gruppe vergleichsweise eine kleine Gruppe von Straffälligen, die besonders viele Delikte begehen. Sie bilden den Ausgangspunkt für die Intensivstraftäter, da sie wesentlich mehr Delikte begehen als diejenigen die –nach dem Hellfeld erfassten Daten- meist nur einmal strafrechtlich in Erscheinung treten.


Intensivtäterkonzepte

Im Allgemeinen kann man festhalten, dass die Konzepte der Intensivstraftäter die Kooperationsarbeit zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht vorsieht sowie die Zusammenarbeit zwischen Jugendämtern, Schulen und Eltern. Als gemeinsames Ziel lässt sich die Prävention focusieren und darüber hinaus die Nachhaltigkeit. Dem Intensivstraftäter sollen Alternativen bei weiterem Verlauf der kriminellen Karriere aufgezeigt werden. In der Praxis bedeutet dies, dass Intensivstraftäter mindestens 1 Jahr lang eng betreut werden. Treten in diesem Betreuungsjahr keine weiteren Straftaten auf, werden sie wieder aus dem Programm entlassen. Ab wann jemand in ein Programm für Intensivstraftäters aufgenommen wird, ergibt sich anhand einer Rankingliste, die nach kriminologischen Aspekten erfolgenden Bewertung der begangenen Straftaten sowie einer Kriminalitätsprognose erstellt wird. Als Beispiel für das Bundesland NRW erhalten die Straftaten Raub. Räub. Erpressung den Faktor 5, für Körperverletzungsdelikte den Faktor 3 oder für die Diebstähle unter erschwerten Bedingungen ebenfalls den Faktor 3. Bei mehr als 5 Straftaten oder 15 Punkten der obengenannten Delikte werden die Personen in das Programm des Intensivstraftäters aufgenommen.

Das „Neuköllner Modell“ der Stadt Berlin sieht vor, dass in einem beschleunigten Verfahren, Jugendliche davon abgehalten werden sollen, weitere Straftaten zu begehen. Nach der Tat erfolgt unmittelbar die Gerichtsverhandlung. Dieses Konzept wurde aufgrund der zahlreichen Gewaltdelikte in dem Stadtteil Neuköln in Berlin entwickelt und hat einen präventiven Ansatz, damit solche Jugendliche erst gar nicht in das Programm der Intensivstraftäter aufgenommen werden müssen. http://www.stern.de/tv/sterntv/brennpunkt-berlin-neukoell


Verfahrensweg/Helferkonferenzen

Nachdem nun bei einer Person mehr als 5 Straftaten zu verzeichnen sind und er oder sie in das Betreuungsprogramm der Intensivstraftäter aufgenommen wurde, erfolgt eine Helferkonferenz mit allen Beteiligten wie z.B. Polizei als Vorrangiger Gesprächspartner, Schule, Jugendämter und ggfs. Ausländeramt, wenn der Aufenthaltsstatus eine Rolle spielt. An der Helferkonferenz nicht beteiligt sind die Eltern als auch die betreffende Person. Inhaltlich dient die Helferkonferenz dazu eine Vereinbarung zw. den Verfahrenbeteiligen zu treffen. Die Vereinbarung wird protokolliert und in den Gefährdentengesprächen mit den Eltern und der betreffenden Person besprochen.


Gefährdetenansprache

Das Erstgespräch findet zwischen dem zuständigen Sachbearbeiter der Polizei, dem zuständigen Sachbearbeiter des Jugendamtes, der Bewährungshilfe und ggfs. der Staatsanwaltschaft sowie den Eltern in der örtlich zuständigen Polizeidienststelle statt. Ziel hierbei ist es, die Sachlage zu verdeutlichen und dem Jugendlichen zu vermitteln, dass er nunmehr im Focus aller mit ihm befassten staatlichen Organe steht und diese gemeinschaftlich das Ziel verfolgen, eine weitere Begehung von Straftaten durch ihn zu verhindern oder nötigenfalls mit aller Konsequenz zu verfolgen. Stellt sich bei diesem Gespräch heraus, dass die Eltern die kriminelle Karriere unterstützen oder dem nicht mehr „Herr“ werden, besteht die Möglichkeit gem. § 1666 BGB (Gefährdung des Kindeswohl) beim zuständigen Amtsgericht einen Antrag auf Entzug der elterlichen Sorge zu stellen sowie einer Anzeige gem. § 171 STGB (Verletzung der Fürsorge und Aufsichtspflicht). Diese Möglichkeit ist vor allem auch dann gegeben, wenn die Eltern durch eine persönliche Aufforderung des Jugendkontaktbeamten zum wiederholten Male nicht zum Gespräch erscheinen.


Kontrolle

Turnusgemäß werden mit den Vertretern der beteiligten Institutionen Dienstbesprechungen abgehalten, in denen anhand der Ranking-Liste die kriminelle Entwicklung der Mehrfachtäter analysiert wird. Die Veränderungen werden an die jeweiligen Institutionen weitervermittelt. In den Fällen gravierender Abweichungen muss neu beraten werden.


Literatur

  • Zeitschrift für Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfe e.V., Ausgabe 2, Juni 2003
  • Zeitschrift für Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfe e.V., Ausgabe 2, Juni 2002
  • Klier Rudolf, Brehmer Monika & Zinke Susanne: Jugendhilfe in Strafverfahren Jugendgerichtshilfe, Handbuch für die Praxis Sozialer Arbeit, Walhalla Fachbuch, Berlin-Bonn-Regensburg 1995


Weblinks