Inklusion

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In den Human- und Gesellschaftswissenschaften bezeichnet der Begriff der Inklusion die Einschließung in ein soziales System. Ein Individuum oder ein Kollektiv, das aus einem bestimmten sozialen System ausgeschlossen war, wird gleichsam "hereingeholt". (Häufig wird als deutsche Übersetzung des Wortes Inklusion nicht der - den Vorgang des Hereinholens betonende - Begriff der Einschließung, sondern der - den Zustand des Drinnen-Seins betonende - Begriff des Einschlusses gewählt).

Dieses "Hereinholen" kann auf Wunsch der Betroffenen erfolgen und auf der Grundlage einer (individuellen oder gesetzlichen) Erlaubnis, bzw. der Einräumung einer Rechtsposition beruhen (z.B. die Einführung des Wahlrechts für Frauen in Deutschland im Jahre 1918). Es kann aber auch gegen den Willen der Betroffenen erfolgen (z.B. Einschließung in einer Haftanstalt).

So bezeichnet Inklusion nach Tilman Lutz (2013) "zunächst schlicht Einschluss – und zwar im doppelten Sinne:

  • a) Einschluss als Freiheitsberaubung – sowohl erzwungen, etwa als Einschluss im Gefängnis, als auch freiwillig, etwa als Mönch oder Nonne in einem Kloster.
  • b) Einschluss als Einbeziehung im Sinne von ‘dazu gehören’, ‘inbegriffen sein’, ‘nicht ausgesondert werden’, ‘ein Ganzes herstellen’. In diesem Sinn wird Inklusion derzeit – etwa in den Indices für Inklusion – meist verwendet.

Beide Bedeutungen zeigen, dass sich Inklusion und Exklusion gegenseitig bedingen. Das ‘In’ oder ‘Ex’ kann je nach Perspektive auch wechseln: Eine Person im Gefängnis ist dort eingeschlossen, also inkludiert. Zugleich ist sie – zwingend – aus allen anderen geografischen und sozialen Orten ausgeschlossen, also exkludiert. Für Inklusion als ‘dazu gehören’, gilt dasselbe: Die Zugehörigkeit zu einer Familie, einem Berufsstand, einem Verein und so weiter bedeuten zugleich Exklusion: die Ausschließung aus anderen Familien, aus anderen Vereinen und Gruppierungen.”

Gegenwärtig ist der Begriff der Inklusion im Bereich der Pädagogik weit verbreitet. Hier bezeichnet er (die Forderung nach der) Hereinnahme ehemaliger "Sonderschüler" in die Regelschulen und in den "normalen Unterricht":

"Inklusion im Bildungssystem bedeutet demnach, heterogene Gruppen individuell zu unterrichten, und bezeichnet den Einschluss aller zu Unterrichtenden in Schulen für alle."

Erläuterung im Chat

Hallo,

also zunächst ist wichtig, dass eine Person nicht ein psychisches System ist. Luhmann unterscheidet soziale Systeme und psychische Systeme. Beide prozessieren ihre Selbsteferenz anhand von sinnhaften Unterscheidungen. Die sinnhaften Operationen psychischer Systeme ist DENKEN, die sinnhaften Operationen sozialer Systeme sind Kommunikationen. Kommunikationen, die Operationen sozialer Systeme, thematisieren beispielsweise "Personen". "Person" ist also eine sinnhafte Unterscheidung eines sozialen Systems. ANhand von Personenenzuschreibungen richtet beispielsweise ein soziales System Erwartungen an an Personen.

Methodisch kannst du dir das klar machen, dass es hierbei NICHT um den subjektiven Sinn eines psychischen Systems geht, sondern man beobachte - methodisch ähnlich wie mit der objektiven Hermeneutik - die SOZIALE SINNstruktur: in diesem Falle die Kommunikationen. Luhmann unterscheidet vier Ebenen der Abstraktion der sinnhaften Zuschreibung: - Personen - Rollen - Programme - Codes

Und Luhmann unterscheidet drei Ebenen der Systeme: Interkation Organisation Gesellschaft

Was heißt nun Vollinklusion? In fürheren, vormodernen Gesellschaften konnte die "Person" - auf der Gesellschaftsebene - einem Subsystem zugeschrieben werden: z.B. wurde der Bauer dem unteren Stand und der König dem Adel zugeschrieben. Personen konnten also zu Ständen, Schichten etc. eindeutig zugeordnet werden. Die sinnhaften "Inklusionsbedingungen" konnten eindeutig auf eine Person gerichtet werden.

In der modernen Gesellschaft ist dies nicht mehr möglich. Luhmann spricht daher von Teilinklusion. Personen werden nicht mehr einem Gesellschaftsubsystem zugeordnet, sondern die unterschiedlichen Funktionssysteme (Gesellschaftsebene) formulieren je unterschiedliche Inklusionsbedingungen für Personen.

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Kusanowsky Luhmann-Kenner

Anmeldedatum: 23.10.2009 Beiträge: 123

Beitrag Verfasst am: 19.03.2012, 09:51 Antworten mit Zitat

Funktional differenzierte Gesellschaften verzichten im Unterschied zu Stammesgesellschaften auf |Vollinklusion| der Personen in die Gesellschaft und zielen dagegen auf Teilinklusionen in die Interaktions-, Organisations- und Funktionssysteme. |Teilinklusion| stetzt |Exklusion| voraus. Für Armin Nassehi sind Organisationen wahre „Exklusionsmaschinen”: „Während für Gesellschaft Inklusion der Normalfall sei und Vollinklusion in der `Logik` der funktionalen Differenzierung liege, ist für Organisationen im Gegenteil Exklusion der Normalfall, so dass hier Inklusion jene Seite der Unterscheidung ist, die mehr Reflexion erfordert.” (1) Durch funktionale Differenzierung änderte sich der Inklusions/Exklusions-Modus. Partizipation sollte sich nunmehr durch die Gleichheit der Chancen (2) jedes Individuums im Blick auf die Teilhabe an den Funktionssystemen ergeben. Gefordert war der Form nach eine All-Inklusivität, die – angesichts empirischer Ungleichheiten – wie ein Ungleichheitsdetektor arbeitete. Organisationen zeichnen sich durch die Mitgliedschaft ihrer Personen und das Treffen von Entscheidungen aus. Eine Inklusion durch Mitgliedschaft ist eher unwahrscheinlich und somit ist Exklusion der Normalfall. (3). Organisationen schliessen alle aus, die nicht ausdrücklich eingeschlossen sind (Mitglieder, Angestellte) Funktionssysteme dagegen schliessen alle ein, die sie nicht ausdrücklich auschliessen. Wenn man sich kulturhistorisch mit dem Ausdifferenzierungsprozess von Funktionssystemen befasst, so wird man feststellen, dass eine zunehmend voraussetzungsvolle Inklusion von immer mehr Menschen paradoxerweise dazu führte, dass sich eine stetig steigernde Exklusion bemerkbar machte, welche sich schließlich auf die Beschleunigung des Differenzierungsprozesses auswirkte.


(1) Nassehi, Armin: Die paradoxe Einheit von Inklusion und Exklusion. (2) Fuchs, Peter: Das Phantasma der Gleichheit. In: Merkur 570/571, 1996, S.959-964. Ein systemtheoretischer Blick auf die Phänomene, in: Bude, Heinz und Andreas Willisch (Hrsg.): Ausgegrenzte, Entbehrliche, Überflüssige, Hamburg 2004, S. 7


aus: Luhmann online


Literatur

  • Ahrbeck, Bernd und Ulrich von Knebel (FAZ 17.1.2014) Als Sparmodell taugt Inklusion nicht.

Weblinks