ISAF

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Das Akronym ISAF (auch Isaf geschrieben) steht für "International Security Assistance Force". Die im Dezember 2001 gegründete ISAF sollte ursprünglich nur Kabul und Umgebung sichern, um der afghanischen Übergangsregierung unter Hamid Karzai ein von Taliban, Al-Kaida und Warlords unbeeinträchtigtes Arbeiten zu ermöglichen. Im Oktober 2003 autorisierte der UNO-Sicherheitsrat die Ausdehnung der ISAF-Mission auf ganz Afghanistan. Daraufhin dehnte die ISAF ihre Aktivitäten in vier Stufen aus. Durch die Einsetzung eines gemeinsamen Oberbefehlshabers (General David D. McKiernan) im Jahre 2008 verschmolz die ISAF weitgehend mit der "Operation Enduring Freedom" (OEF), von der sie während der ersten Jahre betont distanziert gehalten worden war.

Das Personal der ursprünglich weniger als 10 000 Personen umfassenden ISAF war bis Ende 2008 auf über 60.000 aus rund 40 (NATO- und Nicht-NATO-Staaten angewachsen und soll 2009 in Richtung auf 100.000 aufgestockt werden.

Im Januar 2009 bestand die ISAF aus 32.000 Amerikanern und ebenso vielen Soldaten anderer Staaten (darunter 8500 Briten, 3370 Deutsche und jeweils 2500 Kanadier und Niederländer). Von den über 60.000 ISAF-Angehörigen unterstanden rund 55.000 der NATO.

Die afghanische Regierung, auf deren "Ersuchen" die ISAF ihre Berechtigung stützt, kritisiert die ISAF wegen der hohen Zahl der zivilen Opfer, die die "Sicherheits- und Aufbaumaßnahmen" fordern und wegen Korruption bei der Verteilung von Hilfsgeldern und -gütern. Vor allem den amerikanisch geführten Koalitionstruppen - also in erster Linie der OEF, aber im Rahmen der Verschmelzung beider Operationen auch der ISAF - warf Präsident Karzai im Januar 2009 vor, zu brutal gegen die Zivilbevölkerung vorzugehen und damit den Erfolg aufs Spiel zu setzen. Die Truppen sollten insbesondere nicht mehr "in afghanische Privathäuser eindringen" und keine "extralegalen Hinrichtungen" mehr vornehmen. Ansonsten werde der "Krieg gegen den Terrorismus" in einer schmählichen Niederlage enden (Buchsteiner 2009).

Aufgaben

Die ISAF soll die vorläufigen Staatsorgane Afghanistans und ihrer Nachfolgeinstitutionen bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit so unterstützen, dass sowohl die afghanischen Staatsorgane als auch das Personal der Vereinten Nationen (inkl. ISAF) und anderes Zivilpersonal (insb. solches, das dem Wiederaufbau und humanitären Aufgaben nachgeht) in einem sicheren Umfeld arbeiten können.

Um nicht zum Feindbild zu werden und de-eskalierend zu wirken, soll sich die ISAF in Bezug auf die afghanischen Staatsorgane im Hintergrund halten. Fahrzeugkontrollen werden nur von afghanischen Polizeieinheiten vorgenommen. Bei Patrouillenfahrten deutscher Soldaten wird kein Helm getragen, um nicht als Besatzungsmacht zu erscheinen. Die ersten deutschen Kontingente hoben sich von den USA durch oliv-farbene Tarnanzüge ab, um Verwechselungen vorzubeugen. Für Patrouillen wurden anfangs vornehmlich das geländegängige Fahrzeug Wolf anstelle des gepanzerten Dingo gewählt.

Rechtsgrundlagen

Die ISAF ist keine friedenssichernde Blauhelm-Truppe, sondern eine UN-Schutztruppe, die aus freiwillig gestellten Soldaten und Finanzen der beteiligten Staaten besteht. Das UN-Mandat wurde mehrfach erneuert (UN-Sicherheitsrats-Resolutionen Nr. 1833, 1776, 1707, 1623, 1563, 1510, 1444, 1413, 1368).

Beim Einsatz von Schusswaffen gilt jeweils das Recht der beteiligten Nationen. Ein Gebrauch der Schusswaffe deutscher Soldaten wird von der deutschen Staatsanwaltschaft auf ihre Rechtmäßigkeit hin untersucht. Auch gelten besondere Richtlinien; so dürfen beispielsweise grundsätzlich keine Waffen gegen Menschenmengen oder Kinder eingesetzt werden. Andererseits besteht eine Kooperation mit der Operation Enduring Freedom, die deutlich weniger Beschränkungen unterliegt.

Im Jahre 2008 gab es Vorstöße des Supreme Allied Commander Europe (Bantz J. Craddock) beim federführenden Nordatlantikrat der NATO, die ISAF künftig auch zur Bekämpfung von Drogenhändlern und ihrer Infrastruktur zu ermächtigen.

Entwicklung des Einsatzes

Von Kabul und Umgebung wurde das Operationsgebiet der ISAF schrittweise auf ganz Afghanistan ausgedehnt. Das erforderte eine stetige Erhöhung der Truppenstärke und die Inkaufnahme stetig steigender Verluste an Menschenleben auf allen Seiten.

Die afghanischen Gegner der ISAF wichen von der offenen Schlacht auf terroristische Attacken mittels improvisierter Sprengkörper (Improvised Explosive Devices = IEDs) aus. Die Nichtregierungsorganisation "International Council on Security and Development" (ICOS) kam zu dem Schluss, dass die Gegner der Zentralregierung inzwischen einen immer größeren Teil des Staatsgebiets beherrschen. Die Militärs führen die erhöhten Anschläge und Verluste hingegen auf ihr eigenes Vordringen in bisher vom Gegner beherrschtes Territorium zurück.

Neuerdings richtet die ISAF in den Provinzen kleine Operationsbasen ein, die als FOBs (Forward Operating Bases) bezeichnet werden und oft nur einige Dutzend Soldaten umfassen.

Organisation und Ausrüstung

Von 2001 bis 2003 rotierte die Führung der Mission halbjährlich zwischen den Truppenstellerstaaten. Die organisatorischen Probleme mit dem Rotationsprinzip führten dazu, dass am 11.8.2003 die Leitung von ISAF für unbestimmte Zeit der NATO übertragen wurde. Das war der erste NATO-Einsatz außerhalb von Europa und Nordamerika. Zugleich wurde mit dem Aufbau von gut zwei Dutzend "Provincial Reconstruction Teams (PRTs)" begonnen. Zur Koordination der PRTs wurden fünf regionale Koordinatoren - die später sog. "Regional Commands (RCs)" - mit logistischen Aufgaben eingerichtet, die auch auf die Einhaltung der Kommandostruktur achten sollen. RC-Nord in Mazar-e-Sharif ist zuständig für die PRTs in Maimana, Pol-e-Khomri, Mazar-e-Sharif, Kundus und Feyzabad; RC-West in Herat ist verantwortlich für die PRTs in Farah, Chagcharan, Qaleh-ye-Now und Herat. RC-Süd in Kandahar deckt die PRTs Kandahar, Qalat, Tarin Kowt and Lashkar Gah ab. RC-Hauptstadt ist zuständig für Kabul und dessen internationalen Flughafen, RC-Ost in Bagram für die PRTs im Osten und Südosten des Landes. Daneben bestehen im nordafghanischen Mazar-e-Sharif, im westlichen Herat und im südlichen Kandahar noch "Forward Support Bases (FSB)", die als logistische Basen dienen.

Die Versorgung der deutschen Soldaten sowie zum Teil anderer Nationen erfolgt durch angemietete Großraumtransportflugzeuge vom Typ Antonow An-124 und Iljuschin Il-76 vom Flughafen Trollenhagen aus direkt nach Masar-e Scharif sowie über einen Luftwaffenstützpunkt in Termez (Usbekistan), auf dem auch eine Einheit der Bundeswehr stationiert ist. Ein französischer Luftwaffenstützpunkt befindet sich in Duschanbe (Tadschikistan). Die Bundeswehr versorgt von Termez aus durch regelmäßige Flüge mit Transall-Flugzeugen sowohl die verschiedensten Feldlager in Kabul (z.B. das Camp Warehouse) als auch die Stützpunkte der PRT-Teams in Kunduz und Feyzabad. Derzeit sind 3.370 deutsche Soldaten am Hindukusch im Einsatz.

Deutsche Schutztruppe

Deutschland bewachte die Amtseinführung der Regierung Karzai und dehnte seine Aktivitäten sodann auf Kunduz und - im Jahre 2004 - auf Stadt und Provinz Feyzabad aus. Vom Regional Command North in Mazar-e-Sharif wurden in der Folgezeit diverse Aufbauteams koordiniert. Eine Erhöhung der Personalstärke erfolgte im Rahmen der Sicherheitsmaßnahmen anlässlich der Wahlen von 2004 und 2005. Am 28.9.2005 beschlossen Bundestag und Kabinett die Ausweitung des Mandats in personeller (3000 SoldatInnen) und zeitlicher Hinsicht (Verlängerung bis 13.10.2006). Bis Juli 2006 stellte Deutschland, das mehrere Jahre lang in Masar-e-Sharif das "Camp Marmal" etablierte, das größte Truppenkontingent der ISAF.

Nach dem Beginn der amerikanisch-britischen Offensive der Operation „Enduring Freedom“ im Süden Afghanistans kam es zu häufigeren Angriffen auch auf ISAF-Truppen im bis dahin ruhigen Norden. Verstärkter Selbstschutz der ISAF-Kräfte erschwerte die Arbeit der zur ISAF gehörenden Wiederaufbau-Teams einschließlich der Kontakte zur Bevölkerung.

Am 31.7.2006 übernahm die ISAF das Kommando in Süd-Afghanistan und mußte in der Folgezeit aufgrund von Suizid-Attentaten und anderen Konflikten Verluste hinnehmen. Dennoch stimmte der Bundestag auf Antrag der Bundesregierung am 28.9.2006 einer Verlängerung der Mission um ein weiteres Jahr zu und erweiterte das Mandat insofern, als deutschen Soldaten die Bewegung in Gesamt-Afghanistan ermöglicht wurde, sofern dies im Rahmen der ISAF-Operationen notwendig wäre. Am 9.3.2007 stimmte der Bundestag dem Antrag der Bundesregierung auf Entsendung von sechs Aufklärungsflugzeugen (Tornado) zur Lieferung von Luftbildern aus ganz Afghanistan zu. Am 8.4.2007 wurden sechs ISAF-Soldaten bei einem Bombenangriff getötet. Am 28.4.2007 knickte das Bugrad eines Tornado bei der Landung ein. Am 19.5.2007 kamen bei einem Suizid-Anschlag auf einem belebten Markt in Kundus drei deutsche Soldaten ums Leben. Im Oktober 2007 kommt es zur ersten größeren Aufstands-Bekämpfungs-Operatíon ("Harekate Yolo") unter deutschem Kommando. Im Januar 2008 fordert die NATO beim Bundesverteidigungsministerium einen deutschen Kampfverband für Nordafghanistan an, um ab Sommer 2008 die norwegischen Soldaten einer schnellen Eingreiftruppe (Quick Reaction Force/QRF) zu ersetzen. Teile der Panzerbrigade 21 werden diese Kräfte stellen. Die QRF soll aus ca. 205 Soldaten bestehen und mit geschützten Transportfahrzeugen Dingo 2 , Wolf und dem Schützenpanzer Marder 1A5 ausgerüstet werden.

Verluste

Die ISAF gibt keine eigenen Verluste und keine Verluste der Zivilbevölkerung und/oder des Gegners bekannt. Was man trotzdem weiß: der Afghanistan-Einsatz kostete bis Ende 2008 dreißig deutschen Soldaten und drei Polizisten das Leben; 16 davon kamen gewaltsam ums Leben, 11 bei Unfällen und 4 unter nicht endgültig geklärten Umständen. Im Rahmen von Operation Enduring Freedom und des ISAF-Einsatzes starben (vom 22.12.2001 - 18.12.2008) 862 Soldaten (darunter 507 US-Amerikaner, 116 Briten, 100 Kanadier, 30 Deutsche, 23 Spanier, 22 Franzosen, 16 Niederländer, 15 Dänen, 12 Italiener, 7 Rumänen, 6 Australier, 5 Polen, 3 Esten, 3 Norweger, 3 Tschechen, 2 Portugiesen, 2 Schweden, 2 Ungarn, 1 Finne, 1 Lette, 1 Litauer und 1 Südkoreaner).

Kritik

Die afghanische Regierung kritisiert die ISAF und die OEF wegen der Inkaufnahme zu vieler ziviler Opfer, wegen extralegaler Hinrichtungen und ihrer vermuteten langfristigen Kontraproduktivität. Die Partei "Die LINKE" kritisiert Verletzungen der Vorschriften des Grundgesetzes (Beschränkung der Bundeswehr auf die Landesverteidigung).


Quellen

  • Badenhop, Peter (2009) "Es wird noch schlimmer, bevor es besser wird". FAZ 22.01.09: 3.
  • Buchsteiner, Jochen (2009) Karzai fordert 'Effektivität'. Vorwürfe gegen Amerika und seine Verbündeten. FAZ 22.01.09: 3.