Homo sociologicus

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Nehmen wir das Beispiel eines Bäckers, der gleichzeitig Vater, Ehemann und Fußballspieler im Dorfverein ist. Dies sind nur vier von wahrscheinlich Dutzenden von Rollen, die diese Person tagtäglich einnimmt – einnehmen muss! – und die sein Dasein als homo sociologicus bestimmen. Jede dieser Rollen ist mit bestimmten Erwartungen verbunden, die von den jeweiligen Bezugsgruppen an ihn gestellt werden. Die Bezugsgruppe Familie erwartet etwa, dass er ein guter Vater ist (und bestimmt, was unter “gut” verstanden wird), die Bezugsgruppe Fußballmannschaft, dass er immer pünktlich ins Training kommt und jeden Sonntag seine berüchtigte Blutgrätsche ausfährt. Von dem Bäcker erwarten die Kunden, dass sie jeden morgen frisches Brot bekommen, er muss daher jeden Werktag um vier Uhr aufstehen.

Verweigert er sich, so bekommt er entsprechende Sanktionen zu spüren. Die Familie wird mißmutig, die Kinder jammern ständig, die Mitspieler betrachten ihn als “Weichei”, der Trainer setzt ihn schließlich auf die Bank, die Kunden tuscheln über ihn oder kommen nicht zu einer Bäckerei, die nur nachmittags geöffnet hat. Es gibt dabei verschiedene Intensitäten der Erwartungen (Muß-, Kann-, Soll-) und entsprechend verschiedene Intensitäten der Sanktionen, die bishin zu Gefängnisstrafen gehen können.

Dahrendorf nennt dies die “ärgerliche Tatsache der Gesellschaft” – sie übt Zwang aus, man kann ihr, ihren Erwartungen und Sanktionen nicht entfliehen.