Haftunterbrechung

Eine Haftunterbrechung ist eine Auszeit von einem staatlichen Freiheitsentzug - meist von einer Gefängnisstrafe, in Ausnahmefällen aber auch z.B. von einer zivilrechtlichen Schuldnerhaft im Zusammenhang mit einem "Offenbarungseid" (welche z.B. für Bundestagsabgeordnete nach § 905 ZPO unterbrochen werden kann).

Voraussetzungen

In Deutschland kann der Gefängnisaufenthalt (nach § 455 Absatz 4 der Strafprozessordnung) durch die Staatsanwaltschaft unterbrochen werden, wenn

1. der Verurteilte in Geisteskrankheit verfällt, 2. wegen einer Krankheit von der Vollstreckung eine nahe Lebensgefahr für den Verurteilten zu besorgen ist oder 3. der Verurteilte sonst schwer erkrankt und die Krankheit in einer Vollzugsanstalt oder einem Anstaltskrankenhaus nicht erkannt oder behandelt werden kann

und zu erwarten ist, daß die Krankheit voraussichtlich für eine erhebliche Zeit fortbestehen wird. Die Vollstreckung darf nicht unterbrochen werden, wenn überwiegende Gründe, namentlich der öffentlichen Sicherheit, entgegenstehen.

Probleme

Versagung von Haftunterbrechung

  • Auf Frauen und Schwangerschaften wird womöglich wenig Rücksicht genommen.
  • Das Bremer Strafvollzugsarchiv enthält viele Fälle erheblicher, lebensbedrohender oder chronischer Krankheiten, die nicht zur Haftunterbrechung führten
  • In Hamburg starb ein 56 Jahre alter Krebskranker, der in der JVA Billwerder eine 22-monatige Strafe wegen Betrugs verbüßte, allein in seiner Gefängniszelle, weil die Staatsanwaltschaft eine im Juli von der Anstalt beantragte Haftunterbrechung abgelehnt hatte. Christiane Schneider von der Linkspartei hatte den Vorgang bekannt gemacht. Justizsenator Till Steffen (GAL) erklärte, er werde die Dienstanweisung ändern lassen. Obwohl die Anstalt darauf hingewiesen hatte, dass sogar dann, wenn eine Krankheit im Gefängniskrankenhaus behandelt werden könne, aus Gründen der Achtung der Menschenwürde (nach einer Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts) bei todkranken Gefangenen eine Haftunterbrechung geboten sei, und obwohl am 28.07.08 die Leiterin des Vollzugskrankenhauses gefordert hatte, den Gefangenen angesichts der dramatischen Situation in ein Hospiz zu verlegen, hatte die Staatsanwaltschaft den Antrag abgelehnt. Sie berief sich auf die Dienstanweisung des ehemaligen CDU-Justizsenators Carsten Lüdemann vom Dezember 2007. Zwei Tage nach der Entscheidung der Staatsanwaltschaft starb der Gefangene. Der GAL-Justizsenator kündigte an, dafür sorgen zu wollen, dass "die Normen zur Haftunterbrechung aus humanitären Gründen klar sind" (von Appen 2008). Die Linkspartei will im neuen Strafvollzugsgesetz laut Schneider "eine eindeutige Regelung verankern, die ein unwürdiges Sterben im Gefängnis ausschließt."

Rechtswidrige Taten während einer Haftunterbrechung

Während einer Haftunterbrechung können Verurteilte Straftaten begehen.

  • 2003: Bremen. Während einer Haftunterbrechung organisierte ein Gefangener einem Beamten der JVA Bremen (Joachim H.) auf dessen Geheiß hin - andernfalls wolle er dessen illegalen Handybesitz anzeigen - zwei Laptops, die er dem Beamten auf dem Parkplatz eines Supermarktes übergab.

Benachteiligung von psychisch Kranken ?

Zu einer Ungleichbehandlung von körperlich und seelisch kranken Menschen kann es dann kommen, wenn die körperliche Erkrankung in einem Justizvollzugskrankenhaus behandelt werden kann. Eine Verlegung in eine solche Einrichtung führt in der Regel nicht zu einer Haftunterbrechung.

Inhaftierte mit einer seelischen Erkrankung werden häufig in eine psychiatrische Klinik eingewiesen, was in der Regel nur auf der Grundlage einer Haftunterbrechung geht. Faktisch führt das für diese Personengruppe zu einer Haftverlängerung.

Weblinks

  • Appen, Kai von (2008) Krebs im Knast. taz 14.08.08:

http://www.taz.de/regional/nord/hamburg/artikel/?dig=2008/08/14/a0242&cHash=d12262c50c&type=98

  • Fall Helmut Frodl in Österreich (2009):

http://diegalerie.wordpress.com/2009/02/

http://cologneweb.com/lotse/LOTSEInfo35.htm#10 (02.06.09).