HaLT (Hart am Limit)

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Das deutsche Bundesmodellprogramm „HaLT - Hart am Limit“ ist ein Alkoholpräventionsprojekt für Kinder und Jugendliche, das sich aus gegebenem Anlass inbesondere gegen das sog. Rauschtrinken (binge drinking) richtet.

Entstehung

Während das Jugendschutzgesetz die Abgabe von Alkoholika an Personen unter 16 Jahren (und von Spirituosen sogar an Personen unter 18 Jahren) generell verbietet, sind die Allgegenwart und Akzeptanz von Alkohol in der deutschen Gesellschaft ein Umweltfaktor, der mit dazu beiträgt, dass die gesetzliche Regelung häufig umgangen wird. So stieg (nach einer Untersuchung des Suchtpräventionszentrums Villa Schöpflin in Zusammenarbeit mit der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Lörrach aus dem Jahre 2002 die Zahl der 12- bis 17-jährigen, die wegen einer Alkoholintoxikation behandelt werden mussten zwischen 1999 und 2002 von 16 auf 56 Personen an. Die Villa Schöpflin entwickelte daraufhin gemeinsam mit einer Vielzahl regionaler Partner ein Konzept zur Kommunalen Alkoholprävention bei Kindern und Jugendlichen mit dem Namen „Hart am Limit – HaLT“.

Inhalt

Das Präventionskonzept „HaLT - Hart am Limit“ soll einem riskanten Alkoholkonsum von Kindern und Jugendlichen präventiv entgegenwirken und den verantwortungsbewussten Umgang mit Alkohol bei Jugendlichen und Erwachsenen fördern. „HaLT“ wurde als Reaktion auf die zunehmende Verbreitung und Häufigkeit exzessiver Alkohol-Konsummuster und als Folge der steigenden Zahl der stationärer Behandlung wegen Alkoholintoxikationen bei Kindern und Jugendlichen als Pilotprojekt in der süddeutschen Stadt Lörrach im Jahr 2003 gestartet. Ein Jahr später existierten bundesweit elf Standorte in neun Bundesländern. Inzwischen wird es in über 60 Standorten eingesetzt - unter anderem auch in Hamburg. In diesem Bundesmodellprogramm werden Beratungsgespräche (das Erstgespräch meist noch in der Klinik) und ein sozialpädagogisches Gruppenangebot für betroffene Jugendliche durchgeführt und den Eltern Hilfestellung angeboten. Für die Überleitung von Jugendlichen mit komatöser Alkoholvergiftung aus der Klinik zur weiteren psychosozialen Begleitung im Präventionszentrum wurde gemeinsam ein transparentes Ablaufschema entwickelt. Grundlage hierfür ist ein sensibles Informationsgespräch des Arztes/der Ärztin mit Jugendlichen und Eltern. Das Ziel ist es über das Präventionsangebot von „HaLT“ zu informieren und für eine tiefere Auseinandersetzung mit der Problematik zu motivieren. Sind die Beteiligten einverstanden, informieren Arzt oder Pflegepersonal die Villa Schöpflin und eine Präventionsfachkraft führt das so genannte „Brückengespräch“, welches den ersten Kontakt zum jungen Patienten herstellt. Daraus soll ein weiterer Kontakt mit der Beratungsstelle resultieren. Neben Einzelberatungen für die Familien gibt das 12-stündige Gruppenangebot „Risiko-Check“ den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, die Erfahrungen mit der komatösen Alkoholvergiftung gemeinsam mit den anderen Betroffenen aufzuarbeiten.

Weiterhin soll im Rahmen von „HaLT“ ein Gruppenangebot für Jugendliche entwickelt werden, in dem sie ihre Emotionen und Reaktionen in Zusammenhang mit der Alkoholvergiftung, wie zum Beispiel Scham, Versagensgefühle, Ängste, Angeberei oder auch Verharmlosung gemeinsam mit Gleichaltrigen aufarbeiten, die Auslöser und Motive erkennen und sich mit möglichen Risiken in ihrem Umgang mit Suchtmitteln auseinandersetzen. Der verantwortungsbewusste Umgang mit Alkohol stellt eine Entwicklungsaufgabe für Heranwachsende dar. In der Gruppe sollten daher auch Orientierungen für „safer-use“ erarbeitet werden. Dieser suchtspezifische Teil wird auf unspezifische Aspekte, wie Umgang mit Krisen und Konflikten, die Rolle in der Gruppe usw. ausgeweitet. Ziel des Programms ist die Sensibilität der Jugendlichen für die Grenze zur Selbstschädigung zu erhöhen, ihr Verantwortungsgefühl für das eigene Tun zu stärken und den individuellen Punkt des Ausstiegs aus Risikosituationen in der Zukunft innerlich zu verankern. Hierbei sollen neben der systematischen Erfassung von Anzahl, Alter, Geschlecht, besuchter Schule und (sozio-) kultureller Herkunft von Jugendlichen mit Alkoholvergiftung Informationen zu möglichen Hintergründen und Auslösern für den exzessiven Alkoholkonsum gewonnen werden. Diese Ergebnisse dienen der Entwicklung eines entsprechenden Konzepts zur Aufarbeitung und Vorbeugung. Kennzeichnend für die „HaLT“-Strategie ist die Kooperation und Vernetzung von lokalen Akteuren und Einrichtungen, die sich nicht nur auf das Suchthilfesystem beschränken, sondern sowohl im reaktiven als auch im proaktiven Projektbereich agieren. Durch diese kooperative Beziehungen und Einbindung der kommunalen Akteure kann eine hohe Effizienz und eine große Reichweite der präventiven Arbeit erreicht werden. Zur effektiven Umsetzung beider Bausteine ist der Aufbau eines funktionierenden Netzwerks auf lokaler Ebene notwendig.

Der reaktive Ansatz des Projekts zielt zum einem darauf ab, die Versorgung und Weiterbehandlung von Kinder und Jugendliche mit riskanten Alkohol-Konsummustern, insbesondere im Zusammenhang mit schweren Alkoholintoxikationen so zu qualifizieren, dass es nicht zu erneuten stationären Noteinweisungen kommt und sie frühzeitig zur Reflexion dieser Konsumgewohnheiten zu bewegen. Zum anderen soll für diejenigen die einen missbräuchlichen oder abhängigen Konsum aufweisen die notwendige Behandlung eingeleitet werden. Neben der zentralen Kooperationsbeziehung zur Klinik bestehen wichtige Kooperationen zu Schulen und Jugendgerichten. Die Organisation der Überleitungswege und der Schnittstellen zu den Kooperationspartnern ist damit ein wesentliches Element der Projekte. Kinder und Jugendliche, die wegen Alkoholintoxikationen stationär behandelt werden müssen, sollen in das „HaLT-Angebot“ vermittelt werden. Der Interventionsansatz zielt auf Kinder, die in einem sehr frühen Stadium einer (potenziellen) Suchtkarriere auffällig geworden sind ab. Die Intervention soll grundsätzlich nur temporär und nicht dauerhaft erfolgen. Sofern notwendig, soll eine Überleitung der Jugendlichen in weiterführende Hilfen – außerhalb von „HaLT“ veranlasst werden.

Der proaktive Ansatz des Projekts zielt darauf ab über regionale, gruppenorientierte und massenmediale Aktivitäten die Jugendlichen und Erwachsenen für die spezifischen Risiken des Alkoholkonsums und dessen Folgen zu sensibilisieren. So soll eine Orientierung für einen verantwortungsbewussten Umgang mit Alkohol und auf eine konsequente Umsetzung des Jugendschutzgesetzes in Gaststätten, im Einzelhandel und öffentlichen Veranstaltungen geschaffen werden. Hierfür sollen lokale Akteure aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen wie z.B. Polizei, Schulen, Vereinen, Kommunalverwaltung als Kooperationspartner gewonnen werden. Ziel ist dabei insbesondere eine Stärkung der sozialen Kontrolle beim Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit. Die Zusammenarbeit mit vielen lokalen Partnern soll Jugendlichen den Zugang zu Alkohol erschweren und gleichzeitig altersadäquat einen Rahmen für einen genussorientierten, unschädlichen Umgang mit Alkohol schaffen. Die „HaLT“-Präventionseinrichtung nimmt hierbei die Funktion eines lokalen Kompetenzzentrums und Präventionsdienstleisters wahr und fungiert zudem als Impulsgeber und Koordinator innerhalb des Netzwerkes. Angestrebt ist dabei, dass die Mitarbeiter der Präventionseinrichtung nicht selbst im Rahmen von proaktiven Aktionen präsent sind, sondern dass die Aktionen von zu schulenden Partnern (z.B. Personal am Ausschank, Veranstalter) durchgeführt werden, die ohnehin in anderer Funktion vor Ort sind. Das „HaLT“-Konzept stellt eine effektive und effiziente Präventionsstrategie dar, die sich auf den Alkoholkonsum Jugendlicher richtet. Es wurde von den Spitzenverbänden der Krankenkassen als förderungswürdig anerkannt. Im Laufe der Modellphase ist das Interesse am „HaLT“-Konzept aus zahlreichen Städten aus ganz Deutschland deutlich gestiegen, so dass ein bundesweiter Transfer des Konzeptes in Angriff genommen wurde. Mittlerweile nehmen 9 Bundesländer an diesem Bundesmodellprogramm teil.

Quellen

  • Thomasius, Rainer & Frank Häßler & Thomas Nesseler: Wenn Jugendliche trinken. Stuttgart, 2009

Weblinks