Grooming

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Mit dem Begriff "Grooming" oder "Grooming-Prozess" wird die Annäherung von Erwachsenen an Kinder beschrieben, mit der Absicht sexuelle Handlungen an dem Kind vorzunehmen oder an sich von dem Kind vornehmen zu lassen.

Etymologie

Das Substantiv "Grooming" (engl.) bedeutet wörtlich übersetzt "Pflege". Das Verb "to groom" (somebody for something) beschreibt den Vorgang "jemanden für etwas vorzubereiten". Ursprünglich werden die Begriffe "Allogrooming" und "Groomen" (Fellpflege unter Primaten) in der Zoologie verwendet und bezeichnen die gegenseitige soziale Körperpflege bei Tieren. Besonders bei Primaten erfüllt diese Körperpflege zusätzlich den Zweck, die Sozialstruktur einer Gruppe zu stabilisieren und den sozialen Kontakt zu einzelnen Mitgliedern der Gruppe zu vertiefen oder zu festigen (vgl. Krueger/Jin).

Definition

In der Literatur wird der Begriff "Grooming" unterschiedlich definiert und reicht von allgemeinen Definitionsversuchen bis hin zu Definitionsansätzen, bei denen entweder die verschiedenen Stufen des "Grooming" in den Mittelpunkt der Betrachtungsweise treten oder Unterkategorien von Verhaltensweisen vorgeschlagen werden, die "Grooming" besonders kennzeichnen (vgl. Bennett/O'Dohohue 2014: 959).

Howitt (1995) definierte "Grooming" als:

"The steps taken by paedophiles to entrap their victims and is in some ways analgous to adult courtship."

Nach Graven, Brown und Gilchrist (2006) ist "Grooming":

"A process by which a person prepares a child, significant adults and the enviroment for the abuse of this child. Specific goals include gaining access to the child, gaining the child's compliance and maintaining the child's secrecy to avoid disclosure. This process serves to strengthen the offender's abusive pattern, as it may be used as a means of justifying or denying their actions."

Obwohl die Mehrzahl der Definitionen die gleichen Schlüsselbegriffe verwenden, können beispielsweise bestimmte Verhaltensweisen von Erwachsenen gegenüber Kindern nicht eindeutig "Grooming" zugeordnet werden. So kann ein an die Hand nehmen des Kindes zum Überqueren der Straße oder ein Geburtstagsgeschenk, ohne dem Ziel der Manipulation, nicht als "Grooming" bezeichnet werden. Deshalb herrscht zurzeit keine Einigung darüber, wie der Begriff "Grooming" abschließend definiert werden soll, da es keine gültige Methode gibt "Grooming" objektiv zu beurteilen. Bennett und O'Donohue (2014) machen deshalb den Vorschlag, den Begriff "Grooming" wie folgt zu definieren:

"antecedent inappropriate behavior that functions to increase the likelihood of futural sexual abuse."

Diese Definition hat den Vorteil, dass sie nicht an die verschiedenen Stufen und bestimmte Verhaltensweisen des "Grooming" gebunden ist. Darüber hinaus müssen zwei individuelle Kriterien erfüllt sein, um ein Verhalten als "Grooming" einzustufen:

  1. The behavior being evaluated must in and of itself be inappropriate and a case for this inappropriatness must be made and
  2. a sound argument must be present that the behavior or behaviors indreases the likelihood of futural sexual abuse (vgl. Bennett/O'Dohohue 2014: 959-969).

Der Grooming-Prozess

Allgemein

"Grooming" im hier verwendeten Sinne ist eine Strategie von Erwachsenen sich schrittweise an Kinder anzunähern, diese in ihren Einflussbereich zu bekommen und sexuelle Übergriffe zu begehen. Dabei wird versucht eine Situation herzustellen, die dem Erwachsenen erlaubt zu glauben, seine sexualisierten Wünsche seien mit denen des Kindes deckungsgleich, um damit die "Einwilligung" des Kindes für solche Körperkontakte zu erhalten (vgl. Lederer 2011: 82). "Grooming" bezieht sich auf die Planungsphase sexueller Übergriffe und enthält verschiedene Elemente wie Vertrauensgewinnung, Bevorzugung und Isolierung des Kindes sowie die schrittweise Grenzüberschreitung (vgl. Marquardt-Mau 1995: 59).

Damit es zu sexuellen Handlungen zwischen einem Erwachsenen und einem Kind kommt, müssen nach einem Modell von Finkelhor vier Vorbedingungen erfüllt sein:

  1. Die Motivation zu missbrauchen muss bei dem Erwachsenen vorhanden sein.
  2. Der Erwachsene muss seine innerlichen Hemmungen überwinden.
  3. Äußerliche Hemmungen müssen überwunden werden.
  4. Der Widerstand des Kindes muss überwunden werden.

Überträgt man dieses Modell, bezieht sich "Grooming" auf die letzten beiden Aspekte, wobei die ersten beiden Vorbedingungen erfüllt sein müssen, damit der "Grooming-Prozess" seitens des Erwachsenenen begonnen wird (vgl. Marquardt-Mau 1995: 57f).

Phasen

Vertrauensaufbau

Der Schlüsselplan des "Grooming" ist der Versuch, das Vertrauen des Kindes zu gewinnen. Dazu müssen zunächst die Interessen, Wünsche, Abneigungen oder Ängste des Kindes kennengelernt werden, um auf dieser Grundlage eine emotionale Bindung mit dem Kind aufzubauen. Kennzeichnend für diesen Vertrauens- und Beziehungsaufbau ist, dass der Erwachsene dem Kind zuhört, es (vermeintlich) ernst nimmt, sich für das Kind interessiert und sich mit ihm beschäftigt (vgl. Lederer 2011: 83f). Dabei darf nicht vergessen werden, dass das Kind selbst nicht unterscheiden kann, welche konkreten Absichten oder Ziele ein Erwachsener beim Aufbau einer Vertrauensbeziehung verfolgt (vgl. Marquardt-Mau 1995: 59).

Bevorzugung und Isolierung

Besonders in familiären Kontexten erfährt das Kind eine bevorzugte Behandlung. Dies kann durch kleine Geschenke, gemeinsam Essen gehen und andere für das Kind und die Außenwelt unauffällige Bestechungspraktiken geschehen. Dadurch soll ihm das Gefühl gegeben werden etwas besonderes zu sein. Gleichzeitig wird versucht das Kind zu entfremden, indem der Kontakt zu Gleichaltrigen, Familienmitgliedern oder anderen Vertrauenspersonen reduziert oder ganz eingestellt wird, damit eine Isolierung des Kindes von seiner Außenwelt stattfinden kann (vgl. Marquardt-Mau 1995: 61).

Grenzüberschreitung

Die sexualisierten Grenzüberschreitungen machen einen wesentlichen Bestandteil des "Grooming-Prozesses" aus (vgl. Marquardt-Mau 1995: 62). Dabei werden in die Beziehung zu dem Kind und in den Alltag sexualisierte Elemente eingebracht (vgl. Lederer 2011: 84). In diesem Zusammenhang sind unter anderem die Badezimmersituation, An- und Ausziehsituationen, Toilettenbesuch und sexuelle sowie vulgäre Konversation zu nennen (vgl. Marquardt-Mau 1995: 63). Dadurch versucht der Erwachsene Schritt für Schritt den anfänglichen normalen Kontakt, wie Baden, Schmusen, Kitzeln oder Toben, in einen sexualisierten Kontakt umzuwandeln, indem beispielsweise in solchen Situationen "rein zufällig" die Geschlechtsteile des Kindes berührt werden, der Erwachsene sich an dem Kind reibt oder das Kind dazu aufgefordert wird, das Geschlechtsteil des Erwachsenen anzufassen. Ziel dieser Grenzüberschreitungen ist es, bei dem Kind den Anschein zu erwecken, dass es sich hierbei um normale und harmlose Körperkontakte handelt. Darüber hinaus dienen die Berührungen zum einen dazu, den möglichen Widerstand des Kindes abzuschätzen und zum anderen einen schon vorhanden Widerstand zu schwächen, um das "Einverständnis" des Kindes für den sexuellen Übergriff zu erhalten (vgl. Lederer 2011: 84ff).

Präventionsmaßnahmen

Die kriminologische Relevanz von "Grooming" liegt im Bereich der Prävention. Den Begriff abschließend zu definieren, wäre für die (Weiter-)Entwicklung von geeigneten Präventionsmaßnahmen auf den verschiedenen Präventionsebenen von zentraler Bedeutung. Da aber bis heute eine entsprechene Definition fehlt, wird "Grooming" nur in Ansätzen in der Präventionsarbeit berücksichtigt. Die folgende Aufzählung beschreibt die Präventionsebenen, in denen die Erkenntnisse über "Grooming" eine Berücksichtigung finden.

Täterzentrierte Präventionsmaßnahmen

Haupziel auf dieser Präventionsebene ist die Verhinderung eines (erneuten) sexuellen Übergriffes. Die Primärintervention fokussiert sich dabei auf Faktoren, die zur Entwicklung und Entstehung von Sexualdelikten beigetragen hat. In den Mittelpunkt rückt dabei vor allem die hegemoniale männliche Situation. Die Sekundärintervention ist auf die Psycho- oder Kriminaltherapie ausgerichtet und beinhaltet in Teilen die Thematik "Grooming", indem den Erwachsenen, die sexuell übergriffig wurden, ihre Annäherungsstrategien aufgezeigt und Möglichkeiten erarbeitet werden, diese selbstständig zu erkennen und frühzeitig zu stoppen (vgl. Stompe et al. 2013: 235).

Opferzentrierte Präventionsmaßnahmen

Sexuelle Annäherungen an Kinder folgen immer dem Muster an den Schwächen und Bedürfnissen des Kindes anzusetzen, es in der Wahrnehmung über gut oder schlecht, über kindgerechte und übergriffige Berührungen zu verwirren und mit scheinbar unbeabsichtigt, zufälligen Berührungen an einen sexualisierten Körperkontakt zu gewöhnen (vgl. Bach/Körner 2002: 659). Außerdem soll auch das soziale Umfeld des Kindes darüber getäuscht werden. Deshalb unterscheidet man bei den opferzentrierten Präventionsmaßnahmen zwischen direkt kinderzentrierten und indirekt erwachsenenzentrierten Maßnahmen (vgl. Stompe et al. 2013: 236).

Wichtige Elemente der kinderzentrierten Präventionsarbeit liegen darin, dem Kind aufzuzeigen, welche Berührungen oder Verhaltensweisen von Erwachsenen kindgerecht sind und wie sich das Kind gegen sexualisierte oder als unangenehm empfunde Berührungen oder Verhaltensweisen wehren kann (vgl. Stompe et al. 2013: 236).

Bei der indirekt erwachsenenzentrierten Präventionsarbeit liegt der Fokus darauf, "Grooming" den Bezugspersonen zu erläutern, damit sie entsprechende Annäherungsversuche erkennen und handeln können. Außerdem werden sie dafür sensibilisiert, welche Gefährdungsfaktoren auf Seiten des Kindes, wie beispielsweise wenig Zuwendung, Anerkennung oder Liebe, "Grooming" oder einen sexuellen Übergriff begünstigen (vgl. Stompe et al. 2013: 237).

Darüber hinaus existieren Programme für Lehrer, Ärzte, Therapeuten, Pädagogen und alle weiteren Personen, die im beruflichen Kontext mit Kindern in Berührung kommen, "Grooming" zu erkennen und entsprechend zu handeln (vgl. Stompe et al. 2013: 237).

Internetquellen

Literaturverzeichnis

  • Bach, Dirk; Körner, Wilhelm (Hg) (2002): Handwörterbuch. Sexueller Missbrauch. Göttingen: Hogrefe Verlag.
  • Bennett, Natalie; O'Donohue, William: The Construct of Grooming in Child Sexual Abuse. Conceptual and Measurement Issues. In: Journal of Child Sexual Abuse. 23:8, 2014, 957-976.
  • Lederer, Jenny (2011): Hemmschwellen im Strafrecht. Eine übergreifende Untersuchung der Hemmschwellen bei Sexualdelikten und Totschlag. Berlin: Duncker & Humblot.
  • Marquardt-Mau, Brunhilde (Hg) (1995): Schulische Prävention gegen sexuelle Kindesmisshandlung. Grundlagen, Rahmenbedingungen, Bausteine und Modelle. München: Juventa Verlag.
  • Stompe, Thomas; Laublicher, Werner; Schanda, Hans (Hg) (2013): Sexueller Kindesmissbrauch und Pädophilie. Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.