Gewalttäter Sport

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"Gewalttäter Sport" ist die Bezeichnung einer Datei, in der (Stand: Januar 2008) ca. 9.700 Personen polizeilich registriert sind. Ein Eintrag in die Kartei kann ein bundesweites Stadionverbot von seiten des DFB, Passbeschränkungen oder die Untersagung der Ausreise für die betreffende Person nach sich ziehen. Die Datei gehört zur "Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS), die mit dieser Datei ihrer Aufgabe nachkommen soll, bundesweit Fußball-Gewalttäter zu registrieren und zu beobachten. Die ZIS selbst steht auch mit anderen Ländern über den internationalen Datenaustausch in Verbindung, um zu verhindern, dass Hooligans in Stadien gelangen.

Herrschaft über die Datei

Die Daten werden von Polizeien der Länder wie des Bundes erhoben oder aus dem Ausland über deutsche Polizeidienststellen in diese Datei hinein vermittelt. Der Fußballbund und Sportvereine haben keinen Zugriff auf die Datei "Gewalttäter Sport". Folgende Kategorien sind vorgesehen:

  • Kategorie A : friedlicher Fan
  • Kategorie B : bei Gelegenheit gewalttätig
  • Kategorie C : der Gewalt nicht abgeneigt
  • Kategorie D : zur Gewalt entschlossen

Die Eintragung erfolgt nach dem Tatortprinzip. Somit ist die jeweils eintragende Dienststelle für die weitere Pflege in Form von Aktualisierung und Löschung des Datensatzes zuständig und verantwortlich.

Geschichte

1991 beschloss die Ständige Konferenz der Innenminister und –senatoren der Länder (IMK) die Einrichtung einer zentralen Stelle zur Vereinheitlichung der Bemühungen der jeweiligen Landesinformationsstellen Sporteinsätze (LIS). Weil Nordrhein-Westfalen die meisten Bundesligavereine stellte, wurde die ZIS 1992 beim Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf als Dezernat 43 zugeordnet. Aufgrund der am 1. Juli 2007 wirksam gewordenenen Neufassung des Polizeiorganisationsgesetzes NRW (POG NW) und der damit einhergehenden Umorganisation bzw. Schaffung der insgesamt drei Landesoberbehörden ist die ZIS nunmehr als Teildezernat 42.2 dem neuen Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste NRW (LZPD NRW) angegliedert.

Die Zentrale Informationsstelle arbeitet eng zusammen mit den jeweiligen Landesinformationsstellen und sog. szenenkundigen Beamten, um umfassende Lagebilder zu erstellen.

Ultragruppierungen mit choreographischen Inszenierungen, wie dem Abbrennen pyrotechnischer Artikel, fallen in der Regel noch in die Kategorie A der Bewertung. Jedoch wird diese Datei von vielen echten Fans als weiteres Mittel der Repression angesehen, da schon des öfteren Menschen als Gewalttäter Sport festgestellt wurden, die nur zur falschen Zeit am falschen Ort waren und sich an den Ausschreitungen nicht selbst beteiligt haben.

Jahresberichte

In jährlichen Berichten stellt die ZIS die von ihr ermittelten Zahlen vor. Der Jahresbericht 2002 führt 7302 deutsche Fans der Kategorien B und C auf. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 10 Prozent weniger. 2004 waren es 6500. Diese Schwankungen stehen im Zusammenhang des Aufstiegs bzw. Abstiegs bestimmter Vereine. Das Gewaltpotential ist also nicht gleichmäßig über alle Vereine der jeweiligen Liga verteilt. Die Dunkelziffer soll doppelt so hoch sein. Pro Saison ergeben sich im Schnitt etwa 3000 Strafverfahren und 5000 Festnahmen. Die Gewalttäter entstammen allen gesellschaftlichen Schichten. Die Gewalt ist also kein Phänomen der Unterschicht. Es zeigt sich im Lauf der Jahre eine Zunahme der Übergriffe von gewaltsuchenden Hooligans auf friedliche Fußballfans und unbeteiligte Passanten.

Rechtliche Problematik

Am 22.05.2008 stellte das Verwaltungsgericht Hannover fest, dass die Kartei "Gewalttäter Sport" rechtswidrig sei (Az. 10 A 2412/07). Aufgrund der zusätzlichen Zuständigkeit der Länder mangele es beim Gesetzgebungsverfahren an der Zustimmungs des Bundesrates. Das Bundeskriminalamt führt auf Grundlage des BKA-Gesetzes eine Datei "Gewalttäter Sport", in der Täter gespeichert werden, die durch Gewaltstraftaten in Zusammenhang mit sportlichen Ereignissen in Erscheinung getreten sind, wie z.B. Hooligans. Der Kläger des entschiedenen Verfahrens begehrte seine Löschung aus dieser Datei.

Das Gericht gab der Klage statt, weil es keine ausreichende rechtliche Grundlage für diese Datei sieht. Nach § 7 Abs. 6 des BKAG setzt die Führung so genannter Verbunddateien eine Rechtsverordnung - die der Zustimmung des Bundesrates bedarf - voraus, in der das Nähere über die Art der Daten geregelt wird, die in der Datei gespeichert werden sollen. Um eine solche Verbunddatei handelt es sich bei der Datei "Gewalttäter Sport", weil sie nicht allein in der Regie des BKA betrieben wird, sondern die Bundesländer die Datensätze eingeben und diese auch abrufen können. Während die weiter erforderliche Errichtungsanordnung mit detaillierten Regelungen existiert, wurde die in § 7 Abs. 6 BKAG geforderte Rechtsverordnung nicht erlassen. Dieser Mangel führt hier zur Rechtswidrigkeit der Datei und damit zu einem Löschungsanspruch.

Die Kammer hat die Berufung gegen das Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen. - 10 A 2412/07 -

Nachfragen auch unter 01713223393


"Die seit Jahren beim BKA geführte Datei Gewalttäter Sport ist nach Überzeugung des Verwaltungsgerichts Hannover rechtswidrig. Für sie fehle eine laut BKA-Gesetz nötige, vom Bundesrat abgesegnete Rechtsverordnung, teilte das Gericht mit. Die Folgen dieses Urteils seien gravierend: Gewalttäter, die in der Datei gespeichert sind, könnten verlangen, gelöscht zu werden, sagte eine Sprecherin. In der Datei sind die Daten tausender Hooligans gespeichert."

Literatur

Links