Gentrifizierung

Gentrifizierung/Gentrification (engl. "gentry" [dʒɛntri] - "niederer Adel", "feine Leute") ist ein Begriff aus der Stadtsoziologie, der einen strukturellen sozio-ökonomischen Wandel in innenstadtnahen Quartieren bezeichnet und der einen sozialen, kulturellen und ökonomischen Austausch der Bevölkerungsschichten sowie Verdrängungsdynamiken beschreibt.



Begriffsherkunft

Gentrification als Begriff wurde von der Stadtsoziologin RUTH GLASS (1963) geprägt und der den von ROBERT E. PARK und RODERIK D. McKENZIE (1925) geprägten Invasion-Sukzessions-Zyklus in Hinsicht auf "(...) den Austausch einer statusniedrigeren Bevölkerung durch eine statushöhere Bevölkerung in einem Wohngebiet" (Friedrichs/Kecskes 1996: 14) beschreibt.

Als Gentrification wird die bauliche Aufwertung durch Modernisierung eines innenstadtnahen Quartiers mit geringen Boden- und Mietpreisen und der Zuzug ins Quartier von sogenannten "Pionieren" verstanden, die infolgedessen einen sozialen und kulturellen Austausch nach sich zieht. Das Resultat ist die Übernahme von überdurchschnittlich gut verdienenden und jungen Haushalten sogenannten "Gentrifier" und das Quartier wird zur Enklave des gehobenen Wohnens (Häussermann et al. 2008: 242 f.).

Die gentrifizierten Quartiere weisen einen besonderen reizvollen "romantischen" Baustil, zu meist aus der Gründerzeit, auf, sowie dessen innenstadtnahe Lage als vorteilshaft beschrieben wird.

Im deutschen Sprachraum finden sich die Begriffe Gentrifizierung und Gentrifikation, die synonym verwendet werden.


Arten der Gentrification

In der Literatur werden unterschiedliche Arten der Gentrification beschrieben, die jeweils andere "Gesichter der Aufwertung" (Holm 2013) tragen und sich in ihren Voraussetzung und Form voneinander unterscheiden.


Klassische Gentrification

Die klassische Gentrification beschreibt einen Prozess der symbolischen Aufwertung von bauliche maroden innenstadtnahen Quartieren und die Verdrängung von sogenannten ökonomisch benachteiligten A-Gruppen (hier: Armen, Ausländern, Alleinerziehenden und Alten). Die Ansiedlung der Pioniere, meist Studenten die über ein geringes Einkommen verfügen und für die modernisierte Mietwohnungen in anderen Quartieren finanziell nicht leistbar sind, definiert den Beginn des Invasions-Sukzessions-Zyklus. Durch die innenstadtnahe Lage der Quartiere, der günstigen Mietpreise und des multikulturellen Umfeldes werden die Pioniere angezogen und öffnen im weiteren Prozeß die Türen für die neuen A-Gruppen (hier: Anwälte, Architekten, Akademikern), die eine Zunahme von veränderten Lebenstilen sowie eine Zunahme alternativer mittelständiger Berufswegen beschreiben (Holm 2013: 9 ff.).

Durch die Pionierphase und der einhergehenden Inwertsetzung durch die Ansiedlung von improvisierten Läden, Kneipen und Cafe's sowie Ateliers der Kunst- und Alternativszene wird das Quartier zu einem "besonderen" Ort und insbesondere für die Mittelklasse sowie für Investoren und Immobiliengesellschaften interessant. Da die meisten Gebäude in der Pionierphase marode und überaus sanierungsbedürftig sind, dem Eigentümer, oftmals die finanziellen Mittel zur Sanierung fehlen, sie gelockt werden durch die steigenden Bodenpreise, werden die Gebäude an Immobiliengesellschaften verkauft. Die Investoren wollen ihre finanziellen Anstrengungen (Kaufpreis, Modernisierungen, Umbauarbeiten) durch den zukünftig möglichen Miet- oder Verkaufspreis des von ihnen erworbenen Grundstücks und/oder Gebäudes mindestens ausgleichen, wenn nicht Kapital aus diesem schlagen. Von den Erneuerungen sowie dem Kaufpreis des Gebäudes und des Bodens ist der zukünftige Miet- bzw. Verkaufswert abhängig und für die ursprünglichen Bewohner des Quartiers kaum finanzierbar.

Interessant für Investoren ist die Differenz der "rent-gab" von NEIL SMITH (1986) geprägt wurde und die der "value gab" von CHRIS HAMNETT und BILL RUDOLPH (1986).. Der Anfang der Modernisierungs- und Umbauarbeiten beschreibt parallel das Ende der Pionierphase und den Zuzug der "Gentrifier", meist mittelständige Personen bzw. junge Familien mit einem gesicherten und höheren Einkommen, die die multikulturelle-alternative Umgebung des Quartiers schätzen und auf eine gewisse Sicherheit der Lebensbedingungen sowie der sozialen Struktur wertlegen. Durch die Modernisierung und den parallellaufenden Mieterhöhungen werden die improvisierten Läden, Kneipen und Cafe's, die die Grundlage für ein kommerzielles Investoren- und Immobiliengeschäft bilden, durch die Etablierung kommerziellerer Angebote in Hinsicht auf Gastronomie, Unterhaltung, Bekleidung und Kultur verdrängt (Holm 2013: 11).

Das Quartier erfährt eine touristikfördernde Umwandlung und einen erhöhten Kommerzialisierungsprozess, indem die alternativ-kreative erbaute Welt u.a. durch "Flagship-Stores" verdrängt werden.


Gentrification in Sanierungsgebieten

Gentrification in Sanierungsgebieten beschreibt eine gesonderte Art der Aufwertung. In der klassischen Gentrification ist der marktgesteuerte Prozeß im Sinne der immobilienwirtschaftlichen Inwertsetzung der Kernpunkt. Gentrification i. Sa. beschreibt die Einbindung der Inwertsetzung in städtebauliche Erneuerungsprojekte denen eine gesetzliche Verankerung im Baugesetz (Baugesetzbuch § 136 Abs. 2) obliegt, um Fördermittel für die Bestandsmodernisierung, um Mißstände zu beseitigen, zu verwenden sowie die Partizipation der BewohnerInnen des Quartiers vorangetrieben wird (Holm 2013: 11).

Das Ziel der Festlegung von Stadtteilen als Sanierungsgebiet seit den 1970er Jahren lag in der Verbesserung der Wohn- und Lebensverhältnisse der Bewohner, aber auch in der Beseitigung von Funktionsmängeln der Stadt, die zu einer besseren Nutzung von städtischen Flächen für Dienstleistungsgewerbe oder für eine Erweiterung der Verkehrsflächen führen sollten. Mit Letzteres ist die Verbesserung der infrastrukturellen Wege hinsichtlich leicht zugänglicheren Verkehrsanbindungen gemeint, die den Stadtverkehr fließender gestalten sollten.

Diese Ausweisung beschreibt die zentrale Legitimation marode Quartiere als Sanierungsgebiet im Rahmen der "Stadt als Unternehmen" festzulegen. Unter dem Stichwort der "behutsamen Stadterneuerung" sollten die öffentlich geförderten Modernisierungsprozesse ohne Nachteil für die angestammten Bewohnern im Quartier sein. Die "behutsame Stadterneuerung" hatte das Ziel Mißstände und Probleme im jeweiligen Quartier in den Quartieren zu beheben ohne das eine Verdrängung der vorhandenen Sozialstruktur mit dessen einhergehen sollte. Am Ende der subventionierten Modernisierungsprozesse ist die "Verbleibquote" der alteingesessenen Bewohnern äußerst gering, weil die finanzielle Belastung der Modernisierungsarbeiten die Wohnmieten anhoben, sodass diese kaum mehr von den Bewohnern bezahlt werden konnten und u.a. über der Bemessungsgrenze der Regelbedarfe von Sozialhilfeempfänger liegen (Häussermann et al. 2008: 231).

Gentrification i. Sa. stellt einen großflächigen Modernisierungsprozess dar, der dazu führt, das Verdrängungsdynamiken verstärkt werden sowie es zu einer Reduzierung der nahräumlichen Ausweichmöglichkeiten der angestammten Bewohnern kommt. Ein aktuelles Beispiel solcher gentrifizierter Sanierungsgebiete stellen die Hamburger Stadtteile Veddel und Wilhelmsburg dar. Die Quartiere wurden mit dem "Sprung über die Elbe", der internationalen Bauausstellung (IBA) sowie die internationale Gartenschau (IGS) werbeträchtig überlagert und "Hamburg als wachsende Stadt" bzw. die "Stadt als Unternehmen" markiert und eine politisch unternehmerische Aufwertung aus der Sicht der Stadt und der Kommodifizierung entstand, damit Hamburg im "Kampf der Städte" (Löw 2008) weiterhin attraktiv bleibt und soziale Brennpunkte umgewandelt werden.


Neubau-Gentrifizierung

Der Begriff der Neubau-Gentrification beschreibt nationale sowie internationale Neubauprojekte in z.B. ehemaligen Hafen- und Industrieanlagen. Insbesondere wird hier auf die Ausdehnung von Büronutzungen sowie die Anlegung von "Loft's" etc. angespielt. Aus städtebaulicher Sicht wird diese Art der Umwandlung nicht als Gentrification angesehen, weil keine Verdrängung von Bewohnern stattfindet.

HOLM (2013) stellt die Sicht aus den anliegenden Quartieren dar, die durch die Inwertsetzung des ehemaligen Hafen- und Industriegebiets ebenso eine ökonomische Inwertsetzung erfahren und somit gentrifiziert werden, weil die Boden- und Mietpreise in den anliegenden Quartieren ansteigen sowie dadurch der innerstädtische Wohnungsmarkt sozial- und ökonomisch benachteiligten Personen versperrt wird (Holm 2013: 14ff.).

Im Zuge von Neubau-Gentrification wird in der Literatur von "Super-Gentrification" gesprochen. "Super-Gentrification" beschreibt Neubauten im Luxuswohnbereich, die u.a. in bereits gentrifizierten Quartieren, z.B. das Bernard-Nocht-Quartier in Hamburg-St. Pauli, entstehen. Im Fall der Neubau-Gentrification wird die "Pionierphase" im Gegensatz zu den anderen Arten der Genrtrification übersprungen.


Erklärungsmodelle

Ökonomische Inwertsetzung

Makroökonomische Zyklen

Die makroökonomischen Zyklen beschreiben die Umwandlung des Bodens zur kapitalistischen Ware, einer Ware die profitorientierten Verwertungslogiken untersteht. HOLM (2013) beschreibt diese Umwandlung als keine neue Entdeckung der Stadtentwicklung, allerdings haben neue Akteure der Umwandlung neben den traditionellen Immobilienentwickler und Wohnungsbauunternehmen Interesse an der kapitalistischen Urbanisierung entwickelt. Laut HOLM (2013) sind es die Finanzmarktakteure die zu einer Umstrukturierung der Akteure in der Stadtentwicklung geführt haben und in dessen Zuge es zu einer zunehmenden Privatisierung durch Finanzdienstleistungskonzerne gekommen ist (Holm 2013: 22).

Die makroökonomischen Zyklen werden in zwei Kapitalkreisläufen (1. Kreislauf der Warenproduktion und 2. Kreislauf der Immobilieninvestitionen) unterschieden, in denen der zweite Kreislauf die Absicherung des ersten Kreislaufs darstellt ("Rettungsring"). Der zweite Kreislauf bezweckt eine Absorption der Gewinne aus dem ersten Kreislauf, die bei einer Überakkumulation in der Warenproduktion als Ausweg dient, damit Gewinne stabil bleiben und ein zunehmender Konkurrenzdruck in der Warenproduktion auf den Immobilienmarkt bezgl. Bauprojekten, Infrastruktur etc. abgeleitet werden kann. Der Rettungsring dient in Krisenzeiten den von MARX beschriebenen "tendenziellen Fall der Profitrate" zu stabilisieren.

"Die dauerhafte Krisenhaftigkeit der internationalen Finanzmärkte wirkt so wie ein Perpetuum Mobile für die städtische Aufwertungszyklen" (Holm 2013: 24).


Mikroökonomische Zyklen

Im Mittelpunkt der mikroökonomischen Zyklen steht zum einen die Theorie der Angebotsseite von NEIL SMITH (1986), die als "rent-gab" bekannt geworden ist sowie die Theorie der Nachfrage von CHRIS HAMNETT und BILL RUDOLPH (1986) der "value-gab". Beide Theorien beschreiben die Spanne der Ertragslücke. JÜRGEN FRIEDRICHS (1996) verweist darauf, dass diese beiden markttheoretischen Theorien nicht als voneinander getrennt wahrgenommen werden sollten, sondern als Theorien die sich einander ergänzen. Die "rent-gab"-Theorie beschreibt die auftretende Differenz zwischen der tatsächlichen und potentiellen Bodenrente eines Grundstücks. Das Grundstück wird im Zuge der makroökonomischen Zyklen als Ware bezeichnet und unterliegt nun dieser Kapitalisierung. Die zukünftige bzw. potentielle Bodenrente richtet sich nach der möglichen besten und höchsten Nutzung des vorhandenen Grundstücks.

NEIL SMITH und PETER WILLIAMS (1986) beschreibt es wie folgt: "(...) a rent gab in the inner city between the actual ground rent capitalized from the present (depressed) land use and the potential rent that could be capitalized from the "highest and best" use (or at least a "higher and better" use), given the central location." (Smith 1986: 23).

Im Gegensatz dazu richtet sich die "value-gab"-Theorie nicht auf den Boden, sondern auf die Differenz zwischen vermieteten gegenüber unvermieteten Gebäude. Das vermietende Gebäude stellt den Wert der Einnahmen aus der Vermietung dar und das unvermietete Gebäude stellt den Wert des Gebäudeverkaufs dar. FRIEDRICHS (1996) stellt die Schwierigkeit einer klaren Trennung der beiden Theorie dar, weil Bodenwert und Gebäudewert in einer Wechselbeziehung zueinander stehen (Friedrichs 1996: 27 ff.).

Der Wert der Differenz ist abhängig von der Homogenität der Nachbarschaften. D.h. umso höher die Homogenität der Nachbarschaft, z.B. Mittelschichtler im mittelständigen Quartier, desto höher ist die "rent-gab". Die entstehenden Kosten beim Erwerb des Grundstücks und der Modernisierung des Gebäudes wird der potentiellen Ertragslücke gegenübergestellt und nur bei einer weiten Differenz mit möglichst hoher Rendite wird diese als profitabel angesehen.

"Je schlechter die Ausgangsposition ist, desto größer die Ertragslücke" (Holm 2013: 25).


Kulturelle Inwertsetzung

Der Zuzug von Studenten, Künstlern etc. in ein sozialbenachteiligtes Quartier, wird in der Literatur als Beginn der Gentrification angesehen. Die dadurch folgende kulturelle Durchmischung des Quartiers, die Etablierung von szenenahen Clubs, Kneipen, Cafe's etc. in der frühen Pionierphase sorgen für eine kulturelle Inwertsetzung und im gleichen Atemzug werden die zugezogenen Pioniere als "Täter" der Gentrification dargestellt. HOLM (2013) verweist hier auf die Frage, ob die Hinzugezogenen die echten "Täter" der Gentrification sind, oder ob sie den "Prellbock" der ökonomischen Zyklen hinsichtlich dem Wandel der geringen Wohnungs- und Gewerbemieten zu den später kaum bezahlbaren Nutzungsflächen darstellen und sie die Verstärker der Aufwertungsdynamik sind.

Zuzugsgründe finden sich in unterschiedlicher Bandbreite. Zum einen stellen die niedrigen Mietpreise und zum anderen die Selbstentfaltungsmöglichkeiten in Quartieren mit z.B. hohen Leerstand, geringen Gewerbemieten eine zentrale experimentelle Rolle in der Entscheidung des Zuzugs dar.

"Abstrakt formuliert können wir diese erste Phase der Aufwertung als räumliche Konzentration von Menschen verstehen, die als konkrete Personen in hohem Maße mit kulturellen Kapital ausgestattet sind" (Holm 2013: 31).

In der ersten Phase und hin zum Übergang der zweiten Phase, wird der kulturelle Container zu einem verselbstständigten Fluß der kulturellen Aufwertungsdynamik. Das Image eines Arbeiterquartiers hin zu einem alternativen möglichen subkulturellen Hotspot des Kreativen entwickelte sich. Es findet nun eine Verortung des personengebundenen kulturellen Kapitals im Quartier statt. D.h. nicht mehr die Bewohnern sind die kulturellen Triebfedern, sondern der Ort an sich wirkt kreativ und ist kulturell aufwertend.

Diese Dynamik sorgt für den Beginn der dritten Phase der Aufwertung und wird von Kommodifizierung begleitet. Die neue romantische Attraktivität der Altbauquartiere, die kulturelle Durchmischung, die Sicherheit in ein " besonderes" Quartier zu ziehen, die neue touristische Beschaulichkeit der Quartiere tragen Sorge für eine zunehmende Kommodifizierung der Nachbarschaft. Die mediale Verstärkung eines "besonderen" Ortes dient Investoren als Sprungbrett für grundgreifende Modernisierungsprozesse, um eine möglichst große Ertragslücke zu erwirtschaften. Durch die höhere Renditeerwartung der Investoren steigen Kauf- und Mietpreise in den Quartier immens an und die ersten sichtbaren Symptome der Gentrification zeigen sich sowie der Beginn der Verdrängungsprozesse.

Die vierte Phase beschreibt eine soziale Distinktion zu anderen sozialen Schichten und geht einher mit einer aufkommenden Marginalisierung. D.h. dass die neuen Bewohnern einen Teil ihres eigenen Kapitals als Abgrenzungswert einsetzen, um einen symbolischen Wert zu erlangen, der ihren Stand in der Gesellschaft untermauert.

"Die Kreativität der Pionierphase wandelt sich so im Laufe eines Aufwertungsprozesses in einen käuflichen symbolischen Mehrwert" (Holm 2013: 33).


Politische Inwertsetzung

Die politische Inwertsetzung von Quartieren findet ihren Ursprung in den Begriffen der "Stadt als Unternehmen" oder die "wachsende Stadt". Gentrification, als innenstadtnahe Aufwertung, stellt in diesem Zusammenhang eine Möglichkeit der Vermarktung, der Aufbesserung städtisches Images und der damit einhergehende Attraktivität durch Heterogenität dar. Die wachsende Bedeutung der "Creative Cities" die für eine offene Toleranz, Freidenkertum, soziale Durchmischung, also eine Heterogenität, stehen, wirken als attraktive Strategien im "Wettkampf der Städte", um Repräsentanz des eigenen weltoffenen Images.

MARTINA LÖW (2010) beschreibt den "Wettkampf der Städte" bezgl. der Globalisierung und geht insbesondere auf den wachsenden Tourismus ein, der als Triebfeder des politischen Interesse interpretiert wird, aber ebenso auch die Interessenslagen von Investoren, die sich in Großstädten im Zuge der Globalisierung niederlassen, um Erträge zu erzielen. Das politische Interesse besteht in der attraktiven Gestaltung der eigenen Stadt gegenüber anderen Metropolen, damit Macht und Profit sichergestellt werden.

Stadtpolitik ist allerdings im gleichen Atemzug Ordnungspolitik. Es geht darum eine bestehende Ordnung zu erhalten bzw. Unordnung zu beseitigen. In diesem Zuge wird städtebaulich nicht mehr von "gefährlichen Klassen" gesprochen, sondern eher der Begriff der "gefährlichen Räume" verwendet, um Ordnungspolitik mit ggf. städtebaulichen Veränderungen zu legitimieren (Holm 2013: 47).


Kriminologische Relevanz

Die kriminologische Relevanz der Gentrification findet sich zum einen in der von HÄUSSERMANN ET AL. (2008) beschriebenen Marginalisierung von breiten innerstädtischen sozialbenachteiligten Bevölkerungsschichten in die Peripherie der Metropole sowie dessen anschließend mögliche Segregation. Zum anderen besteht die Relevanz in der Definition von Räumen, die vor bzw. während der Pionierphase als "gefährliche Räume" stadtpolitisch beschrieben werden und dessen Wandel die Gentrification rechtfertigt und somit von sozialen Gründen der Benachteiligung, z.B. bei Fragen der Integration von Migranten, ablenkt und nicht mehr den Fokus auf die personengebundenen Problemlagen der einzelnen Individuen im Quartier legt, sondern es als räumliche Problemlage darstellt.

BLASIUS/DANGSCHAT beschreiben diese Entwicklung wie folgt:

"Stadtverwaltungen haben in der Regel ein Interesse an der Unterstützung derjenigen ökonomischen und sozialen Prozesse, die mit dem Begriff Gentrification gekennzeichnet werden. Sie sehen aus der Persepktive der Wachstumspolitik in einem Ansteigen von Investitions- und Umbauaktivitäten sowie in der Steigerung der Kaufkraft der Bewohner eine "Belebung" solcher Stadtgebiete, die zuvor im Windschatten der Entwicklung zu stehen schienen - daher der sozial zynische Begriff "Revitalisierung" (Blasius/Dangschat 1990: 37).

HOLM (2013) legt besonders Wert darauf die Seite der Kriminalprävention darzustellen, die im Städtebau einhergeht mit der Orientierung an sicheren Stadtteilen, um Umbau- und Modernisierungsprozesse zu legitimieren. Grund hierfür ist die Stadt bzw. das Quartier dem allgemeinen Sicherheitsbedürfnis gerecht werden zu lassen und somit attraktiv für lokale und globale InvestorenInnen zu sein und ebenso für die "neuen" Bewohnern des zuvor "gefährlichen Raums". Eine zunehmende Überwachungstendenz (Kameraüberwachung, Zero-Tolerance, städtebauliche (architektonische) Kriminalprävention etc.) geht einher mit Gentrification-Prozessen wie es z.B. am Hamburger Stadtteil St. Pauli bemerkbar geworden ist.

"Verdrängung ist das Wesen der Gentrification, ihr Ziel, nicht ein unerwünschter Nebeneffekt" (Marcuse 1992:80).


Literatur

AKU Arbeitskreis Umstrukturierung Wilhelmsburg (2013): Unternehmen Wilhelmsburg - Stadtentwicklung im Zeichen von IBA und igs. Assoziation A. Berlin - Hamburg, 2013.

Blasius, Jörg/Dangchat, Jens S. (1990): Die Aufwertung innenstadtnaher Wohngebiete - Grundlagen und Folgen. In: Blasius, Jörg/Dangschat, Jens S. (Hrsg.): Gentrification: Die Aufwertung innenstadtnaher Wohnviertel. Campus Verlag GmbH. Frankfurt am Main, 1990. S. 11-34.

Friedrichs, Jürgen (1996); Gentrification: Forschungsstand und methodologische Probleme. In: Friedrichs, Jürgen/Kecskes, Robert (Hrsg.): Gentrification: Theorie und Forschungsergebnisse. Leske und Budrich. Opladen, 1996. S. 13-40.

Häussermann, H. et al. (2008): Vom modernen zum postmodernen Regime der Stadterneuerung. In: Häussermann, H. et al. (Hrsg.): Stadtpolitik. 1. Auflage. Suhrkamp Verlag. Frankfurt am Main, 2008. S. 225-245.

Holm, Andrej (2013): Wir bleiben Alle! Gentrifizierung - Städtische Konflikte um Aufwertung und Verdrängung. 2. unveränderte Auflage. Unrast- Verlag. Münster, 2013. S. 1-50.

Löw, Martina (2010): Globalisierung, Städtekonkurrenz und Eigenlogik. In: Löw, Martina (Hrsg.): Soziologie der Städte, 1. Auflage. Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft. Frankfurt am Main, 2008. S. 116-139.

Marcuse, Peter (1992): Gentrification und die wirtschaftliche Umstrukturierung New Yorks. In: Helms, Hans G. (Hrsg.): Die Stadt als Gabentisch. Reclam-Verlag. Leipzig, 1992. S. 80-90.

Smith, Neil (1986): Gentrification, the frontier, and the restructuring of urban space. In: Smith, Neil/Williams, Peter (Hrsg.): Gentrification of the City. Billing and Son Ltd. London and Worcester, 1986. S. 15-34.

Smith, Neil/William, Peter (1986): Alternatives to orthodoxy: invitation to a debate. In: Smith, Neil/William, Peter (Hrsg.): Gentrification of the City. Billing an Son Ltd. London and Worcester, 1986. S. 1-14.



--Rico H. 09:26, 3. Mär. 2014 (CET)