Generalbundesanwalt

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Der Generalbundesanwalt (GBA)ist die höchste deutsche Anklagebehörde in Sachen Terrorismus und Staatsschutz. Die Behörde hieß früher "Oberreichsanwaltschaft" und wird vielleicht deshalb heutzutage häufig als "Bundesanwaltschaft" bezeichnet. Offizielle Amtsbezeichnung ist aber "Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof". Seit dem 1. Juni 2006 ist Monika Harms Generalbundesanwältin beim Bundesgerichtshof.

Gegründet wurde die Behörde 1950. Angesiedelt ist sie beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Eine weitere Dienststelle befindet sich beim 5. Strafsenat des BGH in Leipzig.


Dem Generalbundesanwalt sind mehrere Bundesanwälte und (Ober-) Staatsanwälte beim BGH zugeordnet, so dass der GBA, der selbst nicht etwa einer Behörde vorsteht, sondern juristisch gesehen Behörde ist, über ca. 600 Mitarbeiter (davon 70% Juristen) verfügt. Als wissenschaftliche Mitarbeiter fungieren (aus den Bundesländern in der Regel für drei Jahre abgeordnete) Staatsanwälte oder Richter. Trotz dieses hohen Juristenaufkommens folgt die Aktenführung des GBA in Fällen von einiger Bedeutung nicht unbedingt dem geschriebenen Recht. Akten werden im mehr oder minder willkürlich definierten Interesse der Staatsraison verschoben, verlegt, vernichtet oder verheimlicht. Das macht es schwierig oder unmöglich herauszufinden, ob oder wie sich die staatlichen Behörden in den 1970er und 1980er Jahren bei der Terrorismusbekämpfung um Recht und Gesetz kümmerten.


Aufgaben

Zu den Aufgaben des Generalbundesanwalts gehören:

  • Mitwirkung an den Revisions- und Beschwerdeverfahren vor den Strafsenaten des Bundesgerichtshofs;
  • erstinstanzliche Strafverfolgung von Delikten gegen die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere von terroristischen Gewalttaten, Delikten gegen die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, vor allem von Landesverrat und Spionage, und von Völkermord (originäre Zuständigkeit nach § 120 Abs. 1 Gerichtsverfassungsgesetz).


Kritik

In einem offenen Brief an die Generalbundesanwältin Monika Harms kritisierten prominente Wissenschaftler aus mehreren Ländern – darunter Wilhelm Heitmeyer, Hartmut Häußermann, Ralf Fücks – die Karlsruher Strafverfolger und die Begründung und Durchführung eines Haftbefehles gegen einen Berliner Wissenschaftler. Nach Angaben der Verteidigung war die Untersuchungshaft des Wissenschaftlers damit begründet worden, dass von diesem veröffentliche wissenschaftliche Artikel Schlagwörter und Phrasen enthalte, die in Texten der militanten Gruppe (mg) gleichfalls verwendet werden. Die Häufigkeit der Übereinstimmung sei auffallend und nicht durch thematische Überschneidungen erklärlich. Darüber hinaus sei er als promovierter Politologe intellektuell in der Lage, die anspruchsvollen Texte der ‚militante(n) Gruppe (mg)‘ zu verfassen. Als Verdachtsmomente gegen einen weiteren, nicht verhafteten Kollegen wurde – nach Aussagen von Verteidigern – von der Bundesanwaltschaft genannt, diesem ständen Bibliotheken zur Verfügung, die er unauffällig nutzen kann, um die zur Erstellung der militanten Gruppe erforderlichen Recherchen durchzuführen.[5] Einer der Erstunterzeichner des Offenen Briefes, der emeritierte Berliner Soziologe Claus Offe, äußerte in einem Interview mit dem Deutschlandradio am 18. August 2007 die Befürchtung, dass es kein schöner Zustand sei, wenn sich die Bundesanwaltschaft auf diese Weise lächerlich mache. Die Bundesanwaltschaft solle nicht die Bevölkerung mit Terrorismusverdacht terrorisieren. Die Unterzeichner sehen im Vorgehen der Bundesanwaltschaft einen Skandal: Solche Argumente lassen jede wissenschaftliche Tätigkeit als potenziell kriminell erscheinen. Die Begründungen der Bundesanwaltschaft stellen eine direkte Bedrohung für alle dar, die kritische Wissenschaft, Publizistik und Kunst betreiben und für diese mit ihrem Namen in der Öffentlichkeit einstehen.

Für ihr massives Vorgehen gegen G8-Kritiker im Vorfeld des Gipfeltreffens in Heiligendamm im Juni 2007 wurde Generalbundesanwältin Monika Harms im Oktober 2007 mit dem Negativpreis Big Brother Award in der Kategorie „Behörden & Verwaltung" ausgezeichnet.

Aktenführung beim GBA

Akten von höchster politischer und zeitgeschichtlicher Relevanz gehen hier (angeblich oder tatsächlich) verloren, werden umetikettiert, der Nachforschung durch Weggabe entzogen oder aber vernichtet. So erklärte der GBA, dass die Akten über Verena Becker verloren gegangen seien. Bei dem des Mordes an GBA Buback und seinen beiden Begleitern (Georg Wurster und Wolfgang Göbel) verdächtigen RAF-Mitglied Verena Becker war die Tatwaffe gefunden worden. Verena Becker ist heute "angeblich spurlos verschwunden" (Stuberger 2008a). Die Akten über Zeit und Art ihrer Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz waren laut GBA verlorengegangen. Als Kopien beim Verfassungsschutz auftauchten, verfügte der Bundesinnenminister einen Sperrvermerk aus Gründen der Staatsraison (Stuberger 2008a). Ähnlich im Falle der - "verloren gegangenen" - umfangreichen Akten von Gerhard Müllers Aussagen gegenüber der Polizei (mutmaßlicher Inhalt u.a.: Geständnis eines Polizistenmordes während seiner RAF-Zeit, bevor er den Behörden den Aufenthalt von Ulrike Meinhof verriet und damit ihre Festnahme ermöglichte). Die Akte wurde zur geheimen Staatsangelegenheit erklärt und mit einem Sperrvermerk versehen; in über 30 Jahren Bemühens von Anwälten, Historikern und Journalisten, an die Akte mit dem Zeichen 3 ARP 74/75 zu gelangen, wurden Teile des Dokuments zögerlich freigegeben. Müller selbst "ist nach einer sehr milden Verurteilung unter Aussparung des Mordvorwurfs und seiner vorzeitigen Freilassung angeblich spurlos verschwunden. Es besteht kein Zweifel daran, dass er eine neue Identität und andere unbekannte Hilfen erhalten hat, um sich zu verbergen" (Stuberger 2008a). Im Oktober 2007 erklärte der GBA gegenüber Ulf G. Stuberger, dass in die Akte keine Einsicht gewährt werden könne, weil sie geheim sei. Dabei wurde verheimlicht, dass der Sperrvermerk des Justizministers bereits am 31.7.2007 aufgehoben worden war. Am 25.3.2008 teilte das GBA mit, man habe die Falschauskunft "aus Unkenntnis" erteilt. Gleichwohl sei eine Einsicht nicht möglich, da man die Akte an das Bundesarchiv in Koblenz gegeben habe. Das Bundesarchiv erklärte, die Originalakte sei "in Übereinstimmung mit dem GBA" vernichtet worden. Das GBA erklärte, dass der Vorgang 3 ARP 74/75 I bereits 1996 "bei der Bundesanwaltschaft vernichtet" worden sei. Im Mai 2007 habe der GBA eine Kopie der von ihm vernichteten Akte vom Bundesjustizmimisterium erhalten. Der GBA gab der Akte sodann ein neues Zeichen: 2 ARP 149/07-9 : "Nun konnte man Journalisten und anderen Interessierten zur Auskunft geben, die Geheimakte 3 ARP 74/75 I sei bei der Bundesanwaltschaft nicht mehr vorhanden. Der Etikettentausch wurde geflissentlich verschwiegen" (Stuberger 2008a). Auch die umetikettierte Akte sei danach ans Bundesarchiv abgegeben worden. Dort erklärt man, dass diese Akte zu Jahresbeginn 2008 im Einvernehmen mit dem GBA "kassiert", d.h. vernichtet worden sei. Die Aktenführung beim GBA ist relevant als Hindernis für die Erforschung der Geschichte des deutschen Terrorismus und seiner Bekämpfung in den 1970er Jahren - und insbesondere als Hindernis bei der Erforschung möglicher Illegalitäten seitens des Staates.

Quellen

  • Stuberger, Ulf G. (2008a) Vertuschen und vernichten. Wie der deutsche Staat mit Gesetzesbrüchen bei der RAF-Fahndung umgeht: Es verschwinden nicht nur Terroristen spurlos, sondern auch deren Akten. FAZ 05.04.08: 35.

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