Gefangenenbefreiung

Eine Gefangenenbefreiung ist die extralegale Entfernung von einem oder mehreren Inhaftierten aus dem Freiheitsentzug. In Deutschland ist die Gefangenenbefreiung ein Vergehen nach § 120 StGB - und anderswo ist sie auch strafbar. Diejenigen, die Gefangene befreien, stammen meist entweder aus dem sozialen Nahraum des Gefangenen (Verwandte, Freunde, Komplizen) oder aus dem Bereich derjenigen, die im weitesten Sinne für die Sicherung oder Gestaltung des Freiheitsentzugs zuständig sind und deshalb auch über besondere Möglichkeiten der Befreiung verfügen. Die befreiten Gefangenen sind häufig solche, die aufgrund von Geld, Status oder Charisma über außergewöhnliche Einflussmöglichkeiten verfügen. Die Modalitäten der Gefangenenbefreiung variieren erheblich: von der Fluchtermöglichung während einer Ausführung aus der Haft bis zur Hubschrauberlandung auf dem Gefängnishof mit anschließendem Abflug oder einer Meuterei von Häftlingsgruppen mit anschließendem Aufbrechen der Gefängnistore oder -mauern.

Juristische Aspekte (Deutschland)

Gefangenenbefreiung ist in Deutschland ein Delikt gegen die Staatsgewalt. § 120 des Strafgesetzbuchs droht dafür bis zu 3, bzw. 5 Jahre Gefängnis an:

"(1) Wer einen Gefangenen befreit, ihn zum Entweichen verleitet oder dabei fördert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ist der Täter als Amtsträger oder als für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter gehalten, das Entweichen des Gefangenen zu verhindern, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. (3) Der Versuch ist strafbar. (4) Einem Gefangenen im Sinne der Absätze 1 und 2 steht gleich, wer sonst auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt wird."

Modi Operandi

Gefangenenbefreiungen können gewaltlos oder mit Anwendung von Gewalt erfolgen. Zur Gewaltlosigkeit kann insbesondere die Bestechung von Wachpersonal beitragen. Andererseits sind Gefängnisbedienstete bei gewaltförmigen Befreiungen besonders gefährdet.


Gewaltlos

Typischerweise erfolgt eine gewaltlose Gefangenenbefreiung dadurch, dass jemand einem oder mehreren Gefangenen Hilfsmittel zur Flucht verschafft: Leitern, Stricke, Werkzeuge, ein Handy ... oder ein Fahrzeug oder Fluggerät. Im Idealfall ist dann - insbesondere, wenn mögliche Bewacher geschmiert wurden - keine Gewalt erforderlich, um die Gefangenenbefreiung nicht im Versuchsstadium abbrechen zu müssen.

  • Jakob Balthasar Kraus (*25.12.1904 in Ingolstadt, Oberbayern) arbeitete nach einer Bäckerlehre in verschiedenen Handwerks- und Industrieberufen und engagierte sich schon bald nach Gründung der KPD im Jahre 1919 für die Kommunisten. Im Dezember 1931 für die KPD in einen Gemeinderat gewählt, verlor er 1933 sein Mandat als Stadtrat. Schon vor dem 30.01.1933 hatte sich Jakob Kraus an Aktionen gegen die Nationalsozialisten beteiligt, Plakate geklebt und sich an einer Gefangenenbefreiung beteiligt. Im Oktober 1933 wegen Verbreitung illegaler Schriften von der Gestapo verhaftet wird er 1934 vom Oberlandesgericht Stuttgart wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu 5 Jahren und 6 Monaten Zuchthaus verurteilt. Er wird in das Zuchthaus Ludwigsburg eingeliefert und 1939 in die Gefängnisanstalt Bruchsal verlegt und dort als „unheilbar geisteskrank" geführt. Im August 1939 verlegt man ihn in die psychiatrische Klinik Heidelberg. Von dort schreibt er seiner Frau, er sei mit seinem Befinden außerordentlich zufrieden und könne auch bei großer Hitze arbeiten wie ein Bär. Im Dezember 1939 nach Hause entlassen, findet er Arbeit bei seinem früheren Arbeitgeber Thürrauch in Feuerbach. Seine Tätigkeit gegen das Nazi-Regime gibt er nicht auf. Er agiert jetzt als Verteilstation illegaler Schriften und setzt seine Kameraden als Kuriere ein. Er wird erneut von der Gestapo verhaftet, kommt in ein Polizeigefängnis, wird wegen Vorbereitung zum Hochverrat angeklagt und verurteilt. Von September 1942 bis Januar 1943 sitzt er einen Teil seiner Strafe im Polizeigefängnis Büchsenstraße ab, wo er schwer misshandelt wird. Er kommt zu Tode. Seine Frau meint, er sei am 27. Januar 1943 von der Gestapo in Stuttgart in der Gregor-Schmid-Straße, heute Neue Brücke, ermordet worden. In einem Schreiben von Ehefrau Kraus, datiert vom 24. August 1946 an das Stuttgarter Versorgungsamt, heißt es: „Die Kleider meines Ehemannes, die ich auf dem Pragfriedhof abholen konnte, waren durch und durch mit Blut getränkt und vollständig zerrissen und lassen auf einen gewaltsamen Tod meines Ehemannes schließen." Auf dem Mahnmal für die Opfer des Faschismus, das sich seit dem Jahr 1947 auf dem Feuer-bacher Friedhof befindet, ist auch der Name von Jakob Kraus eingraviert. Eine Straße im Feuerbacher Wohngebiet Walpenreute wurde in den 80iger Jahren nach ihm benannt. Am 10. November 2006 wurde für ihn vor dem Haus in der Klagenfurter Straße 11 ein Stolperstein gesetzt .
  • Im Oktober 2007 schmuggelte ein 19jährige Frau, gegen die wegen Gefangenenbefreiung ermittelt wurde, aus Mitleid eine jüngere Mitgefangene, die einen Jugendarrest verbüßte, in einem mit Luftlöchern versehenen Koffer aus der Jugendhaftanstalt Neustadt am Rübenberge (Niedersachsen). Die Befreite hatte keine Lockerungen bekommen und stand vor der Verbüßung einer 10-monatigen Haftstrafe, wollte aber ihre Familie auf jeden Fall wiedersehen. Die Geflüchtete wurde wenig später festgenommen und der Koffer wurde sichergestellt. Die junge Befreite kam zurück in den Arrest und erwartete die 10monatige Jugendstrafe.
  • Gegen 18:30 Uhr landete am 18.08.1971 ein polizeiähnlicher Hubschrauber mit US-Kennzeichen auf dem Innenhof des im Osten von Mexiko City gelegenen Gefängnisses Santa Martha Acatitla. Das Gefängnis verfügte über die damals besten Sicherheitseinrichtungen: einen 10 m hohen "unübersteigbaren" Metallzaun, 12 Wachtürme mit Feuerwaffen, Reflektoren, Sirenen und genügend Personal für eine Rund-Um-Die-Uhr-Bewachung. Zwei Gefangene gingen ohne weiteres an Bord. In Actopan im Bundesstaat Hidalgo teilten sie sich auf. Jeder bestieg eine Cessna 210. Der wegen Mordes an seinem Komplizen Luis Vidal zu 28 Jahren Gefängnis verurteilte amerikanische Waffenhändler Joel David Kaplan flog nach Brownsville, Texas, sein venezolanischer Zellengenosse Carlos Contreras Castro in ein anderes mittelamerikanisches Land - und danach verloren sich ihre Spuren (Mejido 2008).
  • Mit Hilfe von Hubschraubern gelang auch dem griechischen Gangster Vasilis Paleokostas 2006 und 2009 eine filmreife Flucht aus dem größten griechischen Gefängnis Korydallos.

Gewaltförmig

  • Jemand reißt einen Gefangenen während einer Ausführung von seinem Bewachungspersonal weg.
  • Jemand schaltet eine personale oder technische Bewachung gewaltförmig aus.

Gefangenenbefreiung in der Kunst

Literatur

Weblinks