Freies Beschäftigungsverhältnis

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Im Gegensatz zum abhängigen Beschäftigungsverhältnis (z.B. als Arbeiter oder Angestellter) ist ein freies Beschäftigungsverhältnis (FB; FBV) z.B. ein Studium, eine berufliche Aus- oder Weiterbildung oder auch die berufliche Tätigkeit im eigenen Betrieb. Kriminologisch relevant ist das freie Beschäftigungsverhältnis im deutschen Strafvollzug, weil es für Gefangene eine Möglichkeit darstellt, die Anstalt tagsüber regelmäßig zu verlassen und insofern ihren Bewegungsspielraum deutlich zu erweitern.

Nach § 39 Abs. 1 des Strafvollzugsgesetzes sollen Gefangene sogar in den Genuß von Arbeit auf der Grundlage eines Freien Beschäftigungsverhältnisses kommen, wenn nicht überwiegende Gründe des Vollzugs dagegen sprechen. Zweck dieser Regelung ist die Verbesserung der Wiedereingliederungschancen für die Gefangenen. Durch die Beschäftigung sollen sie ihre vor der Inhaftierung erworbenen Fähigkeiten erhalten und aufzufrischen, sich beruflich qualifizieren oder Fähigkeiten erwerben, die es ihnen ermöglichen, nach der Haftentlassung (erstmals) einer geregelten Arbeit nachzugehen.

Für und Wider eines Freien Beschäftigungsverhältnisses werden im Rahmen der Vollzugsplanung (§ 7 StVollzG) mit den Gefangenen erörtert. Zwingende Voraussetzung für die Genehmigung ist die sog. Freigangseignung des Gefangenen, d.h. seine Eignung, außerhalb der Anstalt ohne Aufsicht von Vollzugsbediensteten einer Tätigkeit nachzugehen (§ 11 Abs. 1 Ziff.1, 2.Alt., Abs. 2 StVollzG). In aller Regel sollen Gefangene, denen ein Freies Beschäftigungsverhältnis gestattet wird, in Einrichtungen/Abteilungen des offenen Vollzugs untergebracht sein, schon um sie davor zu schützen, von anderen Gefangenen unter Druck gesetzt zu werden, bei der täglichen Rückkehr in den geschlossenen Vollzug Verbotenes in diesen einzubringen.

Rahmenbedingungen und Vorgaben:

  • ein schriftlicher Arbeitsvertrag zwischen dem/der Gefangenen und dem/der künftigen Arbeitgeber/in entsprechend den arbeits – und tarifvertraglichen Bestimmungen
  • Ein sog. ‚Zusatzvertrag’ zwischen der Justizvollzugsanstalt und dem/der Arbeitgeberin, mit welchem u.a. die arbeitsrechtlichen Kündigungsvorschriften ausgeschlossen sind im Hinblick auf die nicht auszuschließende Möglichkeit, dass der/die Gefangene durch ihr Verhalten Anlass geben, die Gestattung des Freien Beschäftigungsverhältnisses zu widerrufen (§ 14 StVollzG). Enthalten sind aber auch sonstige Vorgaben z.B. über Kontrollbesuche der Anstalt am Arbeitsplatz, über die Verpflichtung des/der Arbeitsgeber/in zur Unterrichtung der Anstalt über absprachewidriges Verhalten des / der Gefangenen - insbesondere das Nichterscheinen am Arbeitsplatz – und über die Verpflichtung, die Bezüge mit befreiender Wirkung nur auf ein mit der Anstalt vereinbartes Konto zu zahlen und ohne Absprache mit der Anstalt keine sonstigen Zuwendungen zu leisten.
  • Über die so erworbenen Bezüge können die Gefangenen nicht frei verfügen. Vielmehr ist – etwa in Form eines mit ihnen gemeinsam abgesprochenen ‚Haushaltsplans’ – nach Maßgabe der zu § 39 StVollzG erlassenen Verwaltungsvorschriften deren Verwendung festzulegen und dabei darauf zu achten, ob im Einzelfall ggf. Gründe vorliegen, von der Verpflichtung zur Zahlung des Haftkostenbeitrags (§ 50 StVollzG) absehen zu können.

Rechtsprechung

Das Bundesverfassungsgericht erklärte die bis in die 1990er Jahre übliche Praxis, Freigängern nur ausnahmsweise ein freies Beschäftigungsverhältnis zu ermöglichen, für verfassungswidrig und ordnete an, diese Praxis bis spätestens zum 31. Dezember 1998 einzustellen (Pressemitteilung des BVerfG Nr. 72 vom 1.7.1998).


Literatur

  • Kirschke, Bettina (2003) Medizinische Versorgung im Strafvollzug. Eine Untersuchung und Bewertung unter besonderer Beachtung des freien Beschäftigungsverhältnisses und versicherungsrechtlicher Probleme. Hamburg: Dr. Kovacs.


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