Exorzismus

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Etymologie

Unter Exorzismus versteht man die Austreibung von Dämonen aus von ihnen besessenen Menschen, teilweise auch Tieren, Orten oder Gegenständen. Der Begriff, der später zu Lateinisch exorcismus wurde, stammt ursprünglich vom griechischen Wort exorkismós.

Definition

Vom 16. bis ins 18. Jahrhundert war die Durchführung von Exorzismusritualen besonders populär. Zu dieser Zeit war die Vorstellung, dass böse Mächte von Menschen oder Dingen Besitz ergreifen, besonders verbreitet und wurde von den Menschen als reale Bedrohung angesehen. Unterschieden wird hier allerdings zwischen Geistern, die im Rahmen von bestimmten Ritualen durch die Menschen gewollt in diese einfahren um zum Beispiel mit Verstorbenen Kontakt aufnehmen zu können. Andererseits jedoch das ungewollte Eindringen von bösen Dämonen in Menschen um diesen Schaden zuzufügen. Die einzige Möglichkeit, die Dämonen zu entfernen, war die Durchführung bestimmter Rituale um diesen durch Gott zu befehlen, den eingenommenen Körper zu verlassen.

Historie/Entwicklung

Neues Testament

Die Grundlagen des Exorzismus wurden im Neuen Testament gelegt gleichsam mit dem Glauben an Dämonen. So gab es bereits im Neuen Testament Berichte darüber, dass auch Jesus Teufelsaustreibungen vornahm. Besonders relevant für die weitere Entwicklung des Exorzismus war die Heilung des Besessenen von Gerasa (Mk 5, 1-20). Hier wird der Urtyp eines Rituals beschrieben, welches prägend ist für die christlich-abendländische Kultur des Exorzismus. Im Neuen Testament werden unterschiedliche Rituale genannt. Auch die Taufe eines Menschen ist ein exorzistisches Ritual. Während ursprünglich jeder Christ ein exorzistisches Ritual durchführen durfte wurde im 3. Jahrhundert das Amt des Exorzisten geschaffen und innerhalb der Kirche etabliert. Somit durften nur noch bestimmte Priester Exorzismen durchführen. Für die Menschen gehörte die Besessenheit zu dieser Zeit zum gegenwärtigen Weltbild und war Teil ihrer Alltagskultur. Nicht nur psychische Leiden, auch das Auftreten von körperlichen Erkrankungen wurde auf die Besessenheit durch böse Geister zurückgeführt.

6. bis 15. Jahrhundert

Zur Zeit des Mittelalters gewann der Glaube an Dämonen und damit auch an Exorzismen stärker an Bedeutung. Die Rituale haben sich im Laufe der Zeit immer weiterentwickelt und wurden komplizierter. Es wurden komplizierte Formeln und besondere Gegenstände zur Durchführung verwendet, die Kirche sicherte sich damit ihre bevorzugte Stellung zur Durchführung dieser komplexen Vorgänge. Exorzismus war zeitgleich auch eine Form von Strafe und Abschreckung durch Folter.

16. bis 18. Jahrhundert

Bei den Menschen vermischte sich der christliche Glaube mit Volksglauben was zu einer Vielzahl von Besessenheitsfällen führte. Trotzdem behielt die Kirche weiterhin ihre Vormachtstellung im religiösen Alltag der Menschen. Psychische Erkrankungen wurden entweder durch Alltagsmedizin geheilt oder es wurde eine Besessenheit unterstellt welche wiederum durch einen Exorzismus geheilt werden musste. Allerdings besaß dieser nun auch einen großen Unterhaltungswert, fast einem Schauspiel ähnlich, nicht nur für die Bürger sondern auch für die Prominenz, die großen Exorzismen als Zuschauer beiwohnten. Nach wie vor wurde Besessenheit als Krankheit angesehen, auch wenn manche Menschen diese als Form der Aufmerksamkeit nutzten. Da sowohl Besessenheit als auch Hexenwahn mit dem Bösen assoziiert wurden bestand eine enge Beziehung zwischen beidem. Hexenzauber galten als die Hauptursache für Besessenheit.

18. Jahrhundert bis heute

Die Sicht auf das Thema Exorzismus unterliegt einem Wandel. Aufgrund der Weiterentwicklung und des medizinischen Fortschrittes sind viele Krankheiten heilbar. Die Entstehung der Psychotherapie führt zu differenzierten Behandlungsmöglichkeiten psychischer Leiden. Besessenheit und exorzistische Behandlungen bestehen zwar nach wie vor, jedoch eher auf dem Land und in weniger gebildeten Teilen der Menschen. Jedoch wird auch die Kritik am Exorzismus stärker, ein humanistisches Weltbild setzt sich nach und nach durch. Die teilweise gewalttätige Ausführung von Exorzismen widerspricht diesem. Seit dem Jahr 1968 gibt es offiziell in der römisch-katholischen Kirche keinen Exorzismus mehr.

Das Rituale Romanum

Vor dem 3. Jahrhundert war jeder Christ bevollmächtigt, einen Exorzismus durchzuführen. Ab dem 3. Jahrhundert entstanden jedoch erst Rituale die im „Rituale Romanum“ zusammengefasst und verschriftlicht wurden. Das „Rituale Romanum“ ist damit die Grundlage für alle seitdem durchgeführten Exorzismen der katholischen Kirche. Das „Rituale Romanum“ darf nur im Auftrag eines Bischofs durchgeführt werden. Laut dem Exorzisten Gabriele Amorth umfasst das Rituale der Exorzismen 21 Regeln (Amorth, 62). Es muss geprüft werden, ob es sich tatsächlich um einen Fall von Besessenheit handelt. Hierfür gibt es praktische Hinweise wie dies für den Exorzisten zu erkennen ist. Das Ritual beginnt mit Gebeten sowie dem Vorlesen von Bibelstellen. Weitere Rituale folgen, es endet mit dem Befehl zum Ausfahren des Dämons. Es kann wenige Minuten dauern oder aber sich über Stunden hinziehen (Amorth, 40).

Symptome und wissenschaftliche Erklärungen

Die Symptome gliedern sich in zwei Phasen, Umsessenheit sowie Besessenheit:

Umsessenheit

Die Opfer fühlen sich körperlich geschwächt. Es kommt zu Verhaltensstörungen und Stimmungsschwankungen. Die Dämonen warten zu diesem Zeitpunkt auf eine Möglichkeit in den Körper einzufahren.

Besessenheit

Es folgt die Einfahrt in den Körper, meistens während die Person isst oder trinkt. Es kommt zu extremen Verhaltensweisen, Veränderungen von Gesicht und Stimme sowie Krämpfen und Verrenkungen. Heilige Symbole werden von dem Besessenen aggressiv und vehement abgelehnt.

Wissenschaftliche Erklärungen

Es gibt unterschiedliche Parallelen zu psychischen Erkrankungen wie Schizophrenie oder dissoziativen Störungen bzw. histrionischen Persönlichkeitsstörungen. Während die Schizophrenie Erklärungen liefert für die unterschiedlichen Persönlichkeiten des Besessenen sowie den Erinnerungslücken erklärt sie jedoch die körperlichen Symptome nicht. Eine dissoziative Störung ist gekennzeichnet durch die Abspaltung von Erinnerungen oder Persönlichkeitsmerkmalen. Es gibt unterschiedliche Formen, gemein ist allen jedoch das Fehlen einer körperlichen Krankheit. Teilweise kann es auch zu Bewegungsstörungen kommen, dies würde eine Erklärung darstellen für die körperlichen Symptome. Eine histrionische Persönlichkeitsstörung zeichnet sich aus durch das Bedürfnis nach Aufmerksamkeit. Es kann auch zu Zuckungen, Krampfzuständen und Sinnestäuschungen kommen. Somit bietet diese psychische Erkrankung beste Erklärungsmodelle für die Symptome einer Besessenheit.

Der Fall Anneliese Michel

Der Fall Anneliese Michel ist der letzte offizielle Fall von Exorzismus in Deutschland. Sie wurde am 21.09.1952 geboren, ihre Eltern waren streng katholisch. An ihr wurden 67 Rituale durchgeführt. Sie starb am 1.7.1976 an den Folgen von Unterernährung. Der Strafprozess gegen die Beteiligten erregte große Aufmerksamkeit. Der Fall bot Vorlagen für viele Dokumentationen und Spielfilme. Ein Exorzismusverbot in der katholischen Kirche wurde als Reaktion diskutiert.

Medien

Der Exorzist

Der im Jahr 1973 (Der Exorzist, USA 1973, Regie: William Friedkin) entstandene Film brachte die Themen Besessenheit und Exorzismus weltweit ins Gespräch. Grundlage ist der gleichnamige Roman von William Peter Blatty. Aufgrund der sorgfältigen Ausarbeitung wurde der Film zu einem der erfolgreichsten Horrorfilme Hollywoods. Im Jahr 2000 erschien eine überarbeitete Version (Der Exorzist – Die neue Fassung, USA 2000, Regie: William Friedkin).

Der Exorzismus der Emely Rose

Der Film (Der Exorzismus der Emely Rose, USA 2005, Regie: Scott Derrickson) behandelt den Fall Anneliese Michel, jedoch ist die Handlung eher durch den Fall inspiriert als diesen faktisch abzubilden. Der Film wurde mit einem MTV-Award ausgezeichnet.

Requiem

Der in Deutschland produzierte Film (Requiem, Deutschland 2006, Regie: Hans-Christian Schmid) thematisiert ebenfalls den Fall der Anneliese Michel. Er war besonders in Deutschland sehr erfolgreich und wurde mit diversen Preisen ausgezeichnet.

Kriminologische Relevanz

Nachdem der Fall der Anneliese Michel in den 1970er Jahren für eine Diskussion um ein Exorzismusverbot in der katholischen Kirche sorgte, ist die Durchführung von Exorzismen in Deutschland nach wie vor gesetzlich nicht verboten. Rechtlich verfolgt werden jedoch die möglichen Folgen eines Exorzismus wie beispielsweise Mord oder Körperverletzung. Im Jahr 2015 sorgte ein weiterer Fall von Exorzismus für Schlagzeilen in den deutschen Medien. So führten fünf Koreaner in einem Kölner Hotel ein Ritual an einer 41-jährigen Frau, mit der alle Teilnehmer in einer Verwandtschaftsbeziehung standen, durch. Die Frau starb infolge der an ihr vorgenommenen Handlungen. Die Cousine des Opfers wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt, die weiteren Angeklagten erhielten Bewährungsstrafen. Allerdings konnte im Verfahren nicht geklärt werden, ob es sich um einen Exorzismus handelt, auch da die Angeklagten sich kaum zu den Vorwürfen äußerten. Es wird davon ausgegangen, dass die Angeklagten ihrer Verwandten lediglich helfen wollten und nicht das Ziel hatten, diese zu töten.

Literaturverzeichnis

  1. Die Bibel Nach der Übersetzung Martin Luthers. Bibeltext in der revidierten Fassung von 1984. Hg. v. d. Evangel. Kirche in Deutschland. Stuttgart, 1999.
  2. AMORTH, GABRIELE: Ein Exorzist erzählt. 7. Auflage. Kisslegg-Immenried, 2012.
  3. FIEDLER, PETER: Persönlichkeitsstörungen. 6. Auflage. Weinheim/Basel, 2012.
  4. NEY-HELLMUTH, PETRA: Der Fall Anneliese Michel: Kirche, Justiz, Presse. Würzburg 2014.
  5. WEGNER, MARCUS: Exorzismus heute: Der Teufel spricht Deutsch. Gütersloh, 2009.
  6. DEUTSCHES INSTITUT FÜR MEDIZINISCHE DOKUMENTATION UND INFORMATION: ICD-10-WHO Version 2016. https://www.dimdi.de/static/de/klassi/icd-10-who/kodesuche/onlinefassungen/htmlamtl2016/block-f40-f48.htm [abgerufen: 3.2.17 12:35 Uhr]
  7. HÖLL, SUSANNE: Exorzisten-Prozess: Dämonen in Zimmer 433. http://www.sueddeutsche.de/panorama/frankfurt-exorzismus-prozess-daemonen-auf-zimmer-1.3198452 [abgerufen: 06.02.17 12:57 Uhr]
  8. SCHWAN, HELMUT: Nach Exorzismus-Prozess muss nur die Hauptangeklagte in Haft. http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/hauptangeklagte-im-exorzismus-prozess-muss-6-jahre-in-haft-14887265.html [abgerufen: 25.02.17 13:10 Uhr]
  9. WENGE, JÖRN: Abenteuerliche Erklärungen für den Horror. http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/frankfurt/exorzismus-prozess-in-frankfurt-14571765-p3.html [abgerufen: 06.02.17 13:09 Uhr]