Ehre ist die Anerkennungswürdigkeit eines Individuums oder eines Kollektivs im sozialen Umfeld (z.B. die Ehre eines Kaufmanns, die Ehre einer Familie, die Ehre einer Nation). Besondere Bedeutung kommt der Ehre in traditional-patriarchalischen (agrarischen) Sozialverbänden zu, wo sie oftmals als höchster Wert angesehen wird und damit das wichtigste soziale Kapital einer sozialen Einheit (normalerweise einer Familie, bzw. eines Haushalts) darstellt. Die einzelnen Familienmitglieder verkörpern jeweils unterschiedliche Aspekte der Familienehre: der Vater die Einheit des Haushalts, die Söhne seine Stärke und Wehrhaftigkeit und die Töchter die Reinheit. Beschmutzt z.B. eine Tochter die Familienehre, sagt normalerweise der Vater, was zu tun ist und einer der Söhne wird das Urteil (das u.U. auf Tötung der Tochter lautet) dann ausführen.

Soziale Funktionen

  • Schutz des (familiären) Innenraums gegenüber Übergriffen aus dem (öffentlichen) Außenraum, z.B. auch Schutz von Herrschaftsunterworfenen vor (sexuellen) Übergriffen der Inhaber von Machtpositionen auf weibliche Mitglieder des Sozialverbandes)
  • Gewährung von Sozialstatus auch für Angehörige unterer sozialer Schichten
  • Sozialintegration über Ermöglichung individueller Identifikationen mit dem Kollektiv.


Ehre und Kriminalität

Es gibt zwei Arten von Ehrdelikten: strafbare Handlungen, welche die Ehre verletzen, einerseits - und strafbare Handlungen, welche die Ehre verteidigen oder wiederherstellen (sollen).

Ehrverletzung

Beleidigungen, Verleumdungen und andere Formen vorsätzlicher Herabsetzung einer Person werden in aller Welt mit Strafe bedroht.


Ehrverteidigung

In vielen (rural-traditionalen) Weltgegenden, wo die Ehre das wichtigste soziale Kapital einer Familie und damit eine lebenswichtige Ressource darstellt, verlangt das Gewohnheitsrecht von einer Familie, deren Ehre verletzt wurde, dramatische öffentliche Reaktionen (z.B. Ehrenmord), die im Gegensatz zum staatlichen Tötungsverbot stehen und strafbar sind. Dieser Konflikt zwischen den Geboten des Gewohnheitsrechts einerseits und den Verboten des staatlichen Rechts andererseits wurde im 20. Jahrhundert durch Migrationsströme auch in die urbanen Zentren getragen, so dass insbesondere das Phänomen der Ehrenmorde sich verstärkt auch in Städten wie Istanbul, Hamburg, Rotterdam oder Paris manifestiert.

Literatur

  • Schiffauer, Werner (1985) Die Gewalt der Ehre. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.