Drogen in der DDR

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Offiziell galt die DDR generell als drogenfrei. Wenn das Thema Drogen überhaupt thematisiert wurde, dann meist nur im Zusammenhang mit dem „kranken, sterbenden und parasitären Kapitalismus“ (Kleim). Drogen galten allein als Problem des Westens, wo die Menschen nur durch Drogen „ihren unerträglichen Lebensbedingungen entfliehen“ (Kleim) konnten. Unerträgliche Lebensbedingungen gab es nach Ansicht der Staatsführung in der DDR nicht, somit war beispielsweise auch „krankhafter und übermäßiger Alkoholkonsum ‚dem Sozialismus wesensfremd’, wurzelten in der ‚vorsozialistischen Vergangenheit’ und galten als ‚Überrest des Kapitalismus’“ (Kochan).

Zählt man unter die Drogen in der DDR auch Alkohol, Zigaretten und psychoaktive Medikamente, dann spielten sie in der Realität der DDR in Wirklichkeit aber eine enorme Rolle. Tatsache ist aber auch, dass (wenn man unter dem Begriff ausschließlich illegale Substanzen wie Haschisch/Marihuana, Heroin, Kokain und ähnliches versteht) Drogen in der sozialen Realität der DDR eine fast unbedeutende Randerscheinung darstellten.

Legale Substanzen

Alkohol

Alkohol war die „Volksdroge Nummer 1“ in der DDR: "In der DDR wurde wie in kaum einem anderen Land so oft und so viel Alkohol getrunken. In der Menge und in der Art des Gebrauchs nahm der Alkoholkonsum eine herausragende und besondere Stellung ein“ (Thomas Kochan):

  • seit 1982 belegte die DDR jedes Jahr einen der vordersten drei Plätze im weltweiten Vergleich im Pro-Kopf-Verbrauch von Bier und Spirituosen
  • in dem Zeitraum Mitte der 50er Jahre bis 1988 erhöhte sich der durchschnittliche Bierkonsum von 68,5 Liter auf 143, 0 Liter
  • der durchschnittliche Konsum von Spirituosen, wie Weinbrand, Klaren, Likör oder Ähnlichem stieg in dem gleichen Zeitraum von 4,4 Liter auf 16,1 Liter

Detlef Buch beschreibt in seiner Dissertation „Alkoholikerhilfe in der DDR. Eine sozialpädagogische Betrachtung“, wie sich Länder zum Einen nach dem bevorzugten Getränk (Bierländer, Weinländer, Schnapsländer) und zum Anderen nach ihren jeweiligen Trinkkulturen (Ambivalenzkultur, Permissivkultur, funktionsgestörte Permissivkultur) unterscheiden und einteilen lassen. In Anbetracht der Zahlen des internationalen Vergleichs, ließe sich die DDR schon immer am ehesten den Bierländern zuordnen, aber auch unter den Schnapsländern war die DDR immer auf dem besten Weg zur Spitzenposition. Bezogen auf die Trinkkultur ließe sich die DDR der Gruppe der funktionsgestörten Permissivkulturen zuordnen, was bedeutet, dass die Mehrheit der Bevölkerung eine ständig wachsende Toleranz gegenüber starkem Trinken besaß. „Die Funktionsstörung äußerte sich in der Missachtung von Verboten, wie es sie etwa bei Führen von Kraftfahrzeugen, bei Kindern und Jugendlichen oder auch bei Schwangeren gab“ (Buch, 2002, S. 103f.). Und auch Kochan stellt fest: „In der DDR-Gesellschaft gab es eine eigene Kultur des Trinkens und Berauschens“ (Kochan). Generell lässt sich des Weiteren festhalten, dass Alkoholmissbrauch kein Problem einzelner sozialer Randgruppen war, sondern alle Schichten der DDR-Bevölkerung gleichermaßen betraf. Lediglich geschlechtsspezifische Unterschiede ließen sich ausmachen: laut einer Untersuchung (1974-1976) von Keyserlingk et al. (Vgl. Buch, 2002, S. 67), ergab sich bei 500 erfassten Alkoholkranken ein Verhältnis zwischen Männern und Frauen von 4:1 . Und auch die Trinkgewohnheiten unterschieden sich: „Frauen tranken mehr Wein und Sekt und weniger Bier und Schnaps als die Männer. Die Trinkabstände waren größer und die Trinkmengen geringer“ (Buch, 2002, S.67). Was das Alkoholproblem der DDR betrifft, so gibt es bedauerlicherweise noch viele ungeklärte Fragen, wie zum Beispiel die Frage nach dem „Warum?“. Warum war der Alkohol die „Volksdroge Nummer 1“? Das mag zum Einen an der hohen Akzeptanz in der Bevölkerung gelegen haben. Ein anderer oder weiterer Grund könnte aber auch sein, dass das Problem mit dem Alkohol viel zu selten von Seiten der Regierung thematisiert und zu oft verschwiegen oder gar tabuisiert wurde. Diesbezüglich gibt es bisher leider nur Mutmaßungen.

Schnüffelstoffe

Schnüffeln, also das Inhalieren chemischer Lösungsmittel, war eine eher subkulturelle Variante des missbräuchlichen Konsums legaler Substanzen, die fast ausschließlich von Jugendlichen beziehungsweise jungen Erwachsenen praktiziert wurde. Allgemein zählen zu den bekannten Schnüffelstoffen unter anderem Klebstoffe, Benzin und Alkohol beziehungsweise Spiritus. In der DDR wurde vornehmlich der Fleckentferner „NUTH“ als Schnüffelstoff zweckentfremdet, der von Jedermann legal erworben werden konnte.

Medikamente

Wesentlich weiter verbreitet als das so genannte Schnüffeln war der Missbrauch von Medikamenten, und zwar sowohl von Beruhigungs- als auch von Aufputschmitteln. Das am häufigsten missbrauchte Medikament war der lang wirkende Tranquilizer Faustan. Faustan wurde hauptsächlich von Jugendlichen und (den so genannten) „Intellektuellen“ konsumiert und oft mit Alkohol und/oder Koffein kombiniert. Weitere Schlaf- und Beruhigungsmittel, die missbraucht wurden, waren beispielsweise Rudotel, Radedorm, Radepur, sowie Kalypnon und Methaqualon. Innerhalb der Gruppe der stimulierenden Mittel war besonders Aponeuron (ein Amfetaminil) beliebt. In den 70er und 80er Jahren wurde es vermehrt zur Bekämpfung von Depressionen, Antriebsschwäche und jeglicher Art von „Unlust“ verschrieben, wirkte stimulierend und euphorisierend und besaß ein hohes Abhängigkeitspotential. Ein in der euphosisierenden und stimulierenden Wirkung ähnliches und deshalb beinahe ebenso häufig missbrauchtes Medikament war Exponcit, ein so genannter „Appetitzügler“, der hauptsächlich von Frauen eingenommen wurde. - Unter den Opiaten/Opioiden wurde im privaten Bereich vor allem Normethadon (Eucopon), eigentlich als Hustenmittel gedacht, missbraucht, da es eine starke euphorisierende Wirkung besaß. Im medizinischen Bereich führte Dolcontral beziehungsweise Pethidin häufig zu Abhängigkeit und/oder wurde missbraucht. Gleiches gilt für Codein. Konkreten Morphinismus soll es jedoch lediglich, nur sehr selten und meist unauffällig unter Ärzten/Ärztinnen, sowie Krankenschwestern und Pflegern gegeben haben.

Andere

Erfinderische Experimente in DDR:

  • Rauchen von schwarzem Tee oder von Muskat
  • Aufbrühen von Kaffee mit Rotwein (was eine Art koffeinhaltigen Glühwein namens „Carondo“ ergab und „anregend und betäubend zugleich“ wirkte)
  • Konsumexperimente mit „verfügbaren Naturdrogen“ (Kleim) wie zum Beispiel dem Stechapfel, dem Fliegenpilz oder der schwarzen Tollkirsche ("Belladonna").


Illegale Drogen

Das Suchtmittelgesetz

„Das Suchtmittelgesetz geht von der hohen Verantwortung des sozialistischen Staates für die Förderung und den Erhalt von Leben und Gesundheit der Bürger sowie für die Entwicklung des gesellschaftlichen Zusammenlebens aus. Es enthält grundlegende Feststellungen über den Suchtmittelverkehr, die eine stabile Ordnung auf diesem Gebiet gewährleisten“ (Ministerium des Gesundheitswesens, 1989, Sozialistisches Gesundheitsrecht, Berlin: Staatsverlag der DDR). Aufgrund ihrer UN-Mitgliedschaft, gestaltete sich die Gesetzeslage bezüglich des Gebrauchs von Suchtmitteln in der DDR ähnlich, wie beispielsweise in der Bundesrepublik Deutschland. Selbstverständlich war der Missbrauch von Suchtmitteln generell verboten. Ihrer „hohen Verantwortung […] für die Förderung und den Erhalt von Leben und Gesundheit“ ihrer Bürger, kam die Staatsführung in der Durchführung strenger Grenzkontrollen nach, die jegliche Einfuhr von Suchtmitteln verhindern sollte und dies auch größtenteils tat: bis auf äußerst seltene Ausnahmefälle in Berlin (Alexanderplatz), wo beispielsweise Haschisch / Marihuana aus Westberlin eingeführt wurde, konnte sich in der DDR kein Markt (oder besser Schwarzmarkt) für illegale Drogen etablieren, weil das Risiko schlichtweg zu groß und der Ertrag zu gering war.

Relative Drogenfreiheit

Bezogen auf illegale Rauschmittel war die DDR tatsächlich relativ drogenfrei. Die Gründe dafür lagen wohl vor allem in der ökonomischen Unattraktivität des Schwarzmarktes aus Sicht der Dealer (enormer Aufwand beim Schmuggel, hohe Entdeckungswahrscheinlichkeit, weiche Währung).

Literatur

  • Buch, Detlef: Alkoholikerhilfe in der DDR. Eine sozialpädagogische Betrachtung, Hamburg 2002
  • Ministerium des Gesundheitswesens der DDR (Hrsg.): Sozialistisches Gesundheitsrecht, Berlin 1989

Weblinks