Der Verbrecher aus verlorener Ehre

Aus Krimpedia – das Kriminologie-Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Der Verbrecher aus verlorener Ehre – eine wahre Geschichte ist ein Kriminalbericht von Friedrich Schiller, der 1786 zunächst unter dem Titel „Verbrechen aus Infamie“ veröffentlicht wurde.

Inhalt

Der körperlich deformierte Halbwaise Christian Wolf wird aus Geldnot Wilddieb, um seine Geliebte Johanne zu beeindrucken. Sein Konkurrent Robert sieht ihn dabei und erstattet Anzeige. Christian Wolf kann sich von seiner Strafe freikaufen, begeht jedoch weiterhin Wilddiebstahl. Nachdem Robert ihn erneut anzeigt, kommt Christian ein Jahr ins Zuchthaus. Danach wird er erneut rückfällig und verstrickt sich immer tiefer in eine kriminelle Karriere. Wolf wird zu drei Jahren Strafarbeit auf einer Festung verurteilt, wo ihn die harten und tyrannischen Umstände Hass auf alle Menschen entwickeln lassen. Schon nach seiner zweiten Strafe erlangt er Einsicht und sucht sich einen Beruf, wird jedoch bei Handwerkern und Bauern abgewiesen; selbst das Hüten von Schweinen, die niedrigste Arbeit eines Bauern, wird ihm verwehrt. Nach der dritten Strafe erkennt er seine Lage und beschließt, seine Verbrechen fortan aus Vorsatz und nicht mehr aus Not heraus zu tun. Als er wieder wildert, will er einen Hirschen schießen, entdeckt dabei aber seinen Rivalen Robert, ist wie benommen und wägt in einem kurzen Zeitraum Devianz mit Normalität ab, ob er ihn erschießen soll. Letztendlich entscheidet er sich für einen weiteren Schritt in seiner Devianzkarriere und erschießt den "Jägerspurschen". Schiller will hiermit ein Gegenbeispiel gegenüber dem Ideal, der Harmonie zwischen Neigung und Pflicht, zeigen, indem er den Verbrecher diese Tat sofort bereuen lässt.

Auf seiner Flucht spricht ihn ein Räuber an, der ihm Respekt zeigt. Selig, nicht ganz aus jeder menschlichen Gesellschaft verstoßen zu sein, schließt er sich ihm an und kann sogar der neue Hauptmann von dessen Bande werden. Nachdem ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt wird, bekommt er Angst, verraten zu werden. Aber nicht deshalb, sondern weil menschliche Regungen und ein Selbstwertgefühl und Ehrbewusstsein in ihm noch nicht ganz erloschen sind, beschließt er, auf irgendeine Weise in die Gesellschaft zurückzukehren. Er bemerkt immer mehr, dass der Freundeskreis in der Bande eine Illusion ist. Auch die Herzlichkeit, die ihn so angezogen hatte, ist nur aufgesetzt. Mehr als einmal muss er sein Leben aufs Spiel setzen, nur um sich mit Nahrung zu versorgen. Er zeigt sich einsichtig und beschließt, den Rest seines Lebens als Soldat und ehrlicher Mann zu dienen. Um dies zu tun, flieht er. Bei einer Grenzkontrolle glaubt er, als ehemaliger Verbrecher erkannt worden zu sein und zieht eine Pistole. Im Tumult wird er überwältigt und verhaftet. Dem Amtmann, einem vertrauenswürdigen Alten, gegenüber offenbart Wolf schließlich freiwillig seine Identität. Es wird angedeutet, dass er schließlich zum Tode verurteilt wird.

Entstehung Die Erzählung beruht auf einer wahren Begebenheit, die wahrscheinlich Jakob Friedrich von Abel, Schillers Lehrer auf der militärisch organisierten Carlsschule unter der Leitung von Herzog Karl Eugen mitteilte. Dessen Vater hatte als Amtmann das »Sonnenwirtle« verhaftet. Abel hatte die Begebenheit dann als "Der Fall Friedrich Schwahn" in seine "Sammlung und Erklärung merkwürdiger Erscheinungen aus dem menschlichen Leben" Band 2, 1787 aufgenommen. Das Thema erneuerte Hermann Kurz in "Der Sonnenwirt. Schwäbische Volksgeschichte aus dem vorigen Jahrhundert" (Frankfurt, 1855).

Literaturgeschichtliche Bedeutung Schiller setzte mit seiner Erzählung einen bis heute bewährten Standard in der objektiven Berichterstattung, der sich bis ins deutsche Rechtswesen durchgesetzt hat.

Interpretation und Bewertung aus heutiger Sicht Der Kriminalbericht ist zunächst als Zeugnis seiner Zeit zu sehen. Der Stand des Adels weist die typischen Privilegien wie das Jagdrecht auf, dessen Verstoß eine unverhältnismäßige Bestrafung gegenübersteht. Im Gegensatz zu vielen anderen, jungen Werken geht es Schiller in „Der Verbrecher aus verlorener Ehre“ nicht um spezifische Kritik am Absolutismus, sondern um die Betrachtung und Beachtung des Menschen als Individuum. Auf der einen Seite kritisiert er seitens der Leserschaft das mangelnde empathische Vermögen, vielmehr stehe der Unterhaltungswert und nicht der Lehrwert im Vordergrund. Auf der anderen Seite stellt er das damalige Rechtssystem in Frage, das wenig Spielraum für das Naturrecht habe. Es ist streng, sieht keine Gnade oder Resozialisation vor.

Schillers Essay ist auch noch heute in Zeiten von Rechtssicherheit aktuell. Wie beispielsweise die Fälle Ackermann oder Kohl zeigen, hängen Urteil und Strafmaß nicht allein von der "objektiven" Schuld, sondern auch von den Fähigkeiten und Ressourcen der Verteidigung ab, so dass Vorteile und Nachteile in der Gesellschaft nach wie vor unterschiedlich verteilt sind. Auf der anderen Seite müssen wir uns eingestehen, dass trotz der Fortschritte in der forensischen Psychologie und der Psychiatrie, die Motive des Handeln von Straftätern immer noch nicht befriedigend erklärt werden können.

Die Frage nach der Menschenwürde einerseits und der Schutz der anderen Menschen zeigen sich vor allem als Konflikt bei Sexualstraftätern.

Sekundärliteratur Bernhardt, R.: Friedrich Schiller: Der Verbrecher aus verlorener Ehre. Königs Erläuterungen und Materialien (Bd. 469). Hollfeld: C. Bange Verlag 2008, ISBN 978-3-8044-1872-1. Weblinks

Wikisource: Verbrecher aus Infamie – Quellen und Volltexte

Der komplette Text des Buches Das komplette Buch als kostenfreies Hörbuch Von „http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Verbrecher_aus_verlorener_Ehre“