Der Baader Meinhof Komplex (Film)

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Der Spielfilm Der Baader Meinhof Komplex aus dem Jahr 2008 schildert die Vorgeschichte und Aktionen der Terrorgruppe Rote Armee Fraktion von 1967 bis 1977 sowie die Reaktionen von Poltik und Öffentlichkeit und in Ansätzen die Hintergründe der Mitglieder der RAF.


Inhalt

Der größte Teil der Handlung dreht sich um die Entstehung und die Aktionen der RAF im Zeitraum 1967 bis 1977. Beim Staatsbesuch des Schah Mohammad Reza Pahlavi in West-Berlin kommt es zur gewaltsamen Auflösung einer Demonstration, bei der Kriminalobermeister Karl-Heinz Kurras den Studenten Benno Ohnesorg vor der Deutschen Oper erschießt. Studentenführer Rudi Dutschke, Redner am Vietnam-Kongress im Audimax der TU Berlin, wird auf offener Straße von einem jungen Hilfsarbeiter angeschossen und schwer verletzt. Als Reaktion folgt ein Protest gegen den Axel-Springer-Verlag, an dem auch Ulrike Meinhof teilnimmt. Nach der Brandstiftung in zwei Frankfurter Kaufhäusern als Protest gegen den Vietnamkrieg werden die Täter am nächsten Tag festgenommen. Meinhof schreibt als Journalistin über den Prozess und lernt dabei die angeklagten Studenten Gudrun Ensslin, Thorwald Proll und Andreas Baader kennen.

Die Angeklagten werden zu drei Jahren Haft verurteilt, aber schon im Juni 1969 wieder entlassen, bis das Gericht über die Revision ihrer Urteile entscheidet. Als im November 1969 ihre Revision abgelehnt wird, tauchen Andreas Baader und Gudrun Ensslin in den Untergrund ab. Nach Berlin zurückgekehrt, wohnen sie zeitweise bei Meinhof. Während einer Fahrzeugkontrolle wird Baader festgenommen und inhaftiert, aber einen Monat später gelingt Meinhof und Ensslin die so genannte „Baader-Befreiung“ in Berlin. Damit wechselt Meinhof in die Illegalität und lässt ihre zwei Töchter zurück. Im Sommer 1970 erfolgt eine militärische Ausbildung der Gruppe in einem Camp der Fatah. Noch im selben Jahr verüben sie in Berlin fast gleichzeitig drei Banküberfälle, bei denen sie insgesamt über 200.000 DM erbeuten. Es kommt zu Verhaftungen, unter anderem von Horst Mahler und Astrid Proll. Als erste Tote auf RAF-Seite wird Petra Schelm in einem Hinterhof von der Polizei erschossen. Es erfolgen mehrere Bombenanschläge, unter anderem auf das V. US-Korps in Frankfurt am Main, auf die Polizeidirektion Augsburg und auf das Verlagshaus der Axel Springer AG. BKA-Präsident Horst Herold wendet zur Ergreifung der Terroristen eine Rasterfahndung an. Schließlich – im Sommer 1972 – werden die wichtigsten Leitpersonen, darunter Baader, Ensslin, Meinhof und Holger Meins gefasst und in den Hochsicherheitstrakt von Stuttgart-Stammheim eingeliefert.

Nachdem Meins in einem kollektiven Hungerstreik der RAF-Gefangenen verstirbt, erschießen Terroristen den Berliner Kammergerichtspräsidenten von Drenkmann. Zwecks Freipressung sämtlicher Gesinnungsgenossen besetzt das „Kommando Holger Meins“ die deutsche Botschaft in Stockholm und nimmt zwölf Geiseln in der so genannten „Geiselnahme von Stockholm“. Während dieser Aktion werden Oberstleutnant Andreas von Mirbach und Wirtschaftsattaché Heinz Hillegaart getötet. Bei einer Befreiungsaktion kommt es zu einer Explosion, alle sechs Kommandomitglieder werden verletzt. Während des Prozesses versuchen die Häftlinge, den Ablauf zu boykottieren, indem sie sich fortwährend als verhandlungsunfähig darstellen, den Richter beleidigen und damit den Prozess stören. Meinhof überwirft sich mit ihren Mithäftlingen und tötet sich im Mai 1976. Nach Verbüßung ihrer Haftstrafe wird Brigitte Mohnhaupt zum führenden Kopf der Gruppe, die weitere Attentate folgen lässt. Die RAF ermordet Generalbundesanwalt Siegfried Buback und seine Begleiter in Karlsruhe. Mohnhaupt und Christian Klar erschießen bei einem Entführungsversuch Jürgen Ponto, den Vorstandssprecher der Dresdner Bank AG, in seinem Haus in Oberursel. Nachdem die Stammheimer Häftlinge erfahren haben, dass die Entführung des Flugzeugs Landshut durch die PFLP zu ihrer Freipressung fehlgeschlagen ist, nehmen sie sich in der Todesnacht von Stammheim das Leben. Daraufhin erschießen die letzten Anhänger der Gruppe in einem Waldstück den entführten Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer.

Der Film im Rahmen der RAF-Debatte

Urteile der Kritik

Die im Film präsenten Publikationen, die Zeitschrift Konkret, in der Meinhof schrieb, und die vom Springer-Verlag, gegen den die RAF Bomben legte, herausgegebene Bild-Zeitung, bewerteten den Film konträr. In einem höhnischen Verriss sprach Konkret von einem „Aufguß der alten Austschen Kolportage, die zur offiziösen Geschichtsschreibung erhoben“ und in den Schulunterricht Eingang finden soll. Konkret beklagte unglaubwürdige Personendarstellungen, eine belanglose Bildsprache, „hausbackene Action mit gewaltgeilen RAF-Rambos“ und den schnellen „Gewaltmarsch“ von Ereignis zu Ereignis: „Der willkommene Nebeneffekt: Worte und Taten sind ihres Zusammenhangs beraubt, fürs Zitieren auch nur eines der Gedanken, die sich die Gründer der RAF vielleicht doch gemacht haben,“ fehle die Zeit.

Redakteure der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und des Spiegel wurden vom Filmverleih gegenüber anderen Medien bevorzugt behandelt. Sie konnten den Film früher sehen und ihre Artikel, die zustimmend ausfielen, vor Ablauf der Sperrfrist veröffentlichen. Der Feuilletonchef der F.A.Z., Frank Schirrmacher, beklagte in seinem Beitrag die um die RAF entstandene, unerträglich emotionale und pathetische Erinnerungskultur. Anzutreffen sei diese unter anderem im linken Intellektuellenmilieu, unter Lehrern, Journalisten und Künstlern, die damals unzufrieden gewesen waren, und an der Gesellschaft und der Unmöglichkeit einer Revolution gelitten hatten. Der Film reproduziere perfekt die 1970er Jahre, schaffe ein „Paralleluniversum“ und habe „womöglich die Kraft, die gesamte RAF-Rezeption auf eine neue Grundlage zu stellen.“ Denn er mache kenntlich, dass der RAF-Terror in der Stammheim-Phase sich nicht um Politik drehte, sondern um die Befreiung von Gefangenen, die als spießiges Liebespaar einen gemeinsamen Haushalt führen wollten. Und er biete die Chance, die Pathologie der Anhänger zu verstehen, die aus Liebe selbst die schlimmsten RAF-Verbrechen rechtfertigten.

Die Hoffnung, der Film werde die RAF-Debatte weg von den Motiven und Worten hin zu den Taten verschieben, drückte Dirk Kurbjuweit in einer Spiegel-Titelgeschichte aus. Bisherige Spielfilme über RAF-Angehörige, namentlich Die Stille nach dem Schuss (2000), Die innere Sicherheit (2000) und Baader (2002), hätten die Terroristen als Leidende und mit Sympathie gezeigt. So gelungen sie für sich selbst auch gewesen seien, hätten sie „erträgliche Bilder für ein unerträgliches Geschehen“ geliefert, auf die Motive der Mörder statt auf ihre monströsen Taten fokussiert. Zwar verfolge Gedeck noch den herkömmlichen Ansatz des Sichhineinversetzens in die Figur, doch Nadja Uhl zeige nur das Töten, was einen „Meilenstein für den deutschen Umgang mit der RAF“ darstelle. Bilder hätte es bisher nur von den Tatorten nach der Tat gegeben, und die sehr schmerzhaften, schonungslosen Bilder zu den RAF-Taten liefere der Film nach.

Einige andere Kritiker konzedierten, die Gewalt werde nicht beschönigt. Jedoch gab es Zweifel, dass der Film die Diskussion beeinflussen kann. Er könne nicht, wie verkündet, die RAF in der Wahrnehmung der Deutschen demaskieren, weil sie die Terroristen stets schon als die Mörder gesehen hätten, die sie waren, und weil die RAF schon längst intensiv untersucht worden war.

Die lose Dramaturgie schiebe Ursachen und Wirkungen, Motive und Schuld von Tätern beiseite und mache Terrorismus zum Schicksal, etwa bei Meinhof, die wie eine Getriebene erscheine, hieß es in einigen Rezensionen. Die Reduktion der Figuren auf eine Mörderbande ohne persönliche Motive, meinte Bert Rebhandl im Standard, wende sich gegen alle Versuche, den deutschen Terrorismus als Symptom eines Gesellschaftssystems zu denken. Motive und Hintergründe der Figuren vermissten noch weitere Kritiker. Andere fanden die Gestalten der ersten Generation, Ensslin, Baader und vor allem Meinhof, noch klar konturiert, die später auftauchenden Figuren dagegen nicht mehr. Der Film gebe, so Stefan Reinecke in epd Film, unhinterfragt das von Stefan Aust aufgestellte Klischee wieder, die RAF-Gründer hätten teilweise noch beachtenswerte Motive gehabt, während die nächste Generation gewissenlose Killerautomaten gewesen seien.

Manche Kritiken bescheinigten dem Werk, nicht in Effekthascherei verfallen zu sein. Der Hintergrund mache die berechtigte Empörung und das Abgleiten Einzelner in die Gewalt emotional nachvollziehbar, und verhindere ihre Verherrlichung wie ihre Dämonisierung. So sah es auch Andreas Fanizadeh in der taz. „Die damalige Lust an der Revolte wird nicht verschämt weggedrückt, ohne sie wäre ja auch sonst wenig in der Bundesrepublik passiert, von dem wir heute alle profitieren.“ Der Film verneine eine manchmal behauptete Zwangsläufigkeit, wonach Pop und Rebellion direkt in den bewaffneten Kampf geführt hätten, und mache deutlich, dass der Terror nicht eskaliert wäre, „wenn das verbohrte politische Establishment bei Zeiten zu Einsicht und Besinnung gekommen wäre.“ Die Protagonisten seien vielschichtige „Menschen mit Gefühlen und Intelligenz“. Umgekehrt wertete Eckhard Fuhr von der Welt. Die verwendeten Erzählmuster des Action-Kinos beförderten eine mythenbildende Umwertung von Verbrechern zu Kombattanten. Die von sympathischen Stars gespielten Terroristen erschienen vielschichtiger und lebendiger als die Vertreter des Staatsapparats.

Kritik ehemaliger RAF-Mitglieder

Karl-Heinz Dellwo, Mitglied der RAF und Beteiligter an der Geiselnahme in der deutschen Botschaft in Stockholm 1975, gibt seine Einschätzung zum Film in einem Interview mit dem Börsenblatt ab: "[...] Der vermutlich bekannteste Film - von Eichinger - ist ein tristes, weil inhaltlich völlig entleertes Werk. Die RAF scheint da als eine Gruppe, die vom Himmel gefallen ist. Diejenigen, die sich integriert haben, sind die Klugen. Alle, die an der Revolte, am Widerstand gegen die Alt-Nazis oder die Gewalttätigkeit des Imperialismus festgehalten haben, sind die Verrückten, die sinnlos herumballern." (Heimann, Holger (2011): "Das Kreuz der Vergangenheit". In: Börsenblatt 44, 2011)

Stellungnahmen involvierter Persönlichkeiten

Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum stellte fest, das Werk sei als Film gut und realitätsnah gemacht, biete aber „keinerlei neuen Erkenntnisse“. Durch die Action-Dramaturgie drohten die politischen Motive unterzugehen. Die Debatte über die RAF werde der Film nicht ändern, aktueller sei ohnehin die Frage, wie der demokratische Rechtsstaat auf terroristische Bedrohungen reagieren soll.

Der Sohn des getöteten Siegfried Buback fand den Film zwar sehenswert, er stelle jedoch als „Täterfilm“ die Terroristen in den Mittelpunkt und decke, das hervorragend, nur einen Teil des Themas ab, weil die Opfer „vage und unpersönlich“ blieben. Hingegen schätzte der Sohn von Hanns Martin Schleyer die Porträtierung der RAF als Bande gnaden- und mitleidloser Mörder. Ebenso sah der Sohn des ermordeten Andreas von Mirbach das Verdienst des Films in der unbeschönigten Darstellung, wie barbarisch die Tat an seinem Vater war, obwohl der Mord tatsächlich noch viel brutaler abgelaufen sei.

Eine Tochter Meinhofs, die Publizistin Bettina Röhl, kritisierte, dass der Film Terroristen maximale Heldenverehrung angedeihen lasse und Gedecks Darstellung ihrer Mutter das „Gift“ fehle.

Filmdaten

  • Produktionsland: Deutschland
  • Originalsprache: Deutsch
  • Erscheinungsjahr: 2008
  • Länge: Kinofassung 144 Minuten, TV-Fassung 152 Minuten
  • Altersfreigabe: FSK 12, JMK 14
  • Regie: Uli Edel
  • Drehbuch: Bernd Eichinger
  • Produktion: Bernd Eichinger
  • Musik: Peter Hinterthür, Florian Tessloff
  • Kamera: Rainer Klausmann
  • Schnitt: Alexander Berner
  • Besetzung (u.a.):
    • Ulrike Meinhof - Martina Gedeck
    • Gudrun Ensslin - Johanna Wokalek
    • Andreas Baader - Moritz Bleibtreu
    • Rudi Dutschke - Sebastian Blomberg
    • Holger Meins - Stipe Erceg

Literatur

Weblinks

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