Der Alte vom Berge

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Raschid ad-Din Sinan führt vor, wie sich seine Männer auf Befehl umbringen

Raschid ad-Din Sinan, genannt "Der Alte vom Berge" (auch: Sinan ibn Salman, arabisch: رشيد الدين سنان) war ein Anführer der ismailitischen Assassinen in Syrien. Er wurde vermutlich in der Nähe von Basra um 1132/1135 geboren und starb zwischen 1192 und 1194 auf der Burg Al-Kahf. Er gilt als der größte und unabhängigste aller Assassinenführer, Gegenspieler und Verbündeter Saladins sowie als geschichtlich entscheidende Figur im Dritten Kreuzzug. Aufgrund seiner gefürchteten Macht in den nördlichen Gebirgen Syriens und der Legende, er habe seine Männer jederzeit in den Tod schicken können, tritt er in einer ganzen Reihe fiktionaler, europäischer Literatur auf.

Namensherkunft

Die häufige Benennung Raschid ad-Din Sinans als "Der Alte vom Berge" entstammt der lateinischen Bezeichnung Vetulus de Montanis, welche widerum auf die europäischen Kreuzfahrer zurückzuführen ist. Dabei entspricht "Der Alte" oder "Ältester" dem auch heute noch gängigen arabischen Ausdruck Scheich, was auch soviel wie "Anführer" bedeuten kann. Unklar ist jedoch, ob die Assassinen ihren Alten auch als "vom Berge" bezeichneten, denn die direkte Übersetzung ins arabische, Scheich al-dschabal, entstammt vermutlich eher einer nachträglichen Übersetzung des westlichen Ausdrucks, und dieser dann möglicherweise einem vorausgegangenen, sprachlichen Missverständnis zwischen den Europäern und den Bewohnern Syriens.

Während die Kreuzzfahrer die Bezeichnung des "Alten vom Berge" also mit dem obersten Anführer der Assassinen verbanden - was mitunter auch zur irrtümlichen Anwendung des Beinamens auf den Stammvater der Assassinen, Hasan-i Sabbah, führte - so kann die Bezeichnung Raschid ad-Din Sinans als "Gebieter des Gebirges" (so wie es in einigen Quellen zu finden ist) kaum als ursprünglich arabische oder persische interpretiert werden, sondern vielmehr als die durch europäische Aufzeichnungen zum Dritten Kreuzzug enstandene Benennung eines als mysteriös und furchteinflößend geltenden Anführers einer bestimmten syrischen Gruppierung. Denkbar wäre jedoch noch, dass die vorgenommene Betitelung zur orientalischen Bevölkerung und vielleicht auch zu Sinan selbst vorgedrungen sein, und dadurch möglicherweise doch noch Verwendung im Arabischen gefunden haben könnte.

Leben

Raschid ad-Din Sinans Geburtsort ist vermutlich das in der Nähe von Basra gelegene Dorf Aqral-Sudan im Südirak. Laut seiner Biographie war er der Sohn eines angesehen Bürgers Basra, was ihm zu einem höheren Bildungsstand verhalf. Nach einem nicht näher erläuterten Geschehniss zwischen ihm und seinen Brüdern verließ Sinan seine Heimat und wanderte nach Alamut, einer Bergfestung in den Dailamiten, die damals vom ismailitischen Assassinenführer Kija Muhammad beherrscht wurde. Dessen Sohn und Nachfolger Hasan II., der gemeinsam mit Sinan in Alamut unterrichtet und ausgebildet worden war, schickte letzteren 1162 nach Syrien, um die von Hasan proklamierte Auferstehung (das Gebot, bestimmte Verhaltensweise wie Fasten und Beten einzustellen) unter den dortigen Ismailiten zu verbreiten.

Sinan stellte sich jedoch gegen diese neue Doktrin des Verbots der Befolgung islamischer Gesetze und ließ Fastenbrecher, Trinker und andere "Ekstatiker" vernichten, was zu einem Bruch mit Alamut und den dortigen Assassinen führte. Residierend in Masyaf, stieg Sinan zum Anführer der Ismailiten in Syrien auf, und eroberte eine Reihe weiterer Burgen und Festungen im umliegenden Gebiet, um seinen Machtbereich zu erweitern. In den Folgejahren erwehrte er sich mehrerer Attentatsversuche aus Alamut, wo man sich vor einem möglichen Versuch Sinans der Machtusurpiation aller Assassinen fürchtete, bis man ihn aber schließlich gewehren ließ und den Kontakt mehr oder minder abbrach. Raschid ad-Din Sinan hatte sich damit als einziger, von Alamut unabhängig regierender Assassinenführer etabliert.

In seiner ca. 30 Jahre andauernden Herrschaft war er der Auftraggeber verschiedener Assassinate auf sunnitische Muslime sowie vereinzelt auch auf Christen. Die ihm während dieser Zeit (sehr wahrscheinlich durch die Europäer) zugeschriebene Bezeichnung des "Alten vom Berge" läßt ihn dabei als jemand Erfahrenes, zugleich aber auch Mysteriöses und Fremdes erscheinen, was seine Autorität und Macht gegenüber seinen Feinden, vor allem gegenüber den Kreuzfahrern, möglicherweise noch erhöhte.

Berühmt wurde Sinan indes durch seine Attentatsversuche auf Saladin, den Herrscher Ägyptens, mit Hilfe des Aleppo regierenden Zengiden Gümüschtigin. Saladin empfand Sinan als solch eine Gefahr, dass er strenge Sicherheitsvorkehrungen in Damaskus verordnen ließ und auch einige (allerdings eher zaghafte) Gegenangriffe auf den Alten vom Berge startete. Der später offensichtlich entstandene Waffenstillstand zwischen Saladin und Raschid ad-Din Sinan ist aufgrund dieser feindschaftlichen Vorgeschichte von ausgeschmückten Legenden umrankt, in denen zumeist von Saladins Furcht vor den Assassinen und daraus resultierenden Vermittlungen zwischen den beiden Parteien ausgegangen wird. So soll Sinan den ägyptischen Herrscher in dessen eigenem Palast zu Verhandlungen gezwungen haben, nachdem sich mehrere Mitglieder von Saladins engster Leibgarde als Assassinen zu erkennen gegeben hatten. Fest steht, dass es zu Zeiten Sinans in Syrien nur anfänglich zu Ausseinandersetzungen und Attentatsversuchen kam, später die beiden womöglich sogar zusammengearbeitet haben.

In den 1180er und 1190er Jahren führten die syrischen Ismailiten indes weitere Attentate auf hochrangige Sunniten und Christen durch. Nach dem Assassinat an Konrad von Montferrat wurde es schließlich jedoch ruhiger um die Männer des nun circa sechzigjährigen Alten vom Berge. Als Raschid ad-Din Sinan dann schließlich zwischen 1192 und 1194 verstarb, unterstellte sich sein persischer Nachfolger namens Nasr wieder der Autorität Alamuts und beendete damit die einzigartige Machtposition der Assassinen in Nordsyrien, die damit nur zu Lebzeiten Sinans bestanden hatte.

Bekannte Assassinate und -versuche

  • Der Alte vom Berge versuchte mindestens zweimal, das sunnitische Machtoberhaupt Saladin zu töten. So schickte er um die Jahreswende 1174/1175 mehrere seiner Männer ins Lager des Sultans, welche jedoch von einem Emir erkannt und zur Rede gestellt wurden. Es folgte ein für die Attentäter tödliches Durcheinander, indem Saladin jedoch unverletzt blieb. Im Mai 1176 erfolgte ein weiterer Angriff auf den ägyptischen Herrscher: Während einer Belagerung attackierten als Saladins Soldaten verkleidete Assassinen den Sultan. Wieder konnten dessen Emire den Angriff zurückschlagen; Saladin erlitt aufgrund seines Harnischs nur ungefährliche Stichwunden. Das genaue Motiv Sinans, Saladin zu töten, ist schwer zu ermitteln. So ist nicht ersichtlich, welchen Hintergrund die in vielen Quellen nachgewiesene Konspiration mit den Saladin feindlich gesinnten Zengiden hatte, nämlich ob deren Großwesir Gümüschtigin Sinan mit den Attentaten beauftragt hatte oder die Assassinen ein eigenes Interesse an der Ermordung Saladins verfolgten. Ist letzteres der Fall gewesen, könnte natürlich schlicht und einfach der große Machtfaktor des ägyptischen Herrschers in Syrien der Grund gewesen sein. Allerdings lassen einige nicht exakt datierte Überfalle Saladins auf ismailitische Orte und Festungen auch andere, mögliche Motive zu. Fest steht, dass es nach einem abgebrochenen Belagerungsversuch der Festung Masjaf durch Saladin 1176 zu keinen weiteren bekannten Anfeindungen zwischen Sinan und seinem Widersacher kam.
  • Im August 1177 kam es zum Assassinat an Schihab al-Din ibn al-Adschamis, einem weiteren Wesir des Zenginenherrschers al-Malik al-Salih in Aleppo. Das Motiv könnte hier möglicherweise die Schwächung und Zerschlagung der zenginischen Einheit gewesen sein: So gibt es Gerüchte bezüglich der Beteiligung Gümüschtigins, der demnach die Macht über Aleppo anstrebte, und Sinan mit Hilfe einer gefälschten Unterschrift al-Malik al-Salihs mit der Tötung des konkurrierenden Wesirs beauftragt haben soll.
  • Eines der berühmtesten unter den geglückten Attentaten erfolgte im April 1192 am König von Jerusalem, dem Markgrafen Konrad von Montferrat. Sinans Männer hatten sich als christliche Mönche verkleidet und sich das Vertrauen des Bischofs von Jerusalem sowie Konrads erschlichen. Mehrere Quellen gehen davon aus, dass hierbei Richard Löwenherz selbst die Assassinen zur Tötung seines Landsmannes angestiftet haben soll. Allerdings werden auch Thesen vertreten, nach denen entweder Saladin den Auftrag gegeben oder Sinan aus eigenem Antrieb gehandelt haben soll.

Darstellung in Literatur und Medien

Die Figur des Alten vom Berge taucht in einer ganzen Reihe (vornehmlich europäischer) Literatur auf, aber auch in Filmen, Comics und Computerspielen. Dabei tritt er entgegen der historischen Überlieferungen, in denen er lediglich in Syrien residierte, oft auch als Anführer der persischen Assassinen in Alamut auf (Lionheart, The Walking Drum). Zumeist wird nicht explizit auf den hier beschriebenen Alten vom Berge mit dem Namen Raschid ad-Din Sinan Bezug genommen, sondern einfach eine fiktionale Figur mit unterschiedlichen Namen (Al Mualim, Azi Dahaka), aber der einheitlichen Bezeichnung "Der Alte vom Berge" erfunden, welcher - egal wo und zu welcher Zeit - die Assassinensekte mit großer und teilweise unüberwindbarer Macht anführt.

Zudem konzentriert sich die Darstellung des Alten oft auf mysteriöse, irrationale und mystische Elemente. So tritt er im PC-Spiel Lionheart als Verkörperung des Dämons Azi Dahaka aus der iranischen Mythologie auf, und auch in Assassin's Creed muss der Spieler einem mit übernatürlichen Kräften ausgestatteten Alten vom Berge entgegentreten.

Literatur und Weblinks