Das Prinzip Nachhaltigkeit

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Das Prinzip Nachhaltigkeit (bzw. nachhaltige Entwicklung) ist eine Richtschnur für die Entwicklung menschlicher Gesellschaften mit dem Ziel, "dass unsere Kinder und Kindeskinder auch morgen noch etwas auf dem Teller haben - und dass überhaupt erstmals alle Menschen dieser Welt etwas auf den Teller bekommen. Es geht also um eine lebenswerte, freiheitliche und friedliche Erde für alle Menschen." So jedenfalls beschreibt es in aller Kürze der Autor des Buches "Das Prinzip Nachhaltigkeit. Generationengerechtigkeit und globale Gerechtigkeit" - der Bremer Professor Felix Ekardt (2005: S. 25).

Unsere Lebensform ist weder zukunftsfähig noch global ausdehnbar

Ausgangspunkt der Überlegungen von Felix Ekardt ist die Tatsache, dass der westliche Lebensstil zwar viele positive Seiten hat, aber leider aufgrund seines extremen Ressourcenverbrauchs nicht verallgemeinerbar - und nicht einmal auf Dauer durchzuhalten - ist, ohne dass die Grundlagen unserer Existenz vernichtet werden. Mit anderen Worten: Wir Okzidentalen pflegen "ein Lebensmodell, das weder globalisierbar noch auf Dauer lebbar ist" (S. 13).

"Gegenwärtig emittiert z.B. ein Deutscher jährlich durch seinen Lebensstil rund 42 Tonnen problematische Substanzen. Davon ist nur ein verschwindend kleiner Teil Schadstoffe, dagegen ein großer Teil Klimagase wie CO2. Dies ist nur halb so viel wie bei US-Amerikanern, aber das Doppelte eines Japaners. Und das Zehn- bis Hundertfache dessen, was Menschen in Entwicklungsländern verbrauchen. Zwar hat es eine Übernutzung von Ressourcen historisch immer wieder gegeben. Die heutige globale Dimension und die drohende Schädigung übergreifender ökosystemarer Zusammenhänge und des Klimas sind aber geschichtlich beispiellos. Dies gilt um so mehr, als die bevölkerungsreichsten Länder des Südens nunmehr auf dem Weg zu einer Kopie des westlichen Wohlstandsmodells - das bisher knapp 80% der Weltressourcen für 20% Bevölkerung verschlang - sind" (S. 12 f.).

Wenn die Menschheit noch einige Zeit weiter auf diesem Planeten leben möchte, kann es also nicht so weitergehen wie bisher. Insbesondere wenn wir Okzidentalen so weitermachen wie bisher, wäre das schreiend ungerecht nicht nur gegenüber denjenigen Menschen, die heute in den armen Gesellschaften vor allem im Süden des Globus leben, sondern vor allem gegenüber denjenigen, die heute jung sind - und gegenüber den kommenden Generationen.

Erstens ist es deshalb selbstverständlich, dass wir einen anderen Umgang mit der Erde lernen müssen. Nachhaltigkeit bedeutet in bezug auf das Wirtschaften, dass als Ausdruck einer intertemporalen und internationalen Gerechtigkeit folgende 4 Regeln zu beachten sind:

(1) Erneuerbare Rohstoffe sind nur unter Beachtung der Nachwachsraten zu nutzen ("Regenerativen-Regel") (2) Nicht-erneuerbare Rohstoffe sind sparsam bzw. unter Berücksichtigung ihrer Substituierbarkeit zu verwenden("Sparsamkeits-Regel") (3) Die Assimilationsgrenzen des Naturhaushalts sind zu beachten und Schädigungen des Klimas sowie der Ozonschicht sind zu vermeiden ("Assimilations-Regel") (4) Gefahren und Risiken z.B. durch schädliche Stoffeinträge sind weitgehend zu vermeiden ("Gefahren- und Risiken-Regel").

Zu diesen vier Grundregeln kommt als Gerechtigkeitserfordernis noch hinzu:

(a) Weltweite physische Grundbedürfnissicherung in der Form einer elementaren Existenzsicherung für alle einschließlich Rente und elementarer Bildung

(b) Vermeidung von Schuldenbergen in Staatshaushalten, um die Lasten nicht auf die folgenden Generationen abzuwälzen (vgl. S. 29 f.).

Wann sind Gesellschaften gerecht?

Es ist leichter zu sagen, wann eine Gesellschaft ungerecht ist, als genau zu erklären, wann eine Gesellschaft als gerecht bezeichnet werden kann. Ungerecht ist sicherlich eine Gesellschaft von gewalttätigen Egoisten, die willkürlich andere Menschen quälen oder töten. Eine gerechte Gesellschaft ist also jedenfalls eine Gesellschaft, in der weder bloße Willkür noch ungebremste Ausbeutung herrscht. Eine gerechte Gesellschaft ist auch nicht grausam. Sie ist auch nicht ohne Mitgefühl für andere Menschen und ohne Achtsamkeit gegenüber anderen Geschöpfen.

Darüber hinaus ist eine Gesellschaft aber sicherlich nur dann als gerecht zu bezeichnen, wenn sie auch positive Merkmale aufweist. Vielleicht könnte man sagen: Eine gerechte Gesellschaft ist eine Gesellschaft mit einer normativ richtigen Grundordnung, die in der Realität auch Geltung besitzt, also praktiziert wird - und die möglichst auch von allen ohne Zwang oder Manipulation als gerecht wahrgenommen und als lebenswert und richtig geschätzt wird.

Heutzutage wird man zudem sagen können: solange wir Okzidentalen einen Lebensstil pflegen, der in seinen Konsequenzen für räumlich entfernte Gesellschaften negativ ist und der die Lebensgrundlagen für die Existenz junger Menschen und künftiger Menschen aufs Spiel setzt, solange kann man unsere Gesellschaft, wie auch immer sie im einzelnen organisiert sein mag, nicht als gerecht bezeichnen.

Dies ist die Grundthese von Felix Ekardts Buch "Nachhaltigkeit" (vgl. Ekardt 2005: 9). Obwohl sich Ekardt auf eine lange philosophische Tradition der Diskussion über die "gerechte Gesellschaft" (von Platon bis zu Jürgen Habermas) stützen kann, betritt er mit seinem Buch in mancher Hinsicht Neuland. Denn während sich die Idee der Gerechtigkeit von der Antike bis zum 20. Jahrhundert immer nur auf die jeweils Lebenden - und meist nur auf die in einem relativ engen Raum Lebenden - bezog, stellt Ekardt die Möglichkeit in Abrede, dass eine Gesellschaft überhaupt als gerecht bezeichnet werden kann, die in ihren Konsequenzen für andere Teile des Globus und für junge und künftige Menschen existenzgefährdende Auswirkungen hat. Deshalb ist seine Arbeit womöglich ein Meilenstein auf der Suche nach der Begründung, Bestimmung und Realisierung einer gerechten Gesellschaft in der heutigen Zeit.

Eine weitere Besonderheit von Ekardts Werk ist die Stärke seiner Argumentation. Er sagt nicht: es wäre möglich, die Gerechtigkeit durch diese oder jene Eigenschaften zu beschreiben, sondern er behauptet, dass er mit zwingenden Argumenten darlegen kann, dass die Konzeption einer gerechten Gesellschaft möglich ist - und dass es darüber hinaus möglich ist, die erforderlichen rechtlichen und institutionellen Voraussetzungen für die praktische Realisierung einer intergenerationell und intertemporal gerechten Weltgesellschaft zu bestimmen.


Die vier Elemente einer gerechten Gesellschaft ergeben sich aus der Notwendigkeit einer normativ vernünftigen Ordnung

Vernunft ist das menschliche Vermögen, Wertungsfragen mit Gründen zu entscheiden; vernünftig bedeutet "begründet". Grundlage der Herstellung einer gerechten Gesellschaft kann nur das Vertrauen in die menschliche Vernunft sein. Denn um das Wesen der Gerechtigkeit zu bestimmen, sind wir Menschen auf uns selbst angewiesen, genauer gesagt: auf Argumente und auf Diskussionen über diese Argumente. Ohne einen solchen Austausch und die Prüfung von Argumenten wäre kein Gespräch über Gerechtigkeit möglich - und auch keine Einigung auf Regeln für gerechtes Handeln. Da niemand die Vernunft gepachtet hat und man deshalb nie endgültig Klarheit über die besten Prinzipien erlangen kann (weil also substantialistische Maßstäbe für eine gerechte Gesellschaft fehlen), ist es ein Gebot der Vernunft, allen Menschen die Chance zu geben, sich ungezwungen zu äußern und zu verhalten und gegebenenfalls auch ihren Beitrag zur Optimierung der Verhältnisse zu leisten. Das geht nur, wenn jeder Menschen jeden anderen Menschen achtet - und zwar als autonomes Wesen achtet. Die Vernunft selbst hat also die Gebote der "Achtung" und der "Autonomie" zur Folge.

In anderen Worten: Da keine Möglichkeit besteht zu wissen, wer wann die besten Gründe liefern wird, um die letzten Wertfragen zu entscheiden - weil also substantialistische Maßstäbe dafür fehlen - ist eine Ordnung nur dann vernünftig, wenn sie jedem Menschen (heutigen und künftigen, über alle Grenzen hinweg) mit Achtung vor seiner individuellen Autonomie entgegentritt und ihm ganz unparteiisch genau so viel Raum zur Artikulation seiner Gründe gibt wie allen anderen. Achtung vor allen anderen Individuen und vor ihrer freien Meinung ist also eine Konsequenz der Vernünftigkeit einer sozialen Ordnung - ebenso wie es auch die Unparteilichkeit ist.

Man kann natürlich einwenden, dass eine religiöse Offenbarung besser ist als eine durch die Vernunft begründete Ordnung. Aber diese Argumentation verfängt sich meist selbst in Widersprüchen. Denn "besser" wird sich letztlich auf vernunftmäßig begründete Werte beziehen. Und wer selber überhaupt irgendwann Gründe anführt, würde sich zu sich selbst in Widerspruch setzen, wenn er nicht allen anderen ebenfalls die Möglichkeit freier Argumentation gäbe:

"Jemand, der in einem Gespräch Gründe gibt, dann aber dem Gesprächspartner die Achtung streitig macht, widerspräche sich ergo selbst, weil er das leugnet, was sein Reden in Gründen als Diskursregel logisch impliziert. Andernfalls wäre ja kein freies Sich-Überzeugen mit Gründen möglich. "Und sofern ein Gerechtigkeitsdiskurs geführt wird, muss, wieder mangels substantialistischer Maßstäbe und wegen der auf gleiche freie Überzeugung gerichteten Kategorie Grund, sowohl der Ablauf als auch das Ergebnis allgemein zustimmungsfähig, also unparteiisch, sein. Dies ist die Begründung der liberalen Basis - und sie ist universal, weil sie an die humane Praxis des Sprechens in Gründen anknüpft und damit alle Kulturgrenzen übersteigt" (Ekardt 2005: 62 f.).

Gerecht ist eine politische Grundordnung nach E. "dann, wenn sie dem Achtungs- und dem Unparteilichkeitsprinzip genügt (...) und daraus Freiheitsrechte und Demokratie herleitet. Freilich ist die Richtigkeit (...) nur gegeben, wenn die Ordnung (...) die Freiheitsrechte zeitneutral und auch (...) global-zwischenstaatlich anerkennt (sich also der Nachhaltigkeit öffnet) und (...) den Freiheitsbegriff neu interpretiert" (2005: 59).

Die Vernunft, um die es in erster Linie geht, ist die normative Vernunft, d.h. das menschliche Vermögen, über Wertfragen begründete Entscheidungen zu treffen. Erst wenn die normativen Fragen vernünftig entschieden sind, lohnt es sich, die instrumentelle Vernunft zum Zuge kommen zu lassen, bei der es um die effektive Umsetzung dessen geht, was als gerecht erkannt wurde (vgl. Ekardt 2005: 21 f.; 33 f.).

Eine normativ vernünftige Diskussion kann nach Ekardt (2005: 59 f.) nur zu dem Ergebnis kommen, dass nur eine Gesellschaft als gerecht bezeichnet werden kann, die

(1) normativ vernünftige Diskussionen über die gerechte Ordnung möglich macht ("Vernunft") (2) indem sie jedem Individuum die Chance auf zwanglose Teilnahme am Diskurs über die gerechte Ordnung ermöglicht, was nur möglich ist, wenn sie die Würde jedes einzelnen Menschen achtet ("Würde/Achtung") und wenn sie (3) keine Menschen von vornherein bevorzugt oder benachteiligt ("Unparteilichkeit") sowie (4) allen Menschen die Möglichkeit der freien Willensbildung und Meinungsäußerung sowie der allgemeinen Handlungsfreiheit zubilligt ("Freiheit/Autonomie").


Eine gerechte Gesellschaft ist immer eine liberale Gesellschaft

Insofern muss eine gerechte Gesellschaft immer auch eine liberale Gesellschaft sein: liberal allerdings im Sinne der Achtung der Freiheit, nicht in dem Sinne, in dem der Begriff manchmal von "Marktliberalen" oder "Neoliberalen" benutzt wird: "Liberalismus ist hier einfach die Lehre, die diejenige Grundordnung für gerecht hält, die gut und womöglich universal begründet ist, also der normativen Vernunft entspricht. Diese liberaler Vernunft unterscheidet sich dabei von anderen Lehren, die sich z.T. ebenfalls vernünftig nennen, durch ihren kritizistischen Anspruch, also durch ihre Reflexivität: Liberale Normen werden, noch ungeahctet aller Details nicht religiös oder aus rein faktisch gelebten Sitten deduziert. Vielmehr werden vorfindliche Traditionen kritisch auf rechtfertigende Gründe befragt" (2005: 40).

Ein richtig verstandener Liberalismus ist dann nicht nur eine Auffassung neben anderen, sondern die einzig mögliche Grundlage einer gerechten Gesellschaft. Tatsächlich behauptet Felix Ekardt beweisen zu können, "dass Menschenrechte und Demokratie für alle Völker dieser Welt gerecht und geboten sind (universale Gerechtigkeit)" (2005: 22). Als gerecht kann heutzutage nur eine Gesellschaft bezeichnet werden, wenn sie ihre Maßstäbe des Gerechten auch gegenüber künftigen Generationen und gegenüber räumlich entfernten Erdbewohnern einlösen kann (=Generationengerechtigkeit, globale Gerechtigkeit).

Mit dem Zwang des besseren (transzendentalen) Arguments ergibt sich, dass Gerechtigkeit immer diese vier Elemente beinhaltet: Vernunft, Würde, Unparteilichkeit und Freiheit.


Multipolarität der Freiheit

Ekardt bricht mit altliberalen Vorstellungen, denen zufolge die Freiheitsrechte ausschließlich Rechte des Bürgers gegen staatliche Bevormundung und Eingriffe darstellen. Er spricht von der Multipolarität der Freiheit (als der Schutzrichtung der Freiheit gegen Staat und Mitbürger) - vgl. 2005: 130.

Generationengerechtigkeit und globale Gerechtigkeit

Auch zukünftige Menschen verdienen Grundrechtsschutz. Dafür gibt es drei Gründe (S. 92-95):

(1) Das Potentialitätsargument. Achtung und Unparteilichkeit sind aus Gerechtigkeitsgründen sowieso allen potentiellen Teilnehmern an Gerechtigkeitsdiskussionen geschuldet. Auch künftige Menschen sind solche potentiellen Teilnehmer. Deshalb verdienen sie auch den Schutz der Grundrechte.

(2) Das Ewigkeitsargument. Wenn die Aufklärungsideale ihrem Anspruch nach universal sind, also zeitlos, dann werden künftige Menschen auch Rechte haben - und die dürfen von den heute lebenden Menschen nicht vereitelt werden: "Und wenn ich die Lebensgrundlagen heute in einer Weise schädige, dass dieses Handeln bei jungen und künftigen Menschen später keine Freiheit von Beeinträchtigungen in Existenzminimum, Leben und Gesundheit mehr garantieren kann, dann schade ich ihnen spätestens in diesem künftigen Zeitpunkt. Dann aber ist der Schaden irreversibel, und damit würde das betroffene Freiheitsrecht nicht mehr das leisten, was Freiheiten leisten sollen: einen sicheren Schutz gegen Beeinträchtigungen" (S. 93).

(3) Das Ungewißheitsargument. Die offene Vernunft lässt uns nicht nur darüber im Ungewissen, was heute inhaltlich gerecht ist. Sie lässt uns auch im Ungewissen darüber, was in der Zukunft inhaltlich gerecht ist. Künftige Menschen (bzw. deren Vertreter) können Beteiligungsrechte verlangen, "soweit heutige Entscheidungen ernstlich in die Zukunft hineinreichen" (S. 94).


Freiheit durch universale, globale und intertemporale Menschenrechte

Freiheit ist Abwesenheit von Zwang und damit als Recht auf maximale Entfaltung und je eigene Wege zum Glück - vielleicht muss Freiheit aber auch vielschichtiger verstanden werden (S. 113). Diese Frage zu untersuchen ist wichtig. Denn da Freiheit der Kernbegriff allen Streitens über Gerechtigkeit, Recht und Politik ist, ist ein richtiges Verständnis von Freiheit der Schlüssel zur Beantwortung vieler Fragen, die uns heute tief spalten (S. 112).

(1) Es kann nur Freiheitsrechte geben, weil nur solche Rechte aus den Prinzipien der Achtung und der Unparteilichkeit ableitbar sind. Auch Leben, Gesundheit, Existenzminimum usw. sind insofern nur Aspekte von Freiheit.

(2) Die Grundrechte (= Menschenrechte) richten sich gegen den Staat, "weil man eine Instanz braucht, die die Konflikte zwischen den Bürgern löst" (S. 113).

Das Prinzip universaler Nachhaltigkeit:

"Jedermann soll gleiches Recht auf das umfangreichste System gleicher Grundfreiheiten haben, das mit dem gleichen System für alle anderen einschließlich der jungen, künftigen udn in anderen Ländern und Erdteilen lebenden Menschen verträglich ist. Die gleichen Freiheitsrechte garantieren dabei auch die Erhaltung der elementaren Freiheitsvoraussetzungen, ohne die ein menschenwürdiges Leben ausgeschlossen ist, sowie den Schutz gegen andere Bürger und ein Junktim von Freiheit und Handlungsfolgenverantwortlichkeit" (S. 152).

Ergänzend gilt folgende Regel:

"Im Regelfall kann die Freiheit im Sinne des ersten Gerechtigkeitsgrundsatzes nur um der Freiheit einschließlich ihrer elementaren Voraussetzungen und um des Junktims von Freiheit und Handlungsfolgenverantwortlichkeit willen beschränkt werden. Ausnahmsweise kommt bei Vorliegen guter Gründe eine Einschränkung der Freiheit auch um ihrer weiteren Voraussetzungen willen in Betracht. Freiheitseinschränkungen ohne Rechtfertigung in der Freiheit und ihren Voraussetzungen sind stets unzulässig" (S. 152 f.).

"Diese Grundsätze drücken aus, was wir uns als Vernunftwesen gegenseitig schulden, um unser Zusammenleben nachhaltig zu gestalten. Wobei die Vernunft ihrerseits für uns Menschen als Menschen unhintergehbar ist - universal, global und im Zeithorizont" (S. 153).


Gerechte Abwägung in Konflikten - auch bei intergenerationell und international kollidierenden Interessen

Wie wird das Prinzip Nachhaltigkeit real?

Gut leben statt viel haben

Kriminologische Relevanz

(1) Prinzipien der Gerechtigkeit als Zielbestimmung für das Strafrechtssystem, bzw. für alternative Konfliktregelung (Alternativen zu Strafe). Ansatzpunkt: Vergleich von John Braithwaite (2002) und Felix Ekhardt.

(2) Untersuchung der okzidentalen Kriminalpolitik im Hinblick auf Generationengerechtigkeit und globale Gerechtigkeit. Ansatzpunkt: Wayne Morrison (2006).


Zitate aus "Das Prinzip Nachhaltigkeit"

"Ohne eine neu fundierte Lehre von der gerechten Grundordnung und eine Neuinterpretation unserer Verfassungen, ohne ein auf beiden Ebenen neuformiertes Freiheitskonzept, vor allem aber ohne mehr Generationengerechtigkeit und Gerechtigkeit zwischen dne Völkern diesre Erde können wir nicht länger sagen, dass unser Zusammenleben gerecht ist. Und ohne ein neues Konzept politischer Steuerung wird die Politik als Mittler unserer Konflikte endgültig scheitern. Ganz besonders die Jahrhundertaufgabe Nachhaltigkeit, unter die wir die Generationen- und die globale Gerechtigkeit seit kurzem begrifflich fassen, wird ohne ein solches Konzept nicht zu meistern sein" (S. 9).

"Liberale Gesellschaften haben fast jedem ihrer lebenden Bürger ein Maß an Freiheitlichkeit und Wohlstand beschert, von dem Menschen früherer Jahrhunderte nur träumen konnten. Doch unser Recht und unsere Moral scheinen sich - wie wohl stehts, seit es Menschen gibt - immer noch auf die Konfliktlösung unter zeitlich und räumlich zusammenlebenden Menschen zu beschränken, und dies in einer informationell vernetzten Welt, in der wir uns wegen des erreichten wirtschaftlich-technischen, auch kriegswaffentechnischen Entwicklungsstandes für alle Zukunft darauf einstellen müssen, dass die Folgen unseres Handelns weit über uns und unser Land hinauswirken - räumlich global und zeitlich weit in die Zukunft hinein" (S. 11).

"Daher sind die normative Vernunft und die Folgerungen Achtung, Unparteilichkeit, Freiheit für alle Menschen die universale Basis. Weder die Vernunftbasis der Grundordnung noch die liberalen Prinzipien selbst können wir noch zurückweisen, sobald wir auch nur einmal im Leben mit Gründen gestritten haben. Dann sind wir, selbst wenn wir jetzt plötzlich nur noch schweigen, im Universalismus gefangen. Warum? Weil alle potentiellen Gesprächspartner Adressat unserer einmal geäußerten Gründe sind und uns so fortwährend binden - und weil auch die unauflösliche Verflechtung von Diskurs und Handeln ein Netz normativer Bindungen über uns wirft" (S. 66).

"Freiheit soll es ja gerade deshalb geben, damit jeder ein eigenständiges Leben führen und auf je eigene Weise sein Glück suchen kann, ohne dass der Staat darin Vorgaben machen darf. Trotzdem müssen unsere Freiheitsrechte die elementaren Freiheitsvoraussetzungen garantieren und damit auch ein Recht auf Leben, Gesundheit und Existenzminimum" (S. 120).

Freiheit darf nicht länger die pauschale Befugnis sein, "andere beliebig zu beeinträchtigen, ohne mit den Folgen konfrontiert zu werden. Vielmehr muss Freiheit gerade ein Gebot enthalten, nicht die Folgen meiner Freiheit auf andere abzuschieben: also ein Junktim von Freiheit und Folgenverantwortlichkeit ("Verursacherprinzip"). Ist es denn etwa mit einer freiheitlichen Ordnung vereinbar, dass ich durch meine freien Handlungen andere, auch räumlich und zeitlich weit entfernte Menschen beeinträchtige, diese Folgen aber als etwas "Fremdes" von mir weise?" (S. 123).


Literatur

  • Braithwaite, John (2002) Settings Standards for Restorative Justice. The British Journal of Criminology 42:563-577.
  • Ekardt, Felix (2005) Das Prinzip Nachhaltigkeit. Generationengerechtigkeit und globale Gerechtigkeit. München: C.H. Beck.
  • Morrison, Wayne (2006) Criminology, Civilisation and the New World Order. London: Routledge, Chapman & Hall.

Links