DNA-Analyse

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Die erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts entwickelte DNA-Analyse erlaubt die Identifikation von Straftätern (und den Ausschluss von Tatverdächtigen) anhand des Vergleichs von geringsten Mengen biologischen Spurenmaterials. Zuerst zur Aufklärung von schwersten Sexual- und Tötungsdelikten angewandt, wird sie mittlerweile auch - und quantitativ überwiegend - im Bereich von allgemeinen Gewalt- und Eigentumsdelikten eingesetzt.


Ist die DNA-Analyse ein Gentest?

DNA ist die englische Abkürzung für DeoxyriboNucleic Acid (zu deutsch: DesoxyriboNucleinSäure, abgekürzt DNS). Auf dem in der Form einer verdrehten Strickleiter (Doppelhelix) aufgebauten DNA-Molekül befinden sich verschlüsselt alle Erbanlagen eines Menschen (= Gene). Die DNA befindet sich in allen Zellkernen (und zwar in den als Chromosomen bezeichneten Verpackungseinheiten). Allerdings nehmen die Gene nur einen kleinen Teil des Moleküls in Anspruch. Mehr als 90% der DNA trägt keine Erbanlagen und wird daher auch als "nicht kodierend" bezeichnet.

In Deutschland ist die kriminaltechnische Analyse - abgesehen von der Bestimmung des Geschlechts - gesetzlich auf diese nicht kodierenden Abschnitte beschränkt. Obwohl diese keine genetischen Informationen tragen, weisen sie doch bei jedem Menschen ein charakteristisches Muster auf. Die Aufgabe der forensischen DNA-Analytik besteht in Deutschland lediglich darin, diese Muster sichtbar zu machen und sie mit dem Muster aus Vergleichsproben von Personen, die eventuell als Täter in Frage kommen könnten, zu vergleichen. Das heißt, dass das genetische Material, das Aufschluss über äußerliche Merkmale einer Person geben könnte, nicht analysiert werden darf. In Deutschland handelt es sich bei der DNA-Analyse deshalb grundsätzlich nicht um einen "Gentest".

Das ist in anderen Staaten anders, z.B. in den USA oder in den Niederlanden. Dort wird der DNA-Test auch an genetischem Material durchgeführt. Der Ausdruck "genetischer Fingerabdruck" (genetic fingerprint) ist für diese Fälle durchaus zutreffend. Die Resultate dienen nicht nur der Identifizierung (durch Vergleich mit anderem DNA-Material), sondern auch der Information über äußerliche Eigenschaften der gesuchten Person (z.B. Haut- oder Augenfarbe), d.h. die Resultate werden auch zur Fahndung benutzt.

Verfahren

Das Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz (2007) schreibt zum Verfahren der DNA-Analyse, dass die eigentliche Revolution erst mit dem Einsatz der sogenannten PCR-Technik stattfand: "Diese Abkürzung steht für Polymerase Chain Reaction, also für eine biochemische Kettenreaktion. Im Verlauf dieser Reaktion werden kleinste Abschnitte des DNA-Fadens im Labor künstlich millionenfach angereichert. Bei dieser Anreicherung werden jeweils absolut identische Kopien der Ausgangs-DNA-Stücke hergestellt und zur Sichtbarmachung farblich markiert. So kann im Regelfall selbst aus geringstem Spurenmaterial ein ausreichendes DNA-Profil gewonnen werden. Somit unterliegt die Art der auswertbaren körperzellhaltigen Spuren nahezu keiner Einschränkung mehr. Auch geringstes oder älteres Spurenmaterial kann einer Auswertung zugeführt werden. DNA-Analysen führen zur Erstellung eines Zahlencodes (Identifizierungsmuster), der als Ergebnis in einer DNA-Datenbank speicher- und recherchierbar ist. Die automatisierte Verarbeitung solcher Daten bietet eine Vielzahl von Vorteilen, wenn die Tatbegehung mit der Hinterlassung auswertbarer biologischer Spuren verbunden ist. Fallübergreifende Auswertungen werden möglich, was insbesondere bei Serienstraftaten zu einer erhöhten Aufklärungsquote führt. Von wesentlicher Bedeutung ist auch die von einer DNA-Datenbank ausgehende vorbeugende Wirkung zu betrachten."

Rechtslage in Deutschland

Die Zulässigkeit, Durchführung, Verarbeitung und Nutzung von DNA-Analysen wurde durch das Strafverfahrensänderungsgesetz DNA-Analyse vom 17.03.1997 und das DNA-Identitätsfeststellungsgesetz vom 11.09.1998 geregelt.


Einige Fälle aus Rheinland-Pfalz

Das LKA Rheinland-Pfalz (2007) berichtet über Erfolge bei der Aufklärung spektakulärer Kriminalfälle:

"1. Der Fall Heib Im November 1991 wurde der 34jährige Pförtner eines Automobilzulieferwerks in Idar-Oberstein nachts während eines Einbruchs auf brutale Weise ermordet. Die Leiche wies Schädelfrakturen und mehr als 70 Stichverletzungen auf. Die Bildung einer 30köpfigen Sonderkommission führte zu keinen verwertbaren Hinweisen, so dass im Februar 1992 eine Darstellung des Falls in der Sendung "Aktenzeichen XY" erfolgte. Auch in den darauffolgenden Monaten führten die Ermittlungen zu keinem Ergebnis. Mit den damals zur Verfügung stehenden sehr beschränkten serologischen Methoden zur Blutgruppenbestimmung wie auch den vergleichsweise einfachen ersten DNA-Techniken konnten bei der kriminaltechnischen Untersuchung der Vielzahl am Tatort gesicherter Blutspuren keine sicheren Täterhinweise gewonnen werden. Nach Einführung der weiterentwickelten DNA-Analyse mit Hilfe der PCR-Technik im LKA Rheinland-Pfalz gegen Ende des Jahres 1992 wurde das Spurenmaterial erneut untersucht. Dabei wurde eine Übereinstimmung mit dem DNA-Profil eines zum damaligen Zeitpunkt Verdächtigen festgestellt, der ebenfalls bei dieser Firma beschäftigt war. Der Verdächtige wurde im März 1993 anderthalb Jahre nach der Tat festgenommen und legte ein umfassendes Geständnis ab. Auch hier wäre ohne die DNA-Analyse keine Aufklärung der Tat möglich gewesen.

2. Der Mordfall Diana Hans Am 24.04.1996 wurde in einer Spielhalle in Koblenz-Rübenach eine 21jährige Spielhallenaufsicht erwürgt und beraubt aufgefunden. Die umfangreiche Spurensicherung führte unter anderem zur Sicherstellung von zwei Zigarettenkippen aus einem Aschenbecher in der Nähe des Leichenfundorts. Auf Grund der Tatsache, dass kurz zuvor eine Leerung aller Aschenbecher in der Spielhalle erfolgt war, konnte man davon ausgehen, dass diese Spuren im Zusammenhang mit der Tat zu sehen waren. Eine DNA-Analyse der Speichelspuren an den Zigarettenresten erbrachte ein Merkmalsmuster, welches in der Folge mit einem ca. 100 Personen umfassenden Kreis bekannter Spielhallenbenutzer abgeglichen wurde. Dabei wurde eine Übereinstimmung mit dem DNA-Profil eines in Deutschland geborenen 24-jährigen türkischen Staatsangehörigen festgestellt. Er legte nach seiner Festnahme ein umfassendes Geständnis ab und benannte einen Mittäter. Beide wurden rechtskräftig verurteilt. Im vorliegenden Fall war die DNA-Analyse das einzige Mittel zur Aufklärung der Straftat, da keinerlei sonstige Hinweise vorlagen.

3. Mord, Mordversuch und Vergewaltigung in Bad Münster am Stein im Januar 2000 Am 13. Januar 2000 wurde ein 21-jähriger Mann in Bad Münster am Stein brutal ermordet. Außerdem verletzte der Täter den 15-jährigen Bruder des Opfers sowie einen 14-jährigen Jugendlichen lebensgefährlich. Die Ermittlungen führten zur Festnahme eines 24-jährigen Mannes. Im LKA wurden zahlreiche Asservate sowie eine Vergleichsprobe des Beschuldigten untersucht. Unter anderem konnte auf einem T-Shirt des Beschuldigten Blut des Opfers sowie des 14-jährigen Schwerverletzten nachgewiesen werden. Im Rahmen der Untersuchungen wurde auch ein DNA-Merkmalsprofil des Beschuldigten ermittelt, das in der DNA-Bundesdatenbank gespeichert wurde.

Die Speicherung führte zu einem Treffer. Das Merkmalsprofil des Beschuldigten stimmte mit dem DNA-Muster einer Spermaspur aus einem Sexualdelikt überein. In der Neujahrsnacht 2000 war in Bad Kreuznach in der Nähe des Schlossparks ein 15-jähriges Mädchen auf dem Weg zu ihrer Freundin mit einer Waffe bedroht und vergewaltigt worden. Hinweise auf einen möglichen Täter gab es zum damaligen Zeitpunkt nicht. In einem untersuchten Scheidenabstrich war Sperma nachweisbar, das DNA-analytisch ausgewertet und als offene Tatortspur in der DNA-Datenbank gespeichert wurde.

Auf Grundlage dieses Treffers wurde die Anklage gegen den des Mordes und Mordversuchs Angeklagten um den Vorwurf der Vergewaltigung erweitert. Der Angeklagte legte ein umfassendes Geständnis ab und wurde am 22. August 2000 vom Landgericht Bad Kreuznach wegen Mordes, 2-fachen Mordversuchs, schweren Raubes und Vergewaltigung zu lebenslanger Haft verurteilt. Darüber hinaus stellte das Gericht eine besondere Schwere der Schuld fest.

4. Versuchter Sexualmord in Daun aus dem Jahre 1982 Am 12.08.1982 (!) wurde in Daun ein versuchter Sexualmord verübt, bei dem das Opfer stark verletzt wurde. Bei der Tatbegehung hinterließ der Täter an einem Betttuch eine Spermaspur und an einem Nachthemd eine Blutspur. Ferner lagen daktyloskopische Spuren vor, mit denen im Jahr 1999 mit einer modifizierten AFIS-Recherche eine Person identifiziert werden konnten. Hier führte die vergleichende DNA-analytische Auswertung der 17 Jahre alten biologischen Spuren zu einer Identifizierung des Beschuldigten, der daraufhin ein Geständnis ablegte.

5. Serienvergewaltigung in Bad Kreuznach 2001/2002 Innerhalb eines Zeitraums von 6 Monaten wurden drei brutale Vergewaltigungen verübt. Die DNA-Analyse führte bei 2 Taten zu verwertbaren Spermaspuren. Die Speicherung und Recherche dieser Muster in der DNA-Analyse-Datei ergab eine Spur-Spur-Übereinstimmung. Die darauffolgende Erfassung des DNA-Profils eines wegen Einbruchs vorbestraften Täters ergab einen Treffer mit diesen Spuren. Nach der Verhaftung legte der Täter ein Geständnis ab und wurde zwischenzeitlich verurteilt."


Möglichkeiten und Grenzen

Identifizierung von Straftätern

Erstmals wurde die DNA-Analyse 1986 in England im Rahmen der Aufklärung von zwei Sexualmorden eingesetzt: "Zu jener Zeit war die Technologie noch wenig ausgereift und die Herstellung der Identifizierungsmuster zeitaufwändig und kostenintensiv. Erst mit der Vereinfachung des technischen Verfahrens und der Umwandlung des genetischen Fingerabdrucks in einen numerischen Kode in den 1990er Jahren konnten Datenbanken mit DNA-Identifizierungsmustern aufgebaut werden. - Die technischen Möglichkeiten sind vielversprechend, die Erfolgsbilanz der Polizei ist dementsprechend beeindruckend", schreibt Peter Becker (2005: 211).

Gemeinhin wird angenommen, dass sich mittels der DNA-Analyse feststellen lässt, ob der Betreffende am Tatort anwesend war: "Damit lässt sich die körperliche Anwesenheit einer Person an einem fraglichen Ort eindeutig nachweisen" (Becker 2005: 211).

Diese Ansicht verkennt die Möglichkeit, dass es sich bei einem korrekt identifizierten DNA-Muster um eine sog. Trugspur handelt. Zum Beispiel kann der Täter den Verdacht auf eine Person "P" lenken wollen. Dann nimmt er einen Gegenstand mit einer DNA-Spur von "P" mit und deponiert ihn am Tatort (z.B. einen Zigarettenstummel; oder eine Bierflasche, aus der "P" getrunken hat) - oder er nimmt ein Kleidungsstück, z.B. einen Pullover, von "P" mit an den Tatort, schüttelt es dort aus - und schon sind zahllose DNA-Spuren von "P" am Tatort. - In einer Hinsicht ist die DNA-Analyse der Daktyloskopie unterlegen: eineiige Zwillinge verfügen über unterschiedliche Fingerabdrücke, aber identische DNA. Daher lässt sich per Daktyloskopie, nicht aber per DNA-Analyse herausfinden, ob eine Spur von Zwilling A oder B stammt.

Aufklärung von Fehlurteilen

In Texas (USA) wurde 2007 eine Kommission eingerichtet, die Hunderte abgelehnter Anträge verurteilter Straftäter überprüfen soll, die ihre Unschuld mit Hilfe von DNA-Analysen beweisen wollen. 2008 ordnete der Bezirksstaatsanwalt von Dallas, Texas, an, dass diese Kommission nun auch in fast 40 Verfahren prüfen solle, ob Todeskandidaten unschuldig zum Tode verurteilt wurden. In dem Bezirk waren seit 2001 nicht weniger als 19 Fälle aufgedeckt worden, in denen Unschuldige zu Freiheitsstrafen verurteilt worden waren (FAZ 19.09.08: 7, "Fast 40 Todesurteile werden überprüft").

Geschichte

- 1985 Entdeckung von hochvariablen Regionen im nichtkodierenden Bereich des menschlichen Erbguts (DNA) durch Alec Jeffreys. Damit wurde die wissenschaftliche Grundlage für die DNA-Analyse geschaffen. - 1990 Bundesweite Einführung des genetischen Fingerabdrucks (RFLP-Technik) in die forensische Praxis. So auch im Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz. Im selben Jahr fällt der Bundesgerichtshof (BGH) ein Grundsatzurteil: Die DNA-Analyse im Sinne des § 81 a StPO (körperliche Untersuchung) ist zur Aufklärung von Straftaten grundsätzlich zulässig. - 1992/1993 Einführung der PCR-Methode als Weiterentwicklung des genetischen Fingerabdrucks am LKA Rheinland-Pfalz. - 1995/1996 Verstärktes Auftreten osteuropäischer Tätergruppierungen im Bundesgebiet; auch in Rheinland-Pfalz verbunden mit einem Anstieg der Seriendelikte im Bereich der schweren Eigentumskriminalität. Bildung mehrerer Sonderkommissionen. - 1996 Einrichtung der bundesweit ersten DNA-Datei (DNA-Spurendokumentation) im Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz unter Einbindung des Landesbeauftragten für den Datenschutz. Durch die damit erstmals mögliche DV-gestützte Recherche von Tatortspuren mit DNA-Profilen von Beschuldigten konnten entscheidende Aufklärungserfolge bei diesen Serienstraftaten erzielt werden. - 1997 Das Strafverfahrensänderungsgesetz DNA-Analyse tritt in Kraft. Vor dem Hintergrund verschiedener Sexualmorde an Kindern entbrennt eine Diskussion über die Notwendigkeit einer bundesweiten DNA-Datenbank. Sie hat die Einrichtung einer Bund-Länder-Projektgruppe mit maßgeblicher Beteiligung von Rheinland-Pfalz zur Folge. Bezüglich einer geplanten Bundesdatei wurde auf die Anregungen aus Rheinland-Pfalz vor dem Hintergrund der dort gesammelten Erfahrungen zurückgegriffen. - 1998 Beim Bundeskriminalamt (BKA) wird eine DNA-Analyse-Datei eingerichtet. Das DNA-Identitätsfeststellungsgesetz tritt in Kraft. Es bringt eine Ausweitung des Adressatenkreises mit dem Zweck der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren mit sich. Damit wird das Anwendungsgebiet der DNA-Analyse erheblich ausgeweitet. In den Folgejahren wird die Datei stetig erweitert und umfasst zum Jahresende 2002 ca. 243.000 Datensätze, davon 211.000 Straftäter und 32.000 Spuren aus ungeklärten Straftaten.


Quellen