Crimeic - Onlinebegleitung im Strafvollzug

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„crimeic - Onlinebegleitung im Strafvollzug“ war ein studentisches Projekt von Peter Lutz Kalmbach und Tim Krenzel zur Überprüfung einer onlinegeführten Ehrenamtsarbeit mit Häftlingen im deutschen Strafvollzug.

Worterklärung

„crimeic“ (crime, investigation, communication) ist ein Kunstwort, das sich auf die Grundbelange des Pilotprojekts bezogen hat: crime (engl.: Verbrechen) als Bezugspunkt zur Untersuchung - investigation – und communication (engl. Austausch), als zentrales Medium ehrenamtlicher Sozialarbeit. [1]

Strafvollzug, Resozialisierung und Ehrenamt

Der Vollzug von Freiheitsstrafe ist zweckgebunden und dient insbesondere dem Ziel, Gefangene zu resozialisieren, mithin derart auf sie einzuwirken, dass ein Leben ohne Straftaten möglich ist. [2] Eine wesentliche Komponente der Resozialisierung stellen soziale Bindungen dar, zu denen auch Kontakte gehören, die von Häftlingen zu Personen außerhalb des Vollzuges gepflegt werden. [3]Dabei nimmt die Beteiligung an Außenkontakten durch ehrenamtlich tätige Bürger einen herausgehobenen Stellenwert ein. [4]Zu den Formen der ehrenamtlichen sozialen Unterstützung Inhaftierter gehören beispielsweise die Betreuung von Einzelpersonen oder Gruppen sowie Briefkontakte. [5]

Strafvollzug und Internet

Das Internet kann als technisches Medium von Inhaftierte kaum genutzt werden. Während es zwar beispielsweise - wie im Rahmen von Projekten mit jungen Inhaftierten - vereinzelt zur Darstellung des Häftlingsalltags benutzt wird[6], ist es in Deutschland bisher nur ausnahmsweise zur Aufrechterhaltung von Kontakten zwischen Häftlingen und Bürgern genutzt worden. Als Gründe für die bisherige Verwehrung eines stabilen und dauerhaften Internetgebrauchs werden seitens des Strafvollzuges vor allem Bedenken angeführt, eine derartige Kommunikation sei unkontrollierbar, anfällig für Missbrauch und daher eine Gefahrenquelle für die Sicherheit des Vollzuges. [7]

Piolotprojekt "crimeic"

Das Pilotprojekt "crimeic" war ein Lösungsansatz, der der Frage nachgegangen ist, wie das Internet auch für Strafvollzugsgefangene nutzbar gemacht werden kann.[8]Ausgangspunkt war die Überlegung, dass eine ehrenamtliche Betreuung über das Internet neue Perspektiven eröffnet und als zeitgemäße Kommunikation auch im Strafvollzug nicht außen vor bleiben kann. Dabei ist davon auszugehen, dass ein stetiger dringender Bedarf an weiteren sozialen Angeboten in Justizvollzugsanstalten besteht. Dies nicht zuletzt, weil die Realitäten des Strafvollzuges dem Resozialisierungsziel wachsende Probleme entgegenstellen.[9] Neben der grundsätzlichen Erweiterung ehrenamtlicher Hilfe, gehört zu den Vorteilen der Etablierung einer Onlinebegleitung die Gewinnung neuer ehrenamtlicher Kräfte, da ein Austausch über das Internet zeitsparend ist und keine Anreisen an den Vollzugsort erforderlich sind. Im Gegensatz zu einer regulären Brieffreundschaft fallen für Insassen keine Portogebühren an, die vom reglementierten Taschengeld bezahlt werden müssen. Außerdem erfolgt der Kontakt anonym.

Der Zugriff auf die externe und datensichere Online-Beratungssoftware von "crimeic" erfolgte über Freischaltung der einzelnen notwendigen URL auf dem vom Häftling genutzten PC. Ein freier Gebrauch des Internets war somit während der Projektdauer nicht möglich.

Der rein wissenschaftliche Anteil von "crimeic" war die Überprüfung der praktischen Tauglichkeit einer Onlinebegleitung für Strafvollzugsgefangene in rechtlicher wie technischer Hinsicht. Ergänzt wurde diese Fragestellung um die Erkenntnisgewinnung, welche Themen und Anliegen bei den Häftlingen im Vordergrund stehen. Dazu wählten die jeweiligen Begleiter bei jedem E-Mail-Kontakt aus einem Item-Katalog eine standardisierte Beschreibung aus (beispielsweise "Leben in Haft", "Zukunftsperspektiven", "Soziale Kontakte"). Nach Ende der dreimonatigen Projektphase wurden abschließend anhand von Interviews mit Häftlingen und Begleitern die individuellen Erfahrungen evaluiert und ausgewertet. [10]

Dauer & Umsetzung des Pilotprojekts

Um in naher Zukunft ein dauerhaftes Angebot schaffen zu können, wurde zunächst eine dreimonatige Pilotphase durchgeführt, die von November 2015 bis Februar 2016 dauerte. Die ersten Onlinebegleiter wurden aus Freiwilligen der Polizeiakademie Niedersachsen gewonnen. Sie übten den Austausch per E-Mail in ihrer freien Zeit als rein ehrenamtliches Engagement aus. Die begleiteten Häftlinge waren sämtlich in der JVA Wolfenbüttel inhaftiert. [11]

Berichterstattungen

Dem Pilotprojekt ist während der Projektdurchführung einiges an Aufmerksamkeit zuteil geworden. Auch die Universität Hamburg, an die das Projekt im Rahmen der gemeinsamen Masterarbeit von Peter Lutz Kalmbach und Tim Krenzel angebunden war, hat sich interessiert gezeigt und in dem semesterweise erscheinenden Hochschulmagazin für das WS 2016/17 einen Artikel veröffentlicht. Der lesenswerte Artikel kann hier als blätterbare ePublikation eingesehen oder auf der Internetseite der Universität Hamburg als PDF-Datei heruntergeladen werden kann.

Einzelnachweise

  1. Kalmbach/Krenzel, S. 71
  2. Suhling/Neumann, in: Kriminalpädagogische Praxis 2015, S. 46-62, 47.
  3. Thiele, in: Kriminalpädagogische Praxis 2015, S. 72-85, 72.
  4. Kury in: Kury, 113-154, 114 f.
  5. Theißen, 149.
  6. Roy, in: Bewährungshilfe 2014, S. 50-55, 50 ff.
  7. Knauer, S. 4 ff.
  8. zum Folgenden www.crimeic.de
  9. Laubenthal, S. 77 f.
  10. Kalmbach/Krenzel, S. 104 ff.
  11. Kalmbach/Krenzel, S. 88 ff.

Literatur

  • Kalmbach, Peter Lutz; Krenzel, Tim, Onlinebegleitung im Strafvollzug - Das Projekt „crimeic®“ Revolutionierung ehrenamtlicher Arbeit im Strafvollzug?, Frankfurt am Main 2017.
  • Knauer, Florian, Strafvollzug und Internet. Rechtsprobleme der Nutzung elektronischer Kommunikationsmedien durch Strafgefangene, Berlin 2006.
  • Kury, Helmut, Die Einstellung der Bevölkerung zum Rechtsbrecher und Strafvollzug. In: Kury, Helmut. Strafvollzug und Öffentlichkeit, Freiburg 1980, S. 113-154.
  • Laubenthal, Klaus, Strafvollzug, 7. Aufl., Heidelberg 2015.
  • Roy, Inge, Podknast - Neue Medien im Strafvollzug. In: Bewährungshilfe 2014, 50-55.
  • Suhling, Stefan; Neumann, Nicole, Strafvollzug im Wandel? Positive Entwicklungen und Herausforderungen für Wissenschaft und Praxis. In: Kriminalpädagogische Praxis 2015, 46-62.
  • Theißen, Rolf, Ehrenamtliche Mitarbeit im Strafvollzug der Bundesrepublik Deutschland. Eine Untersuchung zu Umfang, Inhalt und Möglichkeiten gesellschaftlicher Mitwirkung am Strafvollzug, Bonn 1990.
  • Thiele, Christoph, Außenkontakte des Gefangenen in den Länderstrafvollzugsgesetzen. In: Kriminalpädagogische Praxis 2015, 72-85.

Internetpräsenz & weiterführende Literatur

  • Internetpräsenz von crimeic – Onlinebegleitung im Strafvollzug: https://www.crimeic.de/
  • Kalmbach, Peter Lutz; Krenzel, Tim, Onlinebegleitung im Strafvollzug - Das Projekt „crimeic®“ Revolutionierung ehrenamtlicher Arbeit im Strafvollzug?, Verlag für Polizeiwissenschaft, Frankfurt am Main 2017. ISBN: 978-3-86676-493-4.

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