Burschenschaften

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Die Burschenschaft ist eine spezielle Ausgestaltungsform einer Studentenverbindung (auch Korporation). Durch ihre traditionelle Verbundenheit zum Studium sind Burschenschaften an vielen Hochschulorten innerhalb und teilweise auch außerhalb Deutschlands vertreten, wobei ihr gemeinsames Leitbild größtenteils auf die Urburschenschaft von 1815 zurückgeführt werden kann.

Etymologie

Die Entstehung des Begriffs „Burschenschaft“ folgt aus dem Bezug zu ihren Mitgliedern, den Studenten. Der „Bursche“ leitet sich aus dem neulateinischen Bursarius, dem Bewohner einer Burse, ab. Als Burse bezeichnete man im 14. Jahrhundert Wohnungen und Häuser, die Studenten von privaten Bürgern zur Verfügung gestellt wurden. Im 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelte sich aus der für Studenten üblichen Bezeichnung Bursarius der Terminus „Bursch“. Die Endung „-schaft“ stammt aus dem mittelhochdeutschen und bezeichnet eine Personengruppe oder (seltener) die Gesamtheit von Dingen. Das Wort „Burschenschaft“ bedeutet somit etwa „Gesamtheit der Burschen“. Die Mitglieder einer Burschenschaft heißen „Burschenschafter“.

Definition

Der Ursprung der heutigen Burschenschaften ist die sogenannte „Urburschenschaft“, welche 1815 in Jena gegründet wurde. Die Idee der Initiatoren war die Fertigung eines gemeinsamen Vaterlandes und die Befreiung von der Obrigkeit.

Der Anspruch der Urburschenschaft, für die Gesamtheit der Studenten zu stehen, konnte sich im Laufe der Entwicklung der Studentenverbindungen nicht durchsetzen. Die Burschenschaft ist vielmehr als eine Art von Studentenverbindung einzuordnen, neben der noch weitere, wie beispielsweise „Corps“, „Landsmannschaften“ und religiöse Verbindungen, existieren. Nahezu alle Burschenschaften sind in Deutschland, Österreich und der Schweiz beheimatet. Lediglich weitere fünf Burschenschaften existieren in Chile, was auf deutsche Einwanderung in der Wende zum 20. Jahrhundert zurückzuführen ist.

In Deutschland gilt eine Burschenschaft rechtlich gesehen als ein Verein gemäß §§ 21 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches. Der Bezug zur Universität ist dabei frei gewählt und nicht im Hochschulgesetz verankert. Vielmehr stellt der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) in den meisten Bundesländern die eigentliche Studierendenvertretung dar.

In der Ausgestaltung der einzelnen Burschenschaften ist einer der wichtigsten Unterschiede die Bedeutung der Mensur. Als Mensur wird ein traditioneller, nach strengen Auflagen ausgeführter Fechtkampf bezeichnet, wobei scharfe Waffen verwendet werden. Die meisten deutschen Burschenschaften sind sogenannte „schlagende Verbindungen“, was auf die Ausübung der Mensur hinweist. Diese sind entweder pflichtschlagend oder fakultativ schlagend.

Nahezu alle Bezeichnungen von Burschenschaften setzen sich aus dem Hochschulstandort und einem Eigennamen (z.B.: Arminia, Frankonia oder Germania) zusammen, wobei sich letzterer der Regel aus einer Verbindung zu einem germanischen Volksstamm oder einer Region ableitet.

Geschichtliche Entwicklung

Im Jahre 1814 entwickelten sich die ersten burschenschaftlichen Aktivitäten. Nach dem Sieg über Napoleon (1813/14) schlossen sich in Jena aus dem Krieg zurückkehrende Studenten zu einer verbindungsübergreifenden Wehrschaft zusammen. Ähnliche Vereinigungen gab es auch in Gießen und Halle.

Mit dem Ausgang des Wiener Kongresses (1815) entstand weder die erwartete nationale Einheit Deutschlands noch eine gesamtdeutsche Verfassung, sondern der Deutsche Bund. Der darüber herrschende Unmut der Studenten führte dazu, dass am 12. Juni 1815 in Jena die „Urburschenschaft“ gegründet wurde, indem sich die bisherigen studentischen Vereinigungen in Jena auflösten und zu einer einzigen Burschenschaft zusammenschlossen.

Am 18. Oktober 1817 lud die „Urburschenschaft“ nahezu alle protestantischen Universitäten und Studentenschaften zum sogenannten „Wartburgfest“ bei Eisenach ein. Bei dem wichtigsten Ereignis in der Gründungsgeschichte erschienen von ca. 8.500 gesamtdeutschen Studenten etwa 500 auf der Wartburg und fassten 35 Grundsätze und 12 Beschlüsse zur Schaffung eines einheitlichen Deutschlands und der Zusammenführung der Studentenschaft in die einheitliche Organisation der „Allgemeinen Deutschen Burschenschaft“ als Gesamtverband. Daneben wurden die Festlegung der deutschen Nationalfarben (schwarz-rot-gold) und das Bekenntnis zu einer einheitlichen Nationalität beschlossen. Christ-Sein und Deutsch-Sein wurde identisch, was schon in der Anfangszeit der Burschenschaften die Neigung zum Antisemitismus offenbarte. Dieser Grundstein hatte weitreichende Folgen für die Geschichte der Burschenschaften und des Nationalismus im Deutschland des 19. und 20. Jahrhunderts.

Die deutschen Burschenschaften fassten sich auf einem Burschentag am 20. Juli 1881 in Eisenach erstmals unter einem Dachverband zusammen. Diesem „Allgemeinen Deputierten Convent“ schlossen sich 41 der 43 existierenden Burschenschaften an und er bestand, ab dem 22. Mai 1902 unter dem Namen „Deutsche Burschenschaft“, bis zur Gleichschaltung mit dem „Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund“ im Jahre 1933 fort.

Die Hinwendung zum Nationalsozialismus erfolgte in der Studentenschaft so rasch, weil sie bei einem Großteil der Studenten keine Änderung der politischen Anschauungen erforderte. Die völkische Ideologie, der radikale Nationalismus und auch bestehender Antisemitismus entsprachen in großen Teilen bereits der Ideologie des Nationalsozialismus.

Nach dem 2. Weltkrieg wurden Studentenverbindungen, und somit auch die Burschenschaften, an allen Hochschulen in den Besatzungszonen verboten. Erst unter dem Deckmantel neu gegründeter Verbindungen in verschiedenen Organisationsformen und der allmählichen Schaffung einer neuen „Activitas“, wurden die alten Bünde und der Dachverband im Geheimen rekonstruiert. Vor dem Hintergrund der Abkehr vom Nationalsozialismus und dem Einsetzen des Kalten Krieges 1947/1948 wurde ab dem Jahre 1951, auch von Seiten der Siegermächte, kaum noch Widerstand gegen die Neuorganisation von Studentenverbindungen geleistet.

Zusammenhang mit andern Begriffen

Zusammenhang mit Rechtsextremismus

Seit der Nachkriegszeit werden Burschenschaften oftmals als rechtsgerichtet oder sogar rechtsradikal wahrgenommen. Dieser Eindruck beruht zum einen auf Übereinstimmungen mit der NS-Ideologie, wie dem völkischen Nationalismus und Antisemitismus, zum anderen auf aktuellen Ereignissen. Im Jahr 2011 wurde beispielsweise auf dem Burschentag der Deutschen Burschenschaft ein Antrag auf Ausschluss einer Burschenschaft eingebracht, weil diese einen Deutschen mit Migrationshintergrund als Mitglied aufgenommen hatte.

Insgesamt reicht das Spektrum politischer Einordnung deutscher Burschenschaften von liberal bis rechts-konservativ. Eine einheitliche politische Anschauung existiert nicht. Aufgrund interner Unstimmigkeiten spalteten sich 1996 mehrere Bünde von dem rechts-konservativen Dachverband der „Deutschen Burschenschaft“ ab und gründeten die weit liberalere „Neue Deutsche Burschenschaft“. Im Jahr 2016 gründete sich die „Allgemeine Deutsche Burschenschaft“ als dritter Dachverband. Dieser Verband steht für eine konservative Politik unter klarer Abgrenzung zum Rechtsextremismus.

Zusammenhang mit Linksextremismus

Burschenschaften sehen sich immer wieder als Ziel von linksextremem Vandalismus. Teilweise werden Verbindungshäuser mit Farbbeuteln und Steinen beworfen oder versucht in Brand zu setzen. Im Rahmen öffentlicher Zusammenkünfte von Verbindungsstudenten wird teilweise die Polizei zum Schutz eingesetzt.

Im Januar 2011 präsentierte der „Convent Deutscher Akademikerverbände“ bei einer Pressekonferenz in Frankfurt am Main erstmals eine eigene Statistik, die Gewalt gegen Studentenverbindungen thematisierte.

Empirie

Zum Thema „Burschenschaften“ existiert in Deutschland eine Vielzahl von wissenschaftlicher Forschung, die sich hauptsächlich mit der geschichtlichen Entwicklung und der politischen Einordnung befasst. Daneben gibt es auch einige Dissertationen und Auftragsforschung.

Eine große Anfrage der Fraktion SPD vom 15.07.2014 an den Hessischen Landtag betreffend den Kenntnisstand zu rechtsextremen und neonazistischen Strukturen in Hessen sowie zu rechtsextremen Einstellungsmustern in der sogenannten Mitte der Gesellschaft ergab u.a. folgende Antwort: „Hochschulen sind kein primäres Ziel rechtsextremistischer Gruppierungen. (…) Sofern einzelne Burschenschaften rechtsextremistische Aktivitäten entfalten, erfolgt dies in aller Regel nicht an den Hochschulen, sondern außerhalb der (Hochschul-)Öffentlichkeit in den Räumlichkeiten der Burschenschaften. Das Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet studentische Verbindungen dann, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verfolgen.“

Weiterhin ergab eine kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 21.05.2014 an den Deutschen Bundestag über Rechtsextreme Tendenzen in der Deutschen Burschenschaft u.a. folgende Stellungnahme: „Ungeachtet des Umstands, dass in der jüngeren Zeit etwa 40 Bünde den Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ (DB) verlassen haben sollen, liegen der Bundesregierung auch zum jetzigen Zeitpunkt keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die DB Bestrebungen verfolgt, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. (…) Für die überwiegende Mehrheit der Mitgliedsburschenschaften ist dies nach Kenntnis der Bundesregierung bislang nicht der Fall.“

Vorfälle mit Burschenschaften in der Opfer- oder Täterrolle sind nicht explizit in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) und durch den „Kriminalpolizeilichen Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität“ (KPMD-PMK) erfasst, da ein politisches Motiv meist nicht eindeutig festgestellt werden kann.

Kriminologische Relevanz

Verfassungsschutz

Der Dachverband „Deutsche Burschenschaft“, dem etwa 70 Burschenschaften angehören, wird von den Verfassungsschutzbehörden nicht als rechtsextremistisch bewertet. Bei einzelnen Burschenschaften liegen tatsächliche Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen vor. Diese werden als Verdachtsfall beobachtet. Es gibt Einladungen von Rechtsextremisten zu Vortragsveranstaltungen und einzelne Mitglieder nehmen wiederum an rechtsextremistischen Veranstaltungen teil. Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes sind Burschenschafter teilweise als Rechtsextremisten bekannt oder sind hochrangige NPD-Funktionäre.

Justiz

Die bislang bedeutendsten Fälle, die im Zusammenhang mit Burschenschaften verhandelt wurden betreffen das bereits erwähnte Mensurverbot. Am 19. Dezember 1951 entschied das Landgericht Göttingen, dass eine Mensur kein Duell mit tödlichen Waffen sei. Eine Körperverletzung mit Einwilligung beider Kontrahenten sei weder strafbar noch sittenwidrig. Der Bundesgerichtshof bestätigte das Urteil am 29. Januar 1953 nach Revision der Staatsanwaltschaft. Am 24. Oktober 1958 hob das Bundesverwaltungsgericht eine Entscheidung der Freie Universität Berlin auf, die einem Studenten die Immatrikulation verweigerte, weil er erklärte hatte, Mensuren zu schlagen.

Literatur

  • Alexandra Kurth (2003): „Männer-Bünde-Rituale“, Frankfurt am Main/New York
  • Anfrage an den Deutschen Bundestag (2014), Drucksache 18/1736
  • Anfrage an den Hessischen Landtag (2015), Drucksache 19/1759
  • Anke Beyer, Johann Knigge, Lasse Koch, Robert Kocher, Felix Krebs, Ines Meyer u.a. (2000): „>>… und er muss deutsch sein…<<“ , Hamburg
  • Bayrisches Ministerium des Inneren: Verfassungsschutzbericht 2015
  • Dietrich Heither, Michael Gehler, Alexandra Kurth und Gerhard Schäfer (1997): „Blut und Paukboden. Eine Gesichte der Burschenschaften“, Frankfurt am Main
  • Dietrich Heither (2000): „Verbündete Männer. Die Deutsche Burschenschaft - Weltanschauung, Politik und Brauchtum“, Köln
  • Hans-Georg Balder (2005): „Die Deutschen Burschenschaften“, Hilden
  • Hessisches Ministerium des Inneren: Verfassungsschutzbericht 2015
  • Ludwig Elm, Dietrich Heither, Gerhard Schäfer (1992): „Füxe, Burschen, Alte Herren: studentische Korporationen vom Wartburgfest bis heute“, Köln

Weblinks

  • Convent Deutscher Akademikerverbände „Gewalt gegen Korporationen“, [1]
  • Duden, [2]
  • FAZ Artikel „Gegen das rechte Image“, [3]
  • MDR Artikel „Ein bisschen weniger rechts“, [4]
  • Spiegel Artikel „Verbindung zum Schaden der Republik“, [5]
  • Spiegel Artikel „Kleinkrieg an deutschen Unis“, [6]
  • SZ Artikel „Falsch verbunden“, [7]
  • Webseite „Deutsche Burschenschaft“, [8]
  • Webseite „Neue Deutsche Burschenschaft“, [9]
  • Webseite „Allgemeine Deutsche Burschenschaft“, [10]
  • ZEIT Artikel „Aufbegehren in Schwarz-Rot-Gold“, [11]