Bundesarbeitsgemeinschaft der Kritischen Polizistinnen und Polizisten e.V.

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Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Kritischen Polizistinnen und Polizisten e.V. (Hamburger Signal), auch Die Kritischen oder kurz BAG genannt, sind ein Berufsverband deutscher PolizistInnen.

Sie wurde am 18. Januar 1987 in Bonn von PolizeibeamtInnen aller Laufbahngruppen aufgrund der Erfahrungen der am 07./08.06.1986 gewalttätig verlaufenen Brokdorf-Demonstration und der Ereignisse während eines Polizeieinsatzes in Hamburg anlässlich einer Demonstration auf dem Heiligengeistfeld - auch bekannt als "Hamburger Kessel" - gegründet.

Gründungsmitglieder waren PolizistInnen, die sich neben ihrem Beruf als Staatsbürger in Uniform sahen, "für mehr demokratische Gesinnung und Strukturen in der Polizei" eintraten, "besonders für das Recht und die Pflicht zu Widerspruch und selbstkritischer Prüfung". (Unbequem 1996, 20 zit. nach: Text der Verleihungsurkunde des Gustav-Heinemann-Bürgerpreises 1989). Mitglieder können aktive und ehemalige PolizistInnen werden.

Bereits 1988 wurde der BAG der Gustav-Heinemann-Bürgerpreis der SPD für ihr bürgerschaftliches Engagement verliehen. Die BAG versteht sich als inhaltliche Alternative zu den gewerkschaftlichen Berufsvertretungen der Polizei. Dies sind der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und die Deutsche Polizeigewerkschaft im Beamtenbund (DPolG). Neben einem Bundesverband und einem Bundesvorstand wurden in einigen Bundesländern auch Landesverbände mit regionalen Gruppen gegründet.

Die Agenda der BAG umfasst zahlreiche Problemfelder. Die BAG will mit ihrer Arbeit im Einklang mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung der BRD die Freiheitsrechte der BürgerInnen, die Gleichheit aller und die Gleichberechtigung, den Schutz von Minderheiten und die Solidarität der Menschen gegen ihre Vernichtung und gegen die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen fördern. Sie strebt eine Demokratisierung der Polizei im Innen- und Außenverhältnis und deren Transparenz für die Öffentlichkeit ebenso an, wie die Zusammenarbeit mit anderen im Polizeidienst Tätigen und ihren Organisationen (vgl. Satzung der BAG unter www.kritische-polizisten.de).

Die BAG äußert sich zu vielfältigen Fragen der Inneren Sicherheit/ Kriminalpolitik, zu Problemen innerhalb oder im Zusammenhang mit der Institution Polizei, sowie weiteren bürgerrechtlichen Themen. Hierbei arbeitet der Verein mit verschiedenen Bürgerrechtsgruppen, Parteien und Vereinen zusammen, organisiert Tagungen, Seminare und Kongresse. Mit seiner Arbeit verschafft sich der Verein öffentliches Gehör und Anerkennung.

In Folge des kritischen Engagementes der Mitglieder des Vereins wurden gegen eine Vielzahl von ihnen – ausgehend von den jeweiligen Dienstvorgesetzten - Disziplinar- und Strafverfahren eingeleitet. Die beamtenrechtlichen und strafprozessualen Sanktionen bzw. deren intendierte Androhung seitens der Polizei und die hieraus resultierenden Erschwernisse im dienstlichen Alltag für die Mitglieder der BAG schreckten und schrecken potentielle Interessenten ab und führten zu Austritten von Mitgliedern, da diese dem jahrelangen psychischen Druck nicht mehr standhielten.

Eine aktive Mitarbeit bei den Kritischen führte in der Regel für den Beamten zu einem „Karriereknick“. Eine offizielle Zusammenarbeit mit den Polizeigewerkschaften gab es zu keinem Zeitpunkt, obwohl viele BAG-Mitglieder gleichzeitig Gewerkschaftsmitglied waren. Viele Mitglieder des Vereins waren parteipolitisch bei den Grünen und der SPD organisiert, einige sogar Mitglieder von Stadt- und Landesparlamenten, sowie dem Deutschen Bundestag.

2001 stellte der seit 1998 gewählte Bundessprecher Thomas Wüppesahl einen Insolvenzantrag aufgrund nicht bezahlbarer Gerichtskosten in mehreren von einer weiteren Sprecherin (laut Satzung bis zu drei gleichberechtigte SprecherInnen) aufgrund unbelegter Behauptungen, die eine Sprecherin in Presseverlautbarungen gegen hohe Berliner Polizeibeamte erhoben hatte. Erstmals - bis heute einzig - verlor der Verein Prozesse, hier: vor dem Berliner Landgericht. Mit dem Insolvenzverfahren war die BAG zwar weiter politisch handlungsfähig, jedoch nicht geschäftsfähig.

Das Insolvenzverfahren wurde im August 2004, zwei Monate vor der Inhaftierung von Wüppesahl, durch den Beschluss des AG Hamburg als Insolvenzgericht beendet. Die BAG Kritischer Polizistinnen und Polizisten ist seitdem wieder voll geschäftsfähig. Sie ist nach wie vor im Vereinsregister des AG Hamburg eingetragen. Der Versuch, über u.a. einen prominent besetzten Wissenschaftlichen Beirat (hierzu s.a. UNBEQUEM, Nr. 54/55, Seiten 9 bis 13) die BAG mit neuem Schwung zu beleben, mußte am 23. Oktober 2004 - zwei Tage vor Wüppesahls Festnahme - abgebrochen werden.

Neben den äußeren Auflösungsfaktoren hatten interne Auseinandersetzungen und Machtspiele den Verein erodieren lassen, tendenziell zu einer Spaltung geführt. Entscheidend hierfür waren die oben beschriebenen Mechanismen und Methoden von Diskriminierung, Mobbing und andere Formen der Benachteiligung gegen Mitglieder der BAG, im besonderen deren Exponenten.

Einige wenige Mitglieder der BAG traten 2001 der Humanistischen Union (HU) bei. Dieser Versuch, die Arbeit der BAG in der HU fortzusetzen, scheiterte schnell. Derzeit arbeiten keine Handvoll ehemalige Mitglieder der Kritischen in einer Polizeigruppe bei amnesty international (ai). Auch diese Arbeit ist nicht vergleichbar mit der des anerkannten Berufsverbandes BAG Kritischer Polizistinnen und Polizisten (Hamburger Signal e.V.) als weltweit einziger kritischen Polizeiorganisation aus den Reihen der Polizei.

Neuen Auftrieb erhielt die Vereinigung nach gut besuchten Mitgliederversammlungen 2009 und 2010. Aktuell wird der Posten des Bundessprechers von Thomas Wüppesahl bekleidet.

Die Mitgliederzahlen der BAG mit allen Landesverbänden lagen von 1987 bis heute immer unter 150.

Zeitung des Vereins: „UNBEQUEM“, Erscheinungsweise: vierteljährlich. Letzte Ausgabe: September 2004, kurz vor der fast dreijährigen Inhaftierung des Bundessprechers Thomas Wüppesahl.

Literatur

  • Die Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizisten und Polizistinnen (Hamburger Signal) e.V. (Hg.): Unbequem. Zeitung der BAG
  • Decke, Werner (1990): Kritische Polizisten/ Hamburger Signal. Versuch einer vorurteilsfreien Auseinandersetzung. Hausarbeit an der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung Hamburg, Fachbereich Polizei

Weblinks